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Laufberichte

Von Meran nach Bozen

03.10.10
Autor: Klaus Duwe

Zwei Kilometer weiter erreichen wir Siebeneich (km 26). Der kleine Ort mit nicht einmal 1000 Einwohnern ist ein gutes Beispiel dafür, dass man in diesem Tal auch an den unscheinbarsten Plätzen auf Sehenswürdigkeiten stößt. Hier ist es die Burg Greifenstein, die schon 1158 erstmals erwähnt wird. Sie wird auch Sauschloss genannt, weil man bei der Belagerung 1423 den Angreifern eine ganze gebratene Sau vor die Füße warf, um zu zeigen, dass man über ausreichend Vorräte verfüge. Die Belagerer zogen ab. Glück gehabt, es war die letzte Sau. 

Auf dem nächsten Ortsschild steht bereits „Bozen“, aber es sind erst 28 km gelaufen. Zunächst gibt es weiter große Obstplantagen, dann werden die ersten Wohnsiedlungen erreicht. Die Straße steht den Läufern jetzt ein kurzes Stück nur zur Hälfte zur Verfügung, was aber problemlos ist. Südtirols Landeshauptstadt hat heute ca. 103.000 Einwohner und ist seit seiner Gründung und Erhebung zur Stadt vor mehr als 800 Jahren eine bedeutende Handels- und Messestadt, begünstigt durch die Lage zwischen Venedig und Augsburg, ehemals ebenfalls wichtige Handelszentren. Um Macht und Reichtum nach außen sichtbar zu machen, baute der Adel im Bozner Becken seit dem 12 Jahrhundert Burg um Burg. Zählt man nach, kommt man auf über 40 solcher Anlagen, mehr als sonst wo in Europa auf so engem Raum.

Über den Siegesplatz laufen wir ins Zentrum. Das Siegestor, einst auf Initiative Mussolinis errichtet und deshalb bis heute umstritten, wird gerade renoviert und gleicht einer Großbaustelle. Wir laufen über die Talferbrücke direkt auf das Ötzi-Museum zu. Eigens für die 1991 gefundene, über 5000 Jahre alte Gletschermumie wurde das Südtiroler Archäologie-Museum mit speziellen Kühltechniken ausgestattet, um die Weltsensation für andere Generationen zu erhalten. Ein Aufwand, der sich gelohnt. Seit Ötzi steht der Museumsbesuch im Pflichtenheft vieler Bozen-Besucher. Erwachsene zahlen 9 Euro Eintritt.

Der Streit mit den Findern, Erika und Helmut Simon, dauerte übrigens bis vor kurzem. Da wurden nämlich endlich  gerichtlich erstrittene 175.000 Euro Finderlohn bezahlt.

Noch in der Museumsstraße geht es hoch her. Eine Rockband gibt ihr Repertoire zum Besten, was viele Zuschauer bindet. Am Bozner Obstmarkt, seit Jahrhunderten Treffpunkt der Einheimischen und Urlauber, schon von Goethe beschrieben und gelobt, und in den anschließenden Lauben dagegen ist es ruhig, auch auf dem Rathausplatz. Der Besuch der Sparkasse, deren Kassenraum man auf einem roten Teppich durchläuft, ist auch nicht das erwartete Highlight. Erst am Waltherplatz (km 35) ist wieder gute Stimmung, obwohl die meisten Zuschauer bereits abgewandert sind. Aber auch so ist der nach Walther von der Vogelweide benannte Platz mit der Statue des Minnesängers und dem Dom ein absoluter Höhepunkt.

Nach Etsch und Talfer überqueren wir jetzt den dritten Fluss, den Eisack. Es geht in Richtung Messe und das ist jetzt eine harte Prüfung. Die Innenstadt liegt hinter uns, die Luft ist raus und die Gegend hier menschenleer. Sogar die Trommler hängen in den Seilen und brauchen Aufmunterung. Können sie haben. „Auf geht’s, Aktion für ein Foto“, rufe ich ihnen zu. Sie verstehen und gehorchen. Danke. Die nächste Gruppe braucht nicht wiederbelebt zu werden, sie ist noch aktiv.

Es kommen noch zwei Verpflegungsstellen, bei km 40 gibt es jetzt auch Bananen. Zu spät, der Veranstalter macht sich nun keine Freunde mehr. Statt auf kürzestem Weg zur Messe zu laufen, müssen im Industriegebiet Kilometer gesammelt werden. Ein Schlenker hier, eine Schleife da. Das nervt. Da kann auch der rührige Autohändler, durch dessen Showroom die Strecke führt, nichts mehr retten. Vielleicht kann man ja beim nächsten Mal in Meran eine Runde durch die Stadt laufen oder irgendwo einen Abstecher in die Obstgärten machen.

Der Zieleinlauf in der Messehalle ist eine ziemlich nüchterne Angelegenheit und schnell abgehandelt. Ich lasse mir die Medaille in die Hand drücken, tausche meinen Chip gegen 10 Euro, mache noch ein paar Fotos, pusche mich mit einem Espresso, schnappe mir die gut bestückte Verpflegungstüte und gehe das kurze Stück zum Bahnsteig.

Was bleibt? Die Erinnerung an Südtirol, an eine herrliche Landschaft, an eine alles in allem tolle Laufstrecke und an viele nette Menschen. Aber auch die Enttäuschung über das eine oder andere Versäumnis. Und letztendlich die Hoffnung, dass man einiges überdenkt und verbessert. Vielleicht ist es ja gut, dass nicht gleich so viele Teilnehmer den Weg gefunden haben. So hält sich der Schaden etwas in Grenzen. Ich gebe dem Südtirol Marathon jedenfalls  noch eine Chance.

 

Weitere Marathon-Impressionen

 

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Meran

 

 

Bozen

 

Außerdem gilt, wer nur wegen des Marathons kommt, macht einen Fehler. Man sollte sich unbedingt ein paar Tage Zeit nehmen, Meran besuchen, sich Bozen anschauen, über den Obstmarkt und durch die Lauben schlendern, Knödel essen mit Steinpilzen oder Pfifferlingen, den Wein probieren, und, und ...

 

Ritten / Erdpyramiden

 

In die Dolomiten nach Gröden oder nach Kastelruth ist es nicht weit. Oder man fährt mit der neuen Seilbahn auf den Ritten, dort mit der historischen Schmalspurbahn nach Klobenstein,  genießt herrliche Ausblicke in die Dolomiten (Schlern, Langkofel, Sella, Rosengarten, Latemar) und bewundert nach 30 gemütlichen Gehminuten die höchsten und schönsten Erdpyramiden in ganz Europa.

Die Rittner Erdpyramiden sind aus späteiszeitlichem Moränenlehm, der unter anderem vom großen Eisacktaler Hauptgletscher stammen. Die Säulen aus Moränenmaterial sind bis zu 30 m hoch und haben eine Deckplatte aus Porphyr oder Granit. Dadurch ist die Säule vor Regen geschützt. Das ist wichtig, denn das steinharte Material wird bei Feuchtigkeit weich. Stürzt eine Platte einmal ab, wird die Pyramide deshalb schnell zerstört.

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Informationen: Südtirol-Marathon
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