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Laufberichte

Zermatt macht süchtig

02.07.05
Autor: Klaus Duwe

"Hab' Spaß!" So einfach ist das.

 

Eigentlich hatte ich andere Pläne. Aber irgendwie laufe ich schon ein ganzes Jahr mit der Erinnerung an den Zermatt-Marathon durch die Gegend. Ich war ja vor meiner Läuferzeit unter anderem ein begeisterter Bergwanderer und die Dolomiten mein bevorzugtes Revier.

 

Letztes Jahr war ich dann zum ersten Mal in Zermatt und hab den Berg der Berge live gesehen. Wie auf einer kitschigen Postkarte: blauer Himmel, keine Wolke, und dann die grau-weiße mächtige Pyramide. Ich muss da nicht rauf. Aber ich muss ihn sehen. Ich habe die Geschichten gelesen um seine Erstbesteigung. Ich kann es nicht begreifen, dass es anfangs gar nicht das Matterhorn war, das die Menschen  so faszinierte, sondern der Monte Rosa. Deshalb heißt auch das Hotel, in dem Edward Whymper seinerzeit in Zermatt immer Quartier bezog, Monte Rosa.  Der Engländer war es, der die Aufmerksamkeit auf das Matterhorn lenkte. Und weil man es ihm nicht überlassen wollte, diesen Giganten als Erster zu besteigen, kam des schließlich zu dem Wettlauf mit dem tragischen Ausgang.

 

Also bin ich wieder hier. Formalitäten sind keine zu erledigen. Die Startunterlagen einschließlich der Sicherheitsnadeln und allen wichtigen Informationen werden per Post geschickt. Aber es gibt zum ersten Mal eine Pasta Party, und die gleich doppelt. Einmal in Zermatt auf dem Bahnhofplatz und einmal in St. Niklaus, wo der Marathon gestartet wird. Das hatte ich letztes Jahr vermisst. Nicht, dass ich nicht wüsste, wie  ich sonst zu Nudeln komme. Aber es fehlte die Anlauf-, Sammel- und Kontaktstelle für die Läuferinnen und Läufer. Zumindest in Zermatt ist ordentlich Betrieb. Nicht nur die Marathonis füllen die Kohlehydratspeicher, auch Passanten greifen gerne zu. Raclette ist neben den leckeren Nudeln besonders gefragt.

 

Ich habe Maria und Rainer Satzinger besucht, die das Wochenende hier und Startplätze für den Marathon gewonnen haben. Sie waren zuvor ein Mal, aber das nur ganz kurz, in Zermatt.  Zusammen sind wir erstaunt, als wir auf der Musikbühne Paul und Mirja Kronig entdecken. Es sind die Besitzer des Hotel Continental, wo die beiden wohnen. So ist das in Zermatt. Jeder kennt jeden und alle helfen zusammen.

 

So auch ein Läufer, der bei der Essenausgabe einen Personalengpass erkennt und statt zu motzen, einfach nach dem großen Löffel greift und fortan die Portionierung übernimmt. Die Portionen fallen jetzt noch etwas üppiger aus.

 

Die Stimmung ist prächtig und wenn es ab und zu etwas nieselt, macht das niemanden etwas aus. Der Wetterbericht für morgen ist gut: Unterschiedlich bewölkt, trocken, maximal 18 Grad.

 

Am Sonntag um 8.10 Uhr fährt ab Zermatt ein Sonderzug nach St. Niklaus. Überall in den Hotels wird rechtzeitig ein Frühstück bereit gestellt. Die Sonne scheint, aber es ist frisch. Auf der Fahrt kann ein Großteil der Strecke besichtigt werden. Es sind bis Zermatt auf 20 Kilometer zwar „nur“ 600 Höhenmeter zu bewältigen, aber es gibt zwischendrin schon mal ganz kräftige Anstiege. Zum Einstimmen sozusagen.

 

Knapp 40 Minuten fährt der Zug, der unterwegs weitere Marathonis einsammelt. In St. Niklaus lässt es sich Andrea Kummer, „Chefin“ des Verkehrsamtes und Geschäftsführerin des Vereins Zermatt-Marathon, nicht nehmen, Maria und Rainer willkommen zu heißen und einen guten Lauf zu wünschen.

 

Um 9.50 Uhr dann der Start. Wir laufen ein Stück abwärts und dann links hinauf ins Dorf, wo die Bewohner uns mit Beifall verabschieden. Es geht der Bahnlinie entlang zunächst gemächlich steigend oder eben hinein ins Tal. Die schneebedeckten Gipfel von Breithorn und Weißhorn sind teilweise in Wolken. Der Zug aus St. Niklaus mit den Fans überholt uns. Riesenjubel. Andrea hängt auch aus dem Fenster. "Hab' Spass", ruft sie mir zu. Mattsand (1227 m  - 5 km) und Herbriggen (1254 m – 6,6 km) werden passiert und bei 10,9 km wird Randa (1408 m) erreicht. Die Wege sind bis hier entweder asphaltiert oder gut befestigt. Die Strecke führt direkt an den gewaltigen Schuttmassen von zwei Bergstützen vorbei. 10 Millionen Kubikmeter Fels donnerten im Frühjahr 1991 zu Tale.

 

In den Ortschaften stehen zahlreiche Menschen an den Straßen und feuern uns an. Die Verpflegungsstellen sind üppig bestückt. Es gibt einen genauen Plan und so weiß jeder Läuferin und jeder Läufer, was es wo zu essen und zu trinken gibt. Die Helferinnen und Helfer sind klasse. Teilweise kommen sie uns schon entgegen und am liebsten würde ich jedem einen Becher abnehmen.

 

Bei Kilometer 14,7 erreichen wir Täsch (1439 m). Hier endet der Autoverkehr. Riesige Parkplätze und Parkhäuser stehen den Besuchern von Zermatt zur Verfügung.

 

Jetzt folgen schmale Pfade, steinig und von Wurzeln durchzogen. Trotzdem laufe ich durch, mache keine Gehpause. Es läuft ganz gut, ich behindere mit meinem Vorwärtsdrang niemanden und auch mir ist niemand „im Weg“. Es macht Spaß zu erleben, wie sich die Trainingsläufe im Schwarzwald und die nicht ganz leichten zurückliegenden Marathonläufe offensichtlich auszahlen. Fast eine Stunde vor der letzten Durchgangszeit erreiche ich Zermatt (1620 m). Nach der Verpflegungsstelle geht es zum Bahnhof und durch die Bahnhofstraße. Viele Menschen stehen rechts und links und feuern uns an. Wieder sind die Zurufe international und wieder dominieren die Japaner das Bild. Es geht vorbei an edlen Schmuck- und Uhrengeschäften, Restaurants und Cafes. Am Ortsende steigt die Strecke an, dann geht es abwärts und wir machen eine kleine Schleife vorbei an blühenden Wiesen.  Dicke Wolken verhindern den Blick auf das Matterhorn. Über einen Steg geht es im Wald weiter aufwärts und schließlich wieder zurück in den Ort.

 

Vor dem Aufstieg nach Sunegga gibt es noch einmal eine Stärkung und dann geht auf langen Serpentinen, zunächst noch auf geteerter, später auf guten Waldwegen immer aufwärts. Bis km 27 laufe ich, dann muss ich passen. Der rechte Wadenmuskel schmerzt. Das Marschieren geht aber ganz gut und viel langsamer bin so auch nicht. Sieben Kilometer zieht sich das so hin, 600 Höhenmeter werden bewältigt. Roland hole ich ein. Ein guter Läufer, aber aus dem Flachland (Xanten), wie er immer selbst betont. Aber ausgerechnet bei den Bergläufen treffe ich ihn immer wieder. Letztes Jahr hier in Zermatt, dann in Davos und jetzt.

 

Ich erreiche Sunegga (2262 m – 32,2 km). Normalerweise hat man von hier einen herrlichen  Ausblick auf das Matterhorn, auf Weißhorn, Zinalrothorn, Obergabelhorn und Dent Blanche. Heute lässt sich das alles nur erahnen. Ich verzichte auf Fotos (vielleicht schaut ihr einfach mal in den Laufbericht vom letzten Jahr). Ich will nicht klagen. Die Temperaturen sind zum Laufen bestens. Nur mein Wadenmuskel macht mir zunehmend Sorge. Beim Laufen tut es besonders weh.

 

Nach einer kurzen Stärkung geht es weiter. Zuerst auf einem schmalen Pfad etwas abwärts, dann aber wieder bergauf. Es ist das Tal des Findelbaches. Ich komme vorbei am Leisee und Grindjisee und sehe die Hütten von Gant (2314 m – 35,3 km). Auf steinigen Wegen geht es jetzt bergab.

 

Am Start habe ich schon einen Läufer bewundert, der offensichtlich barfuß auf die Strecke will. Ganz ernst genommen habe ich das nicht. Aber jetzt sehe ich ihn vor mir. Wie gesagt: vor mir. Ich bin bis 27 Kilometer gerannt und dann stramm marschiert. Und er läuft barfuß und ist vor mir. Ich stelle mir vor, seine Hornhaut an den Füßen ist so dick wie das Profil meiner Trailschuhe. Hans Werner  Thenning heißt der Barbußläufer. Er kommt aus Bern.  Eben begegnet uns eine Gruppe mit an die 30 Japaner. Als sie den Barfüßler sehen, zücken die einen den Fotoapparat und die anderen stoßen Schmerzens-Schreie oder Bewunderungs-Rufe aus.

 

Links liegt der der Grünsee. Wieder kommt eine komplett bestückte Verpflegungsstelle (km 36,7). Inzwischen greife ich bevorzugt am Cola-Tisch zu. Es ist nicht mehr weit, und ich passiere die Gleise der Gornergratbahn an der Riffelalp (2211 m – 39,1 km). Zwischen der Haltestelle der Gornergratbahn und dem Fünf-Sterne-Hotel verkehrt die „höchstgelegene Straßenbahn Europas“. Es sind nur ein paar hundert Meter, aber die Schweizer lieben Superlative. Und wie anders sollen Gäste eines Fünf-Sterne-Hotels im Eisenbahnerland Schweiz abgeholt werden?

 

Jetzt sind es nur noch 3 Kilometer. Aber was für welche. 370 Höhenmeter liegen zwischen hier und dem Ziel. Und meine Wade schmerzt immer mehr. Es geht noch einmal richtig zur Sache.  Genau an der gleichen Stelle wie letztes Jahr macht ein Fotograf von allen Läuferinnen und Läufern ein Erinnerungsfoto. Es ist kostenlos, und kann abends am Bahnhof in Zermatt gleich mitgenommen werden.

 

Die Galerie der Bahn wird erreicht. Parallel zur Bahnlinie zieht sich der Weg mit bis zu 20 % Steigung dahin. Vom Ziel her hört man schon deutlich die Musik, den Speaker und den Jubel. Aber noch sind gut 1 ½ km zu bewältigen. Es geht durch den Skitunnel und weiter steil aufwärts. Musik spielt. Ein Dudelsack ist auch dabei. Kenn ich doch irgendwo her? Ich könnte einen Stein auf das Duschzelt werfen, so nah bin ich am Ziel. Trotzdem, erst geht es in weitem Bogen und immer aufwärts daran vorbei. Dann ist die Höhe erreicht, von der ich dann in lockerem Lauf (oder was ich darunter verstehe) hinunter durch den mit bunten Fahnen geschmückten Zielbogen laufe.

 

Wieder dieses herrliche Glücksgefühl. Die Glückwünsche tun gut und sie freuen mich.


Ganz nebenbei und ohne es wollen, habe ich noch meine Vorjahreszeit um 7 Minuten unterboten.  Wenn das so weiter geht!

 

Am Sonntag strahlt die Sonne vom wolkenlosen Himmel. Ein herrlicher Tag. Kurz entschlossen mache ich mich auf Richtung Schwarzsee. Hier noch ein paar Bilder zum Staunen und Geniessen.

 

Streckenbeschreibung

Punkt-zu-Punkt-Kurs mit Start in St. Niklaus (1116 m) und Ziel Riffelberg (2582 m). Anspruchsvolle Strecke mit 1800 m Anstieg, meist Berg- und Wanderwege. Durchgangszeiten beachten!

 

Rahmenprogramm

Pasta-Party in Zermatt und St. Niklaus. Startunterlagen werden vor dem Rennen zugesandt, Nachmeldungen sind im Verkehrsamt St. Niklaus möglich.

 

Auszeichnung

Medaille, tolles Finisher-Shirt, Urkunde aus dem Internet

 

Logistik

Abgabe der Kleiderbeutel in St. Niklaus. Transport ins Ziel Riffelberg. Kostenlose Rückfahrt mit der Gornergratbahn nach Zermatt oder zu den anderen Orten im Tal.

 

Verpflegung

11 Getränke- und Verpflegungsstellen  mit Wasser, Iso, Cola, Bananen, Gel und Riegel (Verpflegungsplan wird ausgegeben).

 

Zuschauer

In den Dörfern machen die Bewohner schon kräftig mit. In Zermatt in der Bahnhofstraße tolle Stimmung.

 

Temperaturen

Unbedingt den Wetterbericht beachten. Der Zermatt-Marathon hat in seiner kurzen Geschichte schon alles erlebt: herrliches Wetter mit Hitze in den Jahren 2003 und 2004 und Schnee 2002.   

 


 
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