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Laufberichte

“Land unter” zwischen den Ozeanen

08.04.12

Es gibt Marathons, bei denen allein schon der Name unwillkürlich die Assoziation eines Traumlaufs weckt. Marathons, bei denen ein Bild genügt, um die Fantasie zu beflügeln, von denen man ansonsten aber eigentlich nicht viel mehr weiß als die Tatsache, dass es sie gibt. Der Big Sur Marathon über den Highway No. 1 entlang der wild tosenden kalifornischen Pazifikküste ist so einer, der Moorea Marathon unter Palmen im Südseeparadies nahe Tahiti ist ein anderer. Und dann gibt es auch noch den Two Oceans Marathon in Südafrika. 

Two Oceans - Atlantischer und Indischer Ozean in einem Lauf vereint, das klingt schon einmalig. Und wenn man sich noch bewusst macht, dass die ozeanische Doppelbegegnung von Kapstadt aus in Richtung Kap der Guten Hoffnung stattfindet, dann kann man eigentlich gar nicht anders als sich vorzustellen, dass das “the world’s most beautiful marathon” sein muss. So jedenfalls will es gar nicht bescheiden die Werbung für den Lauf suggerieren.

Der Wermutstropfen: gute 13 Stunden reine Flugzeit muss man dafür auf sich nehmen, alles in allem und mit Zwischenstopps ist man also schon mal fast einen Tag unterwegs. Und Marathonlaufen reicht auch nicht: Auf 56 teils profilierte Kilometer muss man sich einstellen, aber gerade die gehören auch zum besonderen Reiz der Veranstaltung. Man könnte auch ganz ketzerisch in Frage stellen, ob das mit den zwei Ozeanen überhaupt stimmt: Denn der südlichste Zipfel Afrikas ist nicht das Kap der Guten Hoffnung, sondern das 200 km weiter östlich und dem Südpol 30 km näher liegende Kap Agulhas. Andererseits: Wie und wo will man bei zwei Ozeanen überhaupt die Grenze ziehen? Und die Vorstellung, dass das beim berühmten wild-spektakulären “Cabo da Boa Esperança”, vom Portugiesen Bartolomeu Diaz 1488 erstmals nachweislich umsegelt, der Fall ist, ist einfach sehr viel schöner als beim vergleichsweise flachbrüstigen Kap Agulhas, das ohnehin keiner kennt.

Mich jedenfalls ficht das alles nicht an: Die Erfüllung eines läuferischen Traums erfordert eben gewisse Opfer. Als Traumerfüllungsunterstützer bieten mittlerweile einige deutsche Laufreisenveranstalter komfortable Komplettreisepakete an. Es ist aber auch keinerlei Problem, sich diesen Trip selbst zu organisieren. Die Online-Registrierung geht flott und ist professionell gestaltet. Als “Qualifikationslauf”, den man nach dem 01.09.2011 unter fünf Stunden bestritten haben muss, werden auch viele deutsche Marathons anerkannt. Flug und Hotel sind über die einschlägigen Online-Portale, etwa expedia.de und bookings.com, gleichfalls schnell gebucht. Einen Mietwagen nehme ich aus Mobilitätsgründen gleich dazu. Den gibt es schon für 20  pro Tag, nur den ungewohnten Linksverkehr muss man sich zutrauen.

 

Two Oceans und Comrades Marathon - Südafrikas Laufikonen


Wie bei vielen traditionellen Laufveranstaltungen begann auch die Karriere des Two Oceans Marathon im Kleinen. 21 Teilnehmer und 15 Finisher waren es anno 1970. Was einst als Vorbereitungslauf für den Comrades Marathon gedacht war, entwickelte sich rasch zu einem der weltgrößten Ultralaufevents mit bis zu 10.000 Anmeldungen und zuletzt um die 7.500 Finisher aus über 75 Ländern, die innerhalb des strikten Zeitlimits von 7 Stunden ins Ziel kamen. Wem 7 Stunden knapp bemessen erscheinen, dem sei gesagt, dass die Läufer vor 2000 sogar nur 6,5 und vor 1998  nur 6 Stunden Zeit hatten und dass das Scheitern durchaus im Kalkül des Veranstalters liegt. Dafür wird der Zielschluss in einer Weise geradezu zelebriert, wie man sie wohl sonst nirgendwo, außer beim Comrades, erleben darf. Aber dazu noch später.

Der seit 1998 zeitgleich ausgetragene Halbmarathon hat den Hauptlauf teilnehmerzahlmäßig mittlerweile sogar überrundet und ist damit Südafrikas größter. Wer hier mitlaufen will, muss sich bei der Anmeldung sputen. Schon im November sind binnen neun Tagen alle 16.000 Startplätze vergeben. Beim Ultra hat man dieses Problem aber nicht. Das Limit von 11.000 Anmeldungen wurde noch nie erreicht, allerdings muss auch hier die Anmeldung spätestens einen Monat vor dem Start eingegangen sein und die Zahl von 9.163 Anmeldungen in diesem Jahr zeigt, dass es wohl nur eine Frage der Zeit ist, bis auch hier das Limit erreicht wird.

Trotz des Renommees und trotz des Erfolgs: In Südafrika war und ist der Two Oceans Marathon nur die Nummer zwei. Hier steht er auch heute noch ein wenig im Schatten des “großen Bruders” Comrades Marathon. Dieser ist, seit 1921 ausgetragen, noch ein Stück traditionsreicher. Und obwohl er mit 89 bzw. 87 km, je nachdem, ob von Durban nach Pietermaritzburg oder in umgekehrter Richtung gelaufen wird, deutlich länger und mit 1.400 bzw. 2.000 positiven Höhenmetern auch profilierter ist, ist er mit zuletzt 11.400, im Rekordjahr 2000 sogar 20.030 Finishern, doch stets der wesentlich stärkere Läufermagnet gewesen.

Nur: Im europäischen Ausland, speziell auch bei den Deutschen, wird das etwas anders gesehen. Hier steht der Two Oceans Marathon in Bekanntheit und Beliebtheit an erster Stelle, was wohl vor allem auf die erwähnten Traumattribute zurück zu führen sein dürfte. Kam ich beim Comrades-Lauf 2009 gerade mal als einer von 20 Deutschen (= 0,2 % der Finisher) ins Ziel in Durban, ist beim kleineren Two Oceans Marathon die Zahl der deutschen Anmelder für den Ultra mit 148 mehr als sieben Mal so hoch; nur die Briten stellen noch mehr ausländische Starter.

 

Auftakt im Good Hope Centre

 

Für jedermann der erste Akt des Two-Oceans-Erlebnisses ist ein Besuch des “Good Hope Centre”, einem mächtigen Betonklotz aus zwei gekreuzten Tonnengewölben am Rande der Innenstadt, der auch als überdimensionierter Bunker eine gute Figur machen würde. Das Innere dieses Kapstädter Veranstaltungs- und Ausstellungstempels bietet aber einen durchaus angemessenen Rahmen für die nicht minder imposante Marathonmesse. Auf der in luftiger Höhe umlaufenden Innengalerie bekommen die Läufer von Mittwoch bis Freitag ihre Startunterlagen. Alles ist bestens organisiert. Überall stehen Helfer bereit und lotsen die Ankömmlinge auf den rechten Weg. Für die internationalen Starter ist, wie beim Comrades Marathon, ein separater Schalter eingerichtet, was ihnen Einiges an Warterei erspart.

Neben der Startnummer gibt es einen “goody bag”, gefüllt mit allerlei Werbegimmicks, und ein ansehnliches Teilnehmershirt. Die üppig sortierte Laufmesse im Basement lädt zum Bummeln und Shoppen ein. Vor allem im separierten Bereich mit Two Oceans- Devotionalien drängen sich die Leute. Schließlich will man ja nicht nur sich, sondern auch alle anderen daran erinnern, “dabei“ gewesen zu sein. Wem der Messetrubel zu bunt wird, kann in einer Fressgasse an allerlei Essensständen wieder Kräfte schöpfen.

Da die auch “City Bowl” genannte Innenstadt, eingekesselt von Tafelberg, Lions Head und Signal Hill, nahe ist, bietet es sich an, von hier aus gleich per pedes zu deren Erkundung zu schreiten.

Direkt nebenan thront das älteste erhaltene Gemäuer der Stadt, ja des ganzen Landes: das Castle of Good Hope. Bereits Mitte des 17. Jh. wurde die wuchtige sternförmige Festung mit ihren Eckbastionen von den Holländern an der Tafelbucht zum Schutze der Kolonie vor Seeangriffen errichtet. Die trutzigen Mauern und Wallgräben sind gut erhalten bzw. restauriert, das schlichte Innere allerdings nur etwas für eingefleischte Historiker oder Freunde von Kasernenhöfen. Durch Aufschüttungen liegt das Kastell mittlerweile einen Kilometer vom Meer entfernt, doch nunmehr im Bereich des Stadtzentrums.

Man kann nicht sagen, dass der Rest der Innenstadt unbedingt vor Attraktivität strotzt. Es sind mehr die grandiose Bergkulisse und die vielfältigen Vorortbezirke, die die Faszination Kapstadts ausmachen. Was aber nicht heißen soll, dass es nicht auch im Zentrum Einiges zu entdecken gäbe. Markante Spots sind etwa, nur ein paar Schritte vom Castle entfernt, die City Hall, das um die Jahrhundertwende in einem italo-britischen Kolonialstilmix errichtete repräsentative Rathaus, und ein wenig weiter das von viel Grün umrahmte Parlamentsgebäude mit pompöser Säulenfront. Die Regierungshauptstadt Südafrikas mag Pretoria sein - das Parlament residiert seit der Zeit der Briten und auch heute noch in Kapstadt.

Ein Juwel ist vor allem der Company´s Garden, der einstige Obst- und Gemüsegarten der Kolonialisten, heute ein wunderschöner Park mit einmaliger Botanik. Entlang des Parks geben sich Museen und andere nationale Kultureinrichtungen die Klinke: South African Library, National Gallery, South African Museum sind nur die bekanntesten Namen. Ein besonders netter Fleck ist auch der Green Market Square, umrandet von Kolonialarchitektur und Cafes, tagsüber bevölkert von lokalen Kunst- und Kitschhändlern. Ein ganz anderes Bild bietet gleich nebenan die Long Street, heute fest in der Hand der Backpacker- und Kneipenszene. Viktorianische Häuserzeilen mit  filigranen Balkonen verleihen ihr fast so etwas wie New-Orleans-Charme, wenn auch einen etwas abgetakelten. Sehr viel mehr Chic und Style erwartet einen im Quartier um die Waterkant am Fuße des Signal Hill und an der berühmten V&A Waterfront. Aber dazu gleich noch.

 
 

 
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