marathon4you.de

 

Laufberichte

“Land unter” zwischen den Ozeanen

08.04.12

International Friendship Run

 

Ausschließlich für die internationalen Starter und deren Anhang wird, wie beim berühmten Vorbild des New York Marathon, seit 1987 am Karfreitag, dem Vortag des großen Laufs, der “International Friendship Run” über 5 km ausgetragen. Zeitliche Ambitionen stehen hier nicht im Vordergrund. Es ist mehr ein “Happening”, für Starter der Hauptläufe kostenlos, für läuferisch weniger ambitionierte Begleiter für verschmerzbare 70 Rand (etwa 7 EUR) zu haben. Dafür gibt es eine spezielle Startnummer, ein eigenes Teilnehmershirt und die exklusive Gelegenheit, Teile der Innenstadt Kapstadts läuferisch zu entdecken. Denn bei den Hauptläufen am Samstag bekommt man davon nichts zu sehen: Die starten und enden in den südlichen Außenbezirken der Stadt und sparen das Zentrum aus.

In früheren Jahren erwartete die Teilnehmer des Friendship Run eine überaus attraktive Route vom Good Hope Centre mitten durch das Herz des historischen Kapstadt. Vom einstigen Kurs blieb leider allein das Ziel, die Victoria & Alfred (V&A) Waterfront, erhalten und die ist gleichzeitig auch Startpunkt des heutigen Kurses. Dieser verläuft nun nördlich der Innenstadt primär um und durch den Green Point Park.

Die nach den beiden vorgelagerten Hafenbecken benannte Victoria & Alfred Waterfront ist ohne Zweifel eine der prominentesten Stellen Kapstadts. Nach dem Vorbild der Fisherman`s Wharf in San Francisco wurden ehemalige Hafenanlagen und Lagerhallen modern und chic heraus geputzt, die historische victorianische Substanz sorgsam integriert, und das Ganze mit zahlreichen Geschäften, Restaurants und kulturellen Einrichtungen in ein Ausgehparadies verwandelt. Mit der Einbindung in den regulären Hafenbetriebs sorgte man dafür, dass die Waterfront nicht zur reinen Kulisse verkam. Man kann die Waterfront als  Wallfahrtsstätte der freizeitorientierten betuchten Upper Class oder auch nur als Touristenfalle sehen. Tatsache ist: Die Szenerie mit dem berühmten Tafelberg im Hintergrund ist einmalig und nicht zufällig Südafrikas meistbesuchte Touristenattraktion. Und kaum irgendwo in Kapstadt kann man so unbeschwert und auch sicher fast rund um die Uhr herum bummeln und Kulinarisches aus aller Welt genießen.

Ein ausgelassenes buntes Bild bietet sich am Freitagmorgen gegen 9 Uhr inmitten der Waterfront zwischen Amphitheater und dem alles überragenden weißen Riesenrad. Ihre Nationalität tragen nicht wenige der knapp 770 gemeldeten Teilnehmer zur Schau, Fahnen aller in diesem Jahr teilnehmenden 78 Nationen liegen zum Schwenken bereit. So recht flattern wollen sie aber nicht im Wind, denn leider hält sich ausgerechnet heute der berühmt-berüchtigte “Southeaster”, quasi der Hauswind Kapstadts, zurück und erlaubt so den dicken Wolken, Kapstadt bis knapp über den Boden einzuhüllen. Dem häufig wehenden “Southeaster” ist zu verdanken, dass die Stadt zumeist smogfrei ist, was ihm auch den Spitznamen “Cape Doctor” eingetragen hat. Er zaubert auch das berühmte Wolken-“Tischtuch” auf dem Tafelberg, während der Rest der Stadt wolkenfrei ist. Doch er kann auch anders. Und an schlechten Tagen fegt er auch schon mal mit orkanstarken Böen durch die Stadt.

Mit lauter Popmusik werden die Läufer in Stimmung gebracht. Alle Teilnehmerländer werden einzeln willkommen geheißen. Mit Gejohle melden sich vor allem die mit größeren Kontingenten vertretenen Nationen. Kurz nach 9:30 Uhr ist es so weit: Fahnenschwenkend zieht der Läufertross im Schneckentempo los. Zunächst am Victoria Bassin mit dem gleichnamigen Shopping-Centre entlang führt uns der Kurs schon bald auf die Beach Road direkt am Meer entlang. Zu unserer Linken türmt sich das mächtige Oval des anlässlich der Fußball-WM mit einer Kapazität von 68.000 Zuschauern errichteten Cape Town Stadium. Mit seiner markanten weißen Gitterfassade ragt es wie ein gewaltiges UFO aus der Umgebung.

Immer weiter geht es auf der Uferpromenade entlang. Krachend schlagen die Wellen zu unserer Rechten gegen das felsige Ufer, Möwen krächzen, dazu dieser feucht-kalte Nebel, der den Blick auf das offene Meer im dunstigen Grau versinken lässt. Noch weniger ist vom Tafelberg zu sehen, nämlich gar nichts.  Die unifome Appartementblockbebauung auf der anderen Seite der Promenade trägt auch nicht gerade zur Abwechslung bei. Einen farbigen Akzent setzt der rot-weiß schräggestreifte Mouille Point Leuchtturm, der ein wenig verloren als Reminiszenz an längst vergangene Zeiten 20 Meter hoch in den Himmel ragt. Immerhin ist er der älteste seiner Art im Lande.

Unmittelbar vor dem Leuchtturm verlassen wir die Küste und zweigen ab in den Green Point Park, eine der größten Grünanlagen der Stadt. Man merkt, dass der Park noch nicht allzu lange sein heutiges Gesicht hat. Die Bepflanzung ist noch jung, alles wirkt noch sehr angelegt. Unser Weg führt mitten durch den Park, dessen Hauptattraktion das Stadion ist, dem wir uns, nun von der anderen Seite, wieder annähern. Entlang der an den Park angrenzenden Straßen geht es sodann schnurstracks zurück gen Waterfront und vorbei am Alfred Bassin ins Ziel. Damit ist der Friendship Run aber noch nicht zu Ende. Denn alle Teilnehmer sind nach vollbrachter Tat zum gemeinsamen (zweiten) Frühstück mit Rührei und Speck, Kaffee und Muffins in der Fishermans Tavern eingeladen. Ein netter, gelungener Auftakt, auch wenn der Wetter nach dem herrlichen Sonnenschein der Vortage nicht so recht mitgespielt hat. 

 

Nachtstart in Newlands

 

Kurz ist die Nacht vor dem Start. Sehr kurz. 4 Uhr ist es, als mich mein Wecker aus dem Schlaf schreckt. Ein Expressfrühstück für die Läufer gibt es immerhin in der Hotellobby. Dann starte ich mit meinem Wagen in das noch nächtlich stille Kapstadt.

Über die Autobahn M3 gelange ich schnell hinaus in den einige Kilometer südlich des Zentrums gelegenen Stadtteil Newlands. Eine Shuttlebusverbindung zum Start gibt es aus dem Zentrum leider nicht, daher bleibt neben der Möglichkeit der Nutzung eines Taxis nur die eigene Anfahrt. Doch letztere ist letztlich kein Problem, zumal der mit den Startunterlagen ausgegebene Anfahrtsplan gut bei der Orientierung hilft. Und überhaupt: Der zunehmend dichte Verkehr und der Autostau an der Ausfahrt Richtung Startgelände zeigt mir auch so, dass ich auf dem rechten Weg bin. Vier große Parkzonen sind in Gehweite des Startpunkts eingerichtet, unter anderem auf dem weitläufigen Gelände der Sacs Schule. Von hier muss ich nur der Karawane folgen und schon finde ich mich auf dem hell erleuchteten Startareal auf der Main Road von Newlands, unweit des Universitätscampus von Kapstadt gelegen, wieder.

Der Auflauf von immerhin insgesamt etwa 25.000 Ultra- und Halbmarathonstartern ist wahrlich beeindruckend. Dank guter Ausschilderung ist es aber kein Problem sich zurecht zu finden. Zuvorderst liegen die fünf Startblocks des Halbmarathons, dahinter die Blöcke A bis E für die Ultraläufer. Wo man sich einreihen muss, wurde bereits gemäß der Qualifikationszeit bei der Anmeldung festgelegt. Die große Masse startet jeweils im letzten Block.

Musik von David Guetta und Coldplay donnert durch die Nacht, durchbrochen durch allerlei Ansagen. Ganz unterschiedlich bewältigen die Läufer die Vorstartphase: Da sind die, die lachend und tanzend herum springen und auch die, die es sich ruhesuchend auf dem Asphalt bequem machen, aber auch die, die nervös die Warteschlagen vor den Klohäuschenbatterien bevölkern. Nun ja, wie immer bin ich bei Letzeren dabei. Zum Glück ist es nicht kalt; 15 Grad C mögen es sein, sodass die Entscheidung für ein knappes Laufoutfit nicht schwer gefallen ist.

Um kurz vor 6 Uhr heißt es: Letzter Aufruf für die die Halbmarathonis und schon werden sie auf die Piste entlassen. Es dauert mehr als zehn Minuten, bis der ganze Pulk die Startlinie überquert hat. Nur kurz kehrt ein wenig Ruhe ein, dann wird es auch für die Ultraläufer spannend: Die offizielle Nationalhymne und die inoffizielle Hymne “Shosholeza” ertönen. Voll Inbrunst singen hier viele der schwarzen Läufer mit - eine fast schon ergreifende Szene.

Die letzten Sekunden werden herunter gezählt. Dann ertönt pünktlich um 6:25 Uhr der Kanonenschuss, der das Rennen eröffnet. Der Startschuss setzt der Anspannung ein jähes Ende. Ein Aufschrei geht durch die Menge. Ansonsten passiert noch nicht viel und wir trippeln langsam der Startlinie entgegen. Und dann endlich, unter dem grünen Startbanner hindurch, ist wie von Geisterhand auf einmal der Weg frei. Wir laufen hinaus in die Nacht durch die nicht endend wollenden Lichter der Vorstadt. Immer geradeaus geht es auf der Main Road gen Süden, Kilometer um Kilometer. Schnell wird es ruhiger und es schallt nur noch das Trappeln Tausender Schuhe durch die Dunkelheit.

 
 

 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024