Die fränkische Saale liegt in Unterfranken und fließt über Main und Rhein in die Nordsee. Sie wurde in Jahrhunderten zur menschlichen Nutzung umgestaltet und so in ihrer ökologischen Funktion stark beeinträchtigt. Seit einigen Jahren wird nun versucht, mit verschiedenen Projekten diese Sünden wieder gutzumachen.
Die Gemeinde Ramsthal mit ihren knapp 1200 Einwohnern liegt an einem Seitenarm der fränkischen Saale und hat sich als Weinort einen Namen gemacht. In diesem Jahr organisiert der SV Ramsthal zum dritten Mal den Saaletal-Marathon.
Nachdem das Navi meinen Mann Norbert und mich zu einer unfreiwilligen Sightseeing-Tour durch die umliegenden Dörfer geschickt hat, weist uns ein kompetenter Landwirt („Hier sind Sie aber ganz falsch“) den richtigen Weg.
Ramsthal empfängt die Läufer an diesem Samstag Morgen mit ungemütlichem Schmuddelwetter. Das Wetter hätten wir nach der frühlingshaft warmen Woche so nicht erwartet. Obwohl der Wetterbericht es genau so vorhergesagt hatte, wollte keiner so richtig daran glauben. Na gut, es regnet nicht. Aber das kann ja noch kommen.
Wegen unseres unfreiwilligem Ausflugs durchs Umland sind wir etwas spät dran und der Parkplatz am Sportgelände ist schon voll. Kurzerhand wird die angrenzende Wiese von der Feuerwehr zum Parken freigegeben.
Der Weg zur Sporthalle ist auch der Zieleinlauf. Na toll - es geht zum Ziel bergauf! Aber ein richtiger großer Zielbogen macht das ganze doch einladend. Dieses Jahr erfolgt die Zeitmessung durch Mika Timing mit dem Champion Chip.
Vor der Halle ist ein Infozelt aufgestellt. Für die Sporttaschen gibt’s daneben noch ein eigenes Zelt.
Im Vorraum der Sporthalle ist alles ausgeschildert. Die Startunterlagen erhalten wir im OG, wo nach dem Lauf auch die Massage ist. Übersichtlich angeordnet sind die Tische an denen man für die verschiedenen Wettkämpfe die Unterlagen bekommt. Man kann zwischen einem 10 km Lauf, einem Halbmarathon und dem Marathon wählen. Dazu werden Schülerläufe und auf gleicher Strecke ein Hobby-Lauf angeboten. 547 Teilnehmer auf allen Distanzen zusammen sprechen für sich. Zudem werden gleichzeitig die unterfränkischen Marathonmeisterschaften ausgetragen.
Die Startertaschen sind wohl gefüllt: Riegel, Duschbad, Mineral, Gutschein. Hier scheint die Sponsorenflucht noch nicht eingesetzt zu haben.
Die Sporthalle ist brechend voll. Das macht die Stimmung locker. Es wird viel gelacht. An der Wand sind die riesigen handgemachten Pokale und Trophäen aufgereiht. Als Preise gibt es „Bocksbeutel“ - Weißwein in der hier typischen Flasche. Außerdem dominiert ein riesiges Kuchenbüffet die kurze Seite der Halle. Schade, dass wir schon gefrühstückt haben.
Auf dem Sportplatz machen sich die Läufer warm. Wir genießen etwas die Aussicht. Da entdeckt Norbert auf dem Berg gegenüber zwei Krankenwagen. Das sieht aus, als ob die Laufstrecke da entlangführt. Das ist aber hoch oben. Ich bin gespannt wie/ob wir da hinkommen.
Die ganze Zeit unterhält der Sprecher das Publikum. Die Informationen über anwesende Läufer und das Duell der letztjährigen Erst- und Zweitplatzierten bekommen wir nur am Rande mit. Ich werde hellhörig, als erklärt wird, wie die Strecke markiert ist und dass man bitte darauf achten soll, damit man sich nicht verläuft. Hilfe, ich will mich nicht verlaufen!
Gott sei Dank habe ich jetzt keine Zeit mehr darüber nachzudenken. 10 Uhr – Schon geht es los.
Zuerst laufen wir die Straße hinunter, dann rechts Richtung Ortsmitte. Hier sind viele Zuschauer auf den Beinen. Ein ohrenbetäubendes Geheul liegt über allem: ein alter Mann mit einer handbetriebenen Sirene gibt Alarm.
Wir verlassen den Ort Richtung Euerdorf. Ich gebe ordentlich Gas. Schließlich weiß ich, was jetzt kommt. Da vorne geht es rechts ab und rein in die erste große Steigung. Da ist Gehen für mich Pflicht. Der Weg ist betoniert und super zu laufen. Wider erwarten sind wir schnell oben. Es geht am Waldrand entlang, über die B286. Hier steht die Feuerwehr und hält den Verkehr an.
Der Weg führt weiter am Waldrand entlang. Die erste Wasserstation lass ich liegen. Laut Starterinfo sind es insgesamt 9 Getränkestation. Bei jeder zweiten gibt es zusätzlich Bananen und Äpfel.
Bei km 5 zweigt der Weg des 10 km Laufs (gelbe Markierung) links ab. Ein Streckenposten macht die Läufer darauf aufmerksam. Nochmal über die Straße und dann geht es in den Wald. Ein richtiger schmaler Trail, mit federndem Waldboden macht das Laufen zum Genuss. Bei den Wurzeln muss man ein bisschen aufpassen. Aber das kann mein Wohlgefühl nicht schmälern. Dazu geht es noch leicht bergab. Ich fliege, bis mich eine Gruppe von Läufern stoppt. Hier sollte man nicht versuchen zu überholen.
Als der Weg breiter wird, setze ich zum Überholen an. Die verlorene Zeit beim Bergaufgehen hole ich mühelos wieder ein. Plötzlich wird es aber so steil, dass ich den Fotoapparat wegpacke. Wenn ich stürzen sollte, muss der wenigstens heil bleiben. Es ist recht steinig und ich hab immer noch ziemliches Tempo drauf. Nach einer scharfen rechts Kurve ist es geschafft. Wir laufen auf offenes Gelände. Ein romantisches Tal öffnet sich vor unseren Augen.
Wahnsinn, wie windig es hier ist. Ich suche Windschatten bei Läufern vor mir. Ist das unfair? Aber ich komme ja sonst gar nicht vom Fleck. Arnshausen ist erreicht.
Wir laufen durch den Ort. Die wenigen Menschen, die unterwegs sind, feuern uns enthusiastisch an. Das macht Laune.
Am Friedhof vorbei verlassen wir den Ort. Es geht bergauf (km9). Wir halten uns links und unterqueren die Eisenbahn. Jetzt wird es romantisch. Ein schmaler Pfad direkt an der Trasse der Saaletalbahn zeigt Natur pur. Die Saaletalbahn verkehrt von Gmünden am Main bis Bad Kissingen. An vielen Stellen geht sie direkt an der fränkischen Saale entlang. Jetzt kommt gerade keiner der Züge vorbei, die vorrangig Schüler und Touris befördern.
Am Schild, das den 10. Kilometer anzeigt vorbei, laufen wir in einem herrlichen lichten Nadelwald. Der Weg fällt leicht ab, so dass wir die Bahntrasse nach oben verlieren. Bald fällt das Gelände links steil ab und rechts genauso steil an. Stellenweise blitzt ein Sonnenstrahl durchs Geäst. Am Wegesrand zeigen sich Teppiche von Veilchen, Buschwindröschen und Blumen, die an Orchideen erinnern, die ich aber nicht kenne. Ich möchte anhalten und jede der Pflanzen ausgiebig betrachten. Natürlich mache ich das nicht.
Wir erreichen eine kleine Fußgängerbrücke. Unten liegen wieder Schienen. Wir sind scheinbar zwischen zwei Gleissträngen gelaufen. Am Brückenausgang steht ein Streckenposten, der mit seinem Tamburin den Laufschritt vorgibt.
Nach einem kurzen Anstieg geht’s wieder bergab. Der Weg beschreibt einen langen links Bogen, so dass wir die Laufrichtung komplett ändern und jetzt wieder zurück laufen.
Endlich sieht man auch die fränkische Saale, die dem Lauf seinen Namen gibt. Wir befinden uns zwar im Wald, aber ein Schild warnt uns vor umherfliegenden Golfbällen. Aha, da ist der Bad Kissinger Golfclub nicht weit.
Wir folgen dem Lauf der fränkischen Saale. Immer wenn Wege kreuzen, gibt es Streckenposten. Verlaufen ist hier nicht möglich. Die Landschaft ist durch den Wechsel zwischen Wald und Wiesen einfach schön. Das Grün wirkt frisch und unverbraucht. Die Strecke ist leicht wellig und kurzweilig. Die Wasserstation wirkt wie ein Fremdkörper in dieser Natureinsamkeit.
Nach dem km16-Schild sehen wir in der Ferne Euerdorf. Hier mündet der aus einem südlichen Seitental kommende Sulzbach in die fränkische Saale. Schon von Weitem können wir die imposante alte Saalebrücke erkennen. Der älteste Teil der achtbogigen Steinbrücke stammt aus dem 16. Jahrhundert. Beim Überqueren staune ich über das St. Nepomuk Standbild von 1713.
Der Halbmarathon biegt vor der Brücke Richtung Ortsmitte ab und läuft von hier direkt nach Ramstahl zurück. Nach der Brücke stutze ich. Jetzt sind nur noch wenige Läufer unterwegs und ich sehe vorne niemanden mehr. Aber die Pfeile auf dem Boden zeigen mir den Weg. Durch eine Unterführung unterqueren wir die B287. Bei der Verpflegunsstelle werden wir gewarnt: Es würde jetzt ein großer Anstieg kommen. Ich mag das ganz gerne. So kann ich gehen ohne mich zu blamieren. Es geht tatsächlich nach oben.
Ein Läufer überholt mich. Im Vorbeijoggen muntert er mich auf: „Du machst es richtig - laufen, solange es geht und gehen, bis es wieder läuft.“ Der Spruch ist gut; den muss ich mir merken.
Wir haben das Wohngebiet verlassen und befinden uns auf einer Art Hochebene (km 18). Erst am Waldrand, dann im Wald scheint der Weg stetig anzusteigen, gerade so, dass man noch laufen kann. Mir zieht es die Kraft aus den Beinen. Ich muss gehen sonst bereue ich das später. Ah, jetzt wird es doch noch steiler.
Michel Weber vom 100Marathon-Club läuft leichtfüßig mit zwei Begleitern an mir vorbei. Oben geht es scharf links. Zuerst fällt mir eine riesige Kuhherde ins Auge, dann aber erkenne ich die Ruine Aura, die beim Start als Zwischenziel angepriesen wurde: „Wenn Ihr die erreicht habt, ist das Schlimmste vorbei“!
Die alte Kirchenruine wurde 1618 als Wallfahrtskirche vom Würzburger Fürstbischof in Auftrag gegeben. Wegen des 30-jährigen Krieges und dem Tod des Auftraggebers wurde sie aber nie fertiggestellt.
Hier bei km 20 bietet sich ein grandioser Ausblick auf das Umland. Leider kann ich das nicht genießen. Der Wind weht so heftig, dass keine Lust zum Verweilen aufkommt. Außerdem geht es auf der anderen Seite steil bergab. Also Kamera einpacken und runter.
Trotz der Anstrengung beim Bergablaufen fällt mir eine imposante Kirche ins Auge. Die katholische Pfarrkirche St. Laurentius war früher die Klosterkirche des Klosters Aura. Das Kloster wurde zwischen 1108 und 1113 als Benediktinerkloster errichtet.1809 nach der Säkularisation wurde es in acht Teile geteilt und verkauft. Bis 1971 diente die Klosterkirche als Pfarrkirche.
Wir laufen direkt an der riesigen Klostermauer vorbei. Es geht steil bergab. Am Weg sind liebevoll gestaltete Bildstöcke, die den Kreuzweg darstellen. Leider kann ich sie mir nicht ansehen. Der alte Weg scheint der ursprüngliche Weg zu sein. Unregelmäßiges Pflaster benötigt meine ganze Konzentration. Ich bin froh, als ich unten bin.
Aura ist mit 869 Einwohnern 2010 die kleinste Gemeine im Landreis Bad Kissingen.1817 war Aura vorübergehend Sitz des Bayrischen Landgerichts.
Der Ort ist wirklich sehr klein. Wirkt aber mit seinen schnuckligen Fachwerkhäusern sehr gemütlich.
Ich steh gerade wieder dumm da. Kein Läufer in Sicht und die Pfeile zeigen weder nach links noch nach rechts die Straße entlang sondern direkt auf die Saale zu. Beim Näherkommen entdecke ich einen unscheinbaren Trampelpfad unter der Brücke der ST2290 durch. Hinten empfängt mich ein Verpflegungsstand.
Es geht auf einem geteertem Weg weiter. Ein Schild sagt, dass in 4 km Elfershausen erreicht sein wird. Bis dahin bin ich wieder in meinem Element. Hier ist es wunderschön. Der Fluss ist allgegenwärtig. Ein beschauliches Tal mit einer himmlischen Ruhe umfängt mich. Irgendwann geht es bergauf und ich bin wieder in einem kleinen Laubwäldchen. Oben wird es wieder frei, mit einem schönen Rundumblick (km 21). Bis Elfershausen überholt mich genau ein Auto - erst da wird mir klar, dass ich die ganze Zeit auf einer Straße laufe. Wir streifen den Ort nur für eine Verpflegungsstation, um bei km 26 die fränkischen Saale erneut zu überqueren.
Wir befinden uns auf der gut ausgebauten Straße nach Langendorf. Hier greift der Wind voll von vorne an. Keine Chance auf Windschatten. Die Böen sind so stark, dass ich fast stehe. Die Straße ist trostlos. Kein Läufer vorn, keiner hinten. Gott sei Dank auch nur wenige Autos, die äußerst rücksichtsvoll sind. Ich unterquere die A7. Nach langen windigen Kilometern erreiche ich aber doch Langendorf. Ein Großaufgebot an Feuerwehrmännern bringt mich sicher auf den Weg, vorbei an der Grundschule wieder in beschaulichere Gefilde.
Ab hier geht es nur noch zurück nach Ramstahl. Nach km 29 halte ich ein Schwätzchen mit den Jungs von der Getränkestelle. Denen ist bestimmt langweilig. Trotzdem sind sie topp motiviert.
Nochmal unter der A7 durch geht der Weg weiter nach Mechtildshausen. Dort beschallen die beiden jungen Streckenposten den Weg mit knallharter Rockmusik. Cool.
Es geht ein Stück an der B287 entlang. Kein Gegenwind mehr – nur noch Rückenwind! Jetzt kommt auch noch die Sonne raus. Es ist wunderbar. Wir verlassen die Straße und können wieder Landschaft pur genießen.
Alles könnte so schön sein, wenn ich nicht schon über 30 km in den Beinen hätte. Jetzt merke ich die Müdigkeit. Außerdem wird die Sonne unangenehm heiß. Ich sehne die Getränkestation herbei. Auf Umwegen kommen wir wieder nach Aura. Dort gibt es Getränke. Die Feuerwehr hält noch zweimal den Verkehr für mich an. Ich gewöhne mich langsam daran, ein VIP zu sein.
Frisch gestärkt ist das kurze aber wunderschöne Stück an der fränkischen Saale entlang nach Euerdorf ein Klacks (km 38). Hier geht’s jetzt kreuz und quer durch den Ort. Immer wieder Feuerwehr, die den Verkehr anhält. Artig bedanke ich mich bei jedem für seinen Dienst.
Oje, jetzt kommt noch eine Steigung. Und hinten geht’s gleich wieder runter und raus aus dem Ort. Hurra, jetzt erkenne ich die Gegend. Da sind wir vor ein paar Stunden mit dem Auto gefahren. Es ist nicht mehr weit. Nochmal Feuerwehreinsatz und ich bin auf dem Fußweg nach Ramsthal.
Die letzten 2 km bei Rückenwind genieße ich.Von Weitem sehe ich unseren Parkplatz und Norbert ist auch da. Er winkt mir zu. Dann kommen die Läufer, die bereits gefinisht (und geduscht) haben. Jeder gratuliert. Die letzte Kurve, ich sehe den Zielbogen, die letzte Steigung, geschafft.
Der Sprecher leistet ganze Arbeit. Natürlich wird jeder Finisher namentlich begrüßt. Er hält das nicht eben zahlreiche Publikum mit Information und Witz ständig bei Laune. Diese Leistung ist auch marathonreif. Kurz hinter mir kommt Antje mit ihrem Husky ins Ziel. Sogar der Hund bekommt eine Medaille.
Im Zielbereich gibt es: Apfel, Banane, Wasser, Tee und sogar Erdinger alkoholfrei. Für kleines Geld gehen wir noch essen. Die Stimmung in der Halle ist Klasse. Siegerehrung.
Dieser Lauf ist einer der Schönsten, den ich kenne. Organisation topp, Preis/Leistung topp, Landschaft topp, Helfer topp. Ich bin von der Freundlichkeit der Menschen ganz begeistert.
Ein Beispiel: Ich laufe an der Verpflegungsstelle mit dem vollen Becher weiter. Nach ein paar Metern ist der Becher leer, aber kein Mülleimer. Da kommt ein älterer Spaziergänger. Ich bitte ihn, den Becher am Verpflegungssstand, den er von hier gar nicht sehen kann, abzugeben. Er sagt: „Natürlich gerne, kein Problem“.
Wir kommen aus der Halle. Der Sprecher ist immer noch da und scheint kein bisschen müde. Hier wird wirklich auf den Letzten gewartet. Kurz vor unserem Parkplatz kommt uns das Besenfahrrad mit der letzten Läuferin entgegen. Auch sie hat es geschafft. Glückwunsch.
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