Weil zwei m4y-Läufer aktiv auf der Strecke sind und ihre Eindrücke in ihren Laufberichten schildern, denke ich an einen entspannten Sonntag, den ich fotografierenderweise an der Strecke verbringen kann.
Da die Läuferinnen und Läufer eine überschaubare Runde von 1315 m laufen, die noch dazu durch die mollig warme Grüne Halle führt, macht es mir auch nichts aus, dass der Winter noch einmal mit deutlich einstelligen Temperaturen gegenüber dem Frühling die Oberhand behält. Dann passieren aber Dinge, die mich derart beeindrucken, dass ich unbedingt auch noch meinen Senf dazugeben muss.
Mal ganz ehrlich: Einen Marathon auf einer 1342 m langen Runde zu laufen, ist schon speziell. Und wer sogar 6 Stunden lang seine Runden dreht, ist ein echter Ultra. Und wer dafür auch noch ein paar hundert Kilometer Autofahrt auf sich nimmt, um nach Fürth zu kommen, muss ein Kenner sein, ein Genießer, ein Fan, einer der weiß, was gut und was schön ist.
Der erste Eindruck ist ernüchternd. „Ist das die Laufstrecke?“ Weil ich es nicht glauben kann, frage ich eine zweite Ordnungskraft. „Ja, das ist sie“, bekomme ich fast stolz zur Antwort. Der Südpark ist keine übliche Parklandschaft mit viel Grün, sondern eine, die fast ohne auskommt. Dafür sind die Wege auch nicht verschlungen, sondern streng gradlinig und im Viereck. Wie bei der Formel 1 wird die asphaltierte Piste vor dem Rennen sorgfältig gereinigt und jedes Steinchen zur Seite gekehrt. Um den Park gruppieren sich Wohnanlagen in ansprechender Architektur. Ich denke, da lässt es sich gut wohnen.
Aber laufen? Ich bin noch immer froh, dass das Anton (6 Stunden) und Herbert (Marathon) erledigen.
Die Idee zu dem Lauf stammt von Anita Kinle. Viele kennen Anita. Die m4y-User wählten sie 2010 mit großer Mehrheit zum „Hero des Jahres“. Bei einem bekannten Laufmagazin ist man neuerdings ein Hero, wenn man deren Zeitschrift abonniert. Hier bei uns sind die Voraussetzungen anders gelagert, man muss schon Außergewöhnliches leisten. Und das tut Anita in ganz besonderer Weise. Als Mutter eines Down-Syndrom-Kindes setzt sie sich in vielen Bereichen für die Integration von Menschen mit Down-Syndrom ein, gründete eine Beratungsstelle und vor allem auch den Laufclub 21.
Dabei ging es ihr nicht darum, einen „Behinderten-Sportverein“ zu gründen, sondern Menschen mit Down-Syndrom mit solchen ohne diesen Gen-Defekt zusammen zu bringen. Deshalb coachen Läufer wie Du und ich die DS-Läufer, die nach entsprechendem Training dann an ganz „normalen“ Laufveranstaltungen teilnehmen.
Dass das einmal zu einer eigenen Veranstaltung führen wird, überrascht die, die Anita kennen, nicht. Dann schon eher das WIE. Charity-Veranstaltungen gibt es ja jede Menge. Zum Glück hat sich Anita da nicht viel abgeschaut sondern überlegt, was sie als Läuferin bewegen könnte, an einem solchen Lauf teilzunehmen. Dazu ist ihr nicht nur jede Menge eingefallen, sondern sie hat es mit ihrem Team auch umgesetzt. Und das absolut professionell und perfekt. Professionell und perfekt heißt ja nicht, dass alles klappt. Es bedeutet „nur“, dass kein Teilnehmer es merkt, wenn was schief läuft.
1000 Teilnehmer werden insgesamt bei den verschiedenen Läufen (Marathon, 6-Stunden, Halbmarathon, Marathon-Staffel, Stunden-Läufer usw.) starten. Kein Grund für Artur Schmidt, für viele der beliebteste Laufsportmoderator in Deutschland, seinen Job auf die leichte Schulter zu nehmen. Wie wenn es darum ginge, internationalen Spitzensport wie z. B. in Frankfurt oder Hamburg zu präsentieren, bereitet er sich vor. Genauso sieht das Norbert Wilhelmi, als Laufsportfotograf eine absolute Spitzenkraft. Und auch das Team Eures liebsten Marathon-Portal gibt wie immer alles.
Gestartet wird in der Grünen Halle. Die ist nicht sooo groß, die meisten Teilnehmer stehen draußen. Wie geht es ihnen? Ich habe Gänsehaut. Musik. Dann der kleine Thomas Kinle: „An Tagen wie diesen wünsch ich mir Unendlichkeit ….“ Er liest den Refrain des bekannten Liedes. Zum Start wird von 1 auf 21 gezählt. Cheerleader hocken rechts und links des Startbogens. Nebel versperrt die Sicht, hat sich bei „21“ aber etwas gelichtet. Unter tosendem Applaus taucht als erster Läufer einer mit dem Club-21-Shirt auf, die Cheerleader springen auf, tanzen, die Halle tobt. Das Rennen beginnt und ich bin überhaupt nicht mehr froh, dass ich Anton und Herbert den Lauf-Job überlassen habe.
Ich wollte heute in Rom laufen. Weil ich nicht fit bin, habe ich verzichtet und bin jetzt hier. Was Besseres konnte ich nicht tun.
Wie ist es auf der Strecke? Kommt man aus der Halle raus, weht den Läufern auf der ersten Geraden ein eisiger Wind ins Gesicht. Das hält den Chor nicht davon ab, 60 Minuten engagiert dagegen anzusingen. Die nächste Gerade geht so einigermaßen, dann kommt der gleiche Wind von hinten. Schon besser, aber auch noch kalt. Mini-Cheerleader schreien stundenlang: „Let’s go, Runners, let’s go!“ Dann geht es in die Halle, wo DJ Bernd van Trill, im „Nebenberuf“ verantwortlich für den Metropol Marathon in Fürth (16. Juni), unermüdlich auflegt und Artur Schmidt kommentiert.
Die Stimmung ist einfach geil! Viele sind kostümiert, laufen in Grüppchen oder sind einfach nur so gut drauf. Nie kommt Langeweile auf, dafür sind die Läufe auf so kleiner Runde viel zu abwechslungsreich. Was den Welt-Down-Syndrom-Tag-Marathon dennoch unterscheidet? Er ist noch kurzweiliger, lustiger, schöner und vor allem emotionaler. Das Lachen, die Freude und die Begeisterung der Sportler mit Down-Syndrom gehen unter die Haut und sind ansteckend.
Die Ursache des Down-Syndroms ist das statt doppelt, dreifach vorhandene Chromosom 21, weshalb man auch von Trisomie 21 spricht. In Anlehnung daran ist immer am 21.3. der Welt-Down-Syndrom-Tag. Das Leben der Familien mit DS-Kindern ist bestimmt kein einfaches. Trotzdem ist der Marathon und 6-Stunden-Lauf aus Anlass dieses Tages ein Feiertag. Die Halle ist proppenvoll mit glücklichen Familien, die ihre Helden auf der Strecke feiern.
Draußen haben die Animateure gewechselt, der Chor ist heiser, jetzt sorgen Trommler für den richtigen Rhythmus. Keine Chance auf Ablösung beim Verpflegungspersonal. „Ich muss mich strickt daran halten, nur bei jeder dritten Runde zuzugreifen. Sonst komme ich heute nicht durch“, verrät mir Herbert. Häppchen mit verschiedenen Käse- und Wurstsorten, Gepäck, alle möglichen Getränke, Obst, Salziges und Süßes – und alles in rauen Mengen. „Was geht aus?“, frage ich eine Stunde vor Schluss. „Nichts! Alles da“, so die Antwort der Buffet-Chefin der Green-White-Crocodiles, dem Fan-Club der Spvgg Greuther Fürth.
Natürlich ist auch Ober-Fan Udo, der blonde Punk im grünweißen Schottenlook am Start. Wie immer, wenn es darum geht, zu helfen. Auch für Robert Wimmer, Lokalmatador und Extremläufer, ist es eine Selbstverständlichkeit, hier dabei zu sein. Dass der Lauf der Vorbereitung zu seinem nächsten Vorhaben („In 80 Tagen um die Welt“) nicht abträglich ist, kommt dazu. Einer wird aber vermisst. Einen kleinen Jungen höre ich zu seinem Papa sagen: „Letztes Jahr war der Pumuckl da. Der ist barfuß gelaufen. Heute sehe ich ihn nicht.“ Dann weint er. Dietmar muss driftige Gründe haben.
Etliche Läuferinnen und Läufer drehten bereits gestern in Nürnberg ihre Runden. „Wo gefällt es Dir besser“, will ich wissen. „Frage nicht zulässig. Nächste Frage“, bekomme ich zur Antwort.
Ich sehe viele Menschen, die sich mit Begeisterung und Herzblut engagieren, ich sehe viele Menschen, die vergnügt ihre Runde drehen und ich sehe viele Menschen, für die heute ein Festtag ist, die feiern und einfach nur glücklich sind. Das haben sie Dir zu verdanken, liebe Anita. Du machst das großartig. Danke.
Unter dem Motto „Will you be there?“ findet am 16.03.2014 der 4. Marathon zum Welt-Down-Syndrom-Tag statt.
Marathon
Männer
1 KRANIXFELD Hannes AUS 02:59:12.40 MSC Rogner Bad Blumau
2 BROSIG Jochen GER 03:12:48.67 FSV Großenseebach
3 DEUTER Torsten GER 03:15:54.49 SV Würtingen
Frauen
1 RAUTENBACH Jeannette GER 03:41:06.48
2 SCHEID Yvonne GER 03:57:33.24 Post SV Nürnberg
3 SCHWARZ Emma GER 04:12:39.08 Team-Radwelt-Ehningen
6-Stunden-Lauf
Männer
1 PROCHASKA Jan 76,282 km
2 ECKERT Thorsten 70,240 km
3 DIEPLINGER Günter 70,024 km
Frauen
1 SATTLER Annette 66,248 km
2 TEICHERT Jutta 64,265 km
3 FUHRMANN Carmen 62,038 km