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Laufberichte

Barnim – gleich doppelt!

01.06.20 Special Event
 

Geduld zahlt sich doch irgendwann aus. So geschehen auch hier: Corona zum Trotz haben Silke und Jörg an ihren Plänen festgehalten, uns durch den Barnim in die Schorfheide und zurück zu schicken.

Gerade noch rechtzeitig durften die Hotels wieder Gäste aufnehmen, eine Woche später als geplant. Nicht jeder konnte den neuen Termin auch wahrnehmen, von ursprünglich 40 sind nur 22 Läufer übrig geblieben. Wie sich zeigt, ein harter Kern von Stammläufern; die beiden haben nämlich schon erfolgreich die BalticRuns organisiert. Das hinterläßt Spuren. Auch die vielen Helfer sind Veteranen dieses Etappenlaufs und selber viel zu Fuß unterwegs. Ein Familientreffen also, zu Pfingsten. Im Barnim.

 

 

Es ist eine wunderschöne, wald- und seenreiche Gegend knapp nordöstlich von Berlin. Die A11 nach Stettin geht nach Norden durch, der Oder-Havel-Kanal von Ost nach West. Hier ist geschichtsträchtiger Boden. Die Entwicklung von Brandenburg und Berlin hat hier ihren Kern: die meisten Backsteine für Berlin stammen von hier. Industriell war entlang des Finowkanals (Vorläufer des Oder-Havel-Kanals) einiges los, man nannte Eberswalde auch das Wuppertal Brandenburgs…An Schönheit hat die Gegend jedenfalls nichts eingebüßt. Sanfte Hügel, dichte Wälder, viele Seen, einige Flüsse und Kanäle. Die Orte scheinen in der Zeit stehengeblieben zu sein, Fachwerk und Feldstein dominieren. Alles strahlt eine Ruhe aus, die sich auch auf den Besucher überträgt.

 

Tag 1, ca. 60 km

 

Wandlitz, Stadt am See. Vom Bahnhof kann man direkt ins Wasser. Im Waldhotel treffen wir uns: Start ist um 10, genug Zeit für die Berliner, anzureisen. Wiedersehen und Kennenlernen, Eigenversorgung und Über-Nacht-Gepäck abgeben. Blauer Himmel und angenehme 13°. So beginnt der erste Lauftag durch die Wälder. Sandboden, später kommen befestigte Radwege. Gut, sehr gut zu belaufen. Die baulichen Schönheiten der Gegend sind heute Thema. So erreichen wir nach einer knappen Stunde ein Unesco-Weltkulturerbe! Bauhaus. Heute Bundesschule, momentan noch leer. Ja, ja, die Seuche- aber der Hausmeister ist mächtig rege. Von innen soll es ja prächtig aussehen, das entgeht uns aber heute. Wir verschwinden wieder im Wald. Markiert ist übrigens nichts- alles wird über GPS geregelt. Beim Abbiegen sollte man mal genau auf die Karte gucken.

 

 

Es geht ganz hübsch hügelig zur Sache. Nicht nur über die Autobahn, auch so. Die erste Hälfte der Strecke hat Höhe. Manchmal merke ich das erst, wenn ich von weit oben auf einen See runtergucke. Die Abwärtspassagen machen dann besonders Spaß! Unser nächstes „Highlight“ heißt Bogensee. Plötzlich sind wir mitten zwischen kantigen Gebäuden mit vielen, vielen Fenstern. Eine Kaserne? Ein Hotel? Nee, hier hatte Goebbels seinen Landsitz, der später zur FDJ-Jugendhochschule umgewidmet wurde. Alles steht leer und verfällt so langsam. Offenbar schwierig, ein Nutzungskonzept dafür zu entwickeln. Also wird das wohl erstmal so bleiben.

Weiter geht’s, hoch in den Wald und runter ins Tal zur krummen Lanke. Ein kleiner Bach, daneben ein tolles Schloss – privat, nur von Weitem zu bewundern. Sowas habe ich eigentlich nicht hier erwartet, es begeistert mich aber trotzdem. Überraschungen an jeder Ecke…Genauso die Crepes von Marie am nächsten VP. Mit Nutella/Marmelade. Ein Hochgenuss!

Kaum aus dem Wald, komme ich mir vor wie auf einem Golfplatz. Eine gepflegte Parklandschaft empfängt mich. Wiesen, Blumen, Gehölze – alles natürlich gewachsen. In Lobetal, einer kirchlichen Pflegesiedlung, erreiche ich den Fernradweg nach Usedom. Hier ist die Trasse des früheren BalticRuns. Und die verlasse ich bis zum Ziel nicht mehr. Da bleiben Begegnungen mit den Radlern nicht aus. Bei reichlich Platz gar kein Problem. Durch eine Senke geht’s nach Biesenthal, an diesem VP empfangen mich drei blonde Engel mit meinem Zaubertrank. Kühles Potts Landbier. Erst im Lehnstuhl fallen mir die unzähligen Details des Ortes auf, etwa die Zapfsäule gleich gegenüber. Oder der Aussichtsturm. Oder die bunte Stadtfahne. Leider sind nicht alle Bilder was geworden…

Nur noch Landschaft, Wald und Fluss. Ja gut, noch mal über die Autobahn, die macht Krach. Aber dann umgibt mich die Stille des Waldes. Ich nähere mich nun zwei Höhepunkten dieses Tages: baulich dem Finowkanal, dem ältesten, noch aktive Kanal in D,  und gastronomisch dem Schleusengraf. Höchstpersönlich ruft er mich vom Track und kredenzt mir ein Freibier! Das sei so Tradition. Das lasse ich mir gern gefallen! Zumal er auch meine Heimathymne beherrscht – das Sauerlandlied! Ich will nicht mehr weg.

Blöd nur, es wird immer später und man wartet auf mich. Ich bin natürlich Letzter, die Fotos und das Recherchieren, die Interviews, was tut man nicht alles für den Leser. Also los. Erst über den Finowkanal mit seiner alten Schleuse zum viel größeren Oder-Havel-Kanal. Mit VP. Auch die Jahns hier liebe ich heiß und innig! Das Tagesziel ist nicht mehr so arg weit weg.

Der Track folgt dem Werbellinkanal, überquert ihn an einer viel genutzten Schleuse und in Eichhorst gibs wieder viel zu begucken. Der große Werbellinsee – mit klarstem Wasser - ist schnell erreicht, am Nordufer noch ein Stück bis zum Jagdschloss Hubertusstock. Das fanden alle deutschen Staatenlenker hier toll, seit 150 Jahren ist das exklusives Jagdrevier gewesen. Heute empfängt uns ein richtig tolles Hotel, das keine Wünsche offen lässt. Stefan, immer gut drauf, führt Buch, packt, organisiert und hat stets freundliche Worte für uns. Im Speisesaal, streng nach Coronaregeln, wird der Tag abgeschlossen. Einfach nur großartig!

 

Tag 2, ca. 70 km

 

Halb 8 Frühstück, Start um 9 oder 10. Je nach Lauftempo. Ideales, kühles Wetter.  Satt vom reichhaltigen Frühstück folgen wir dem See bis Joachimsthal. Das liegt verdammt hoch auf einem Berg, die erste Anstrengung heute. Den historischen Kaiserbahnhof lohnt ein Extrabesuch, wir biegen in die andere Richtung ab. Ein Wasserturm ganz oben heißt Biorama und erlaubt einen Blick ringsum, der seinesgleichen sucht: bis Berlin, aber auch zum Grimnitzsee. Dahin führt uns der Track, aber leider nicht am Ufer längs, sondern im Wald weiter.

 

 

Das Ufer ist flach und mit Schilf überzogen, nur an einer Badestelle komme ich dicht ans Wasser. Flach, auf Radwegen, mal wieder über die Autobahn, geht’s in die Hügel. Das GPS spinnt mal wieder und will mich auf obskure Abwege umleiten. Off-grid- Abschnitte. Gut, dass es einen schönen Waldweg gibt. Und diese Stille – hier ist niemand, nur wir. Und wir sind weit auseinander.

Chorin, etwa ein Drittel ist geschafft, hat ein berühmtes Zisterzienserkloster, die monumentale Fassade in norddeutscher Backsteingotik. Besonders schön zu sehen, wenn man gerade aus dem Wald kommt. Hier sind nicht nur meine blonden Engel wieder, sondern auch viele, viele Touristen. Ja, das Leben kehrt zurück. Bis Eberswalde folgen wir einer Hauptstraße mit Radweg. Hauptsächlich bergab, das macht es viel leichter. Neben dem Weg ein vielarmiger Wegweiser, der macht einem klar, wo man auf diesem Planeten gerade rumläuft. Kurz vor Eberswalde überquere ich den Oder-Havel-Kanal auf einer riesigen Brücke, dann noch ein gutes Stück durch die Stadt; eine kleine Kirche bekommt eine Ehrenrunde und am Finowkanal wartet Marie mit den herrlichen Crepes und meinem Zaubertrank.

So gestärkt, folgt unser Track nun dem historischen Kanal; mal auf der Nord- mal auf der Südseite. Und wirklich – ein Highlight folgt dem nächsten. Ob es gewaltige Brücken sind oder Fabriken, Türme oder Schleusen. Es ist enorm eindrucksvoll. Man läuft mitten durch die Stadt, ohne dass man es merkt. Etwa 10 km hat die Strecke und steigt so 35 m sanft an. Bei der Sonne und der Hitze fällt mir das Laufen allerdings zusehends schwerer. Und beim vorletzten VP beschließe ich die Reststrecke lieber mit dem Auto zu bewältigen. Irgendwie geht es den anderen ähnlich. Heute finishen nur 14. Aber ich hab auch über 100 km geschafft und bin super zufrieden. Die Reststrecke hätte wieder durch den hügeligen Wald geführt, es endet so, wie es begann.

Im Waldhotel ist ein herrliches Finish, ganz egal, ob man  dort Quartier hat oder gleich nach Hause will. Gulasch, Knacker, Buletten, Getränke – kein Wunsch bleibt offen. Die Finisher erhalten eine schöne, schwere Medaille nebst Urkunde. Und alle Helfer trudeln nach und nach ein, da kann man noch mal richtig schön klönen… Läufers Familie!

 

 

Fazit

Eine nicht zu unterschätzende Langstrecke in zwei Etappen. Unglaublich viele Sehenswürdigkeiten entlang der Strecke, die sehr gut zu laufen ist. Dazu perfekte Versorgung mit Herz und eine Luxusunterkunft . Das macht Lust auf mehr … auch, um die vielen anderen Highlights in der Gegend aufzusuchen (z.B. das Schiffshebewerk Niederfinow…). Wenn nur erstmal dieses  Corona abgehakt ist, wird es ja auch einfacher!

Also: in 2021 geht’s wieder los!

 

 


 
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