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Laufberichte

Urlaub am Patteriol

07.07.12
Autor: Joe Kelbel

An den Verpflegungsstellen (alle 4-6 km) lasse ich mir viel Zeit. Die Getränkeauswahl ist einmalig in dieser Welt: schmackhafte Isosorten, natürlich auch Wasser, aber jetzt der Hit: große Auswahl an Fruchtsäften! Schwarze Johannisbeere ist der Renner. Apfelsaft und BierOhne. Dazu Früchte, Gels  und noch ein Hit: Manner! Die süßen Nusschnitten sind ein Traum und lassen sich auch sehr gut mit zwei Händen transportieren. In der Gürteltasche gibt es Krümel, doch lässt sich bei der nächsten Station, wenn man Apfel- oder Pfirsichstückchen untermischt, die Nahrungsverwertung optimieren.

Nach 20 km wird es flacher. Wir sind auf der Oberen Freschalpe (1.890 m), da reisst wunderbarerweise der Himmel auf. Welch perfektes Timing!  Ich rufe dem Hirten zu, dass ich unbedingt ein Foto von ihm, dem Einheimischen haben will. Er lacht, er sei Schweizer,  Gastarbeiter und Kleinhirte.  Gut, rufe ich, auch ich hatte eine schwere Jugend. Deswegen  bin ich jetzt Läufer, könnte aber auch  Kleinhirte sein, wenn ich sein Lehrling sein dürfte. Dann würde ich ein Großhirte aus ihm machen.

Zahnlos grinsend ruft er mir irgendwelche Hieroglyphen zu. Ich glaube er ist froh, wenn bald all die Plastikbecher verschwinden. Tatsächlich sind die Kühe sehr interessiert an Iso und Co, ist aber auch ungewöhnlich gut das Zeug hier! Weiter geht es über den Bergpfad, bis mit 1945 m der höchste Punkt erreicht ist. Dies ist meine Welt hier, mein Urlaub, meine Gammelei, meine Erholung, mein Spass.

Damit ist der Marathon aber auch schon gelaufen.  3 Stunden und  1300 Höhenmeter habe ich hinter mir. Eigentlich ist das ganz locker. Von nun an geht es bergab, nur bergab, fast nur. Mein erster Marathon, der nach 20 Kilometern beendet ist. Weil... weil, ach, weil es easy ist.

Erstmal gibt´s jetzt die traumhafte Strecke  entlang des Langen Sees, wo sich die letzten Schneefelder im verlockenden Wasser spiegeln. Und dann haut es mich um:  Was für ein Berg! Über den Wolken schwebt der zackige Gipfel des Patteriol, das Matterhorn des Verwallgebirges. Ich kann mich jetzt gar nicht mehr einkriegen.

Während ich Fotos schieße, patsche ich immer wieder in die sumpfigen Stellen. Es ist ein kilometerlanger, sehr steiniger, matschiger und  schwieriger Pfad, aber lustig, es macht mächtig Spass. Zuerst hole ich mir nasse Füße, dann bleibt auch noch der Schuh des Manitou im Morast hängen und ich hüpfe mit nassem Socken zurück.

Ich habe Zeit und Urlaub, es ist traumhaft schön hier oben, keine Strasse und kein Haus unterbricht die Sumpfwiesen und Hochmoore, die blumigen  Almwiesen und unendlichen Matten mit Alpenrosen. Ich fotografiere praktisch jede Blüte, jeden Käfer, finde es Klasse, ohne Zeitdruck laufen zu dürfen.

Das Silbertaler Winterjöchle ist der Pass zwischen Tirol und Vorarlberg. Hier entlang führt auch der Trans-Alpin-Run (die Westroute), aber  ab hier rechts rum,  in Richtung Galtür. Wir laufen links herum, den Adlerweg hinunter. Der heisst wohl so, weil man hier wirklich fliegen kann, ganz bequem und kilometerweit, sanft hinab ins Tal.

An der Konstanzer Hütte (1688m) treffen sich die Rosanna (also der Fluss, denn sonst ist hier oben nix) aus dem Schönverwalltal und der Fasulbach. Folgt man diesem bergauf, kommt man zum Einstieg in drei Wände des Patteriols, die ab hier nochmals 1000 Meter höher sind. Dort schickt man sein Marathon-Begleitpersonal auf die Klettersteige (Bergführer 49 Euro), dann hat man den gesamten Lauftag seine Ruhe.  Wer Glück hat sogar noch länger. Das war jetzt ein Witz, aber eine gute Empfehlung.

Wir folgen dem lieblichen Tal der lieblichen Rosanna abwärts, welches wegen seiner  steilen Wiesen- und Alpenrosenhängen  lieblich wirkt. Kann ich was dafür? Ist wirklich lieblich!

Wissenschaftler können anhand der Pflanzenarten der Wiesen die Beweidung von mehr als 1000 Jahren recherchieren. Ich habe das alles durchgelesen, weiss jetzt, ob hier  Ziegen, Schafe oder Rinder geweidet haben. Da dies aber laufentscheidend sein könnte, werde ich jetzt kein Wörtchen über meine Erkenntnisse offenbaren.

Die Rosanna tunnelt jetzt auf langen Strecken Reste von Lawinenfeldern, die weit ins Tal hinabreichen. Hier grasen Rinder, denen die Alpenrosen nicht schmecken, Pferde würden bei einem einzigen Blättchen sterben, Läufer bekämen Flitze.

Alle paar Kilometer sind Sanitäter stationiert, mal mit Fahrrädern, mal mit Allradautos. Es gibt keine Ausfälle, die Versorgung ist zu gut. Die armen Jungs haben nichts zu tun. Also frage ich hier bei km 30  mal vorsichtig nach, ob man mir nicht mal den Blutdruck messen könnte, ohne dass daraus gleich ein Notfall wird.   170 : 130. Puls 110. „Ist das viel?“ „Nö, ist  gut!“ Die erwarten wohl eher blutdrucklose Patienten.

Vor dem Verwallstausee rinnt der Maoibach aus einer kleinen Schlucht, erhöht  nicht den Blutdruck, nur den Wasserstand. Überhaupt gibt es  keinen Druck heute, 7 Stunden Zeitlimit. Kein Läufer kommt heute annähernd an dieses Limit. Es ist ein Urlaubsmarathon, niemand muss  Sorgen  haben wegen der 1300 Höhenmeter. Ist wirklich ganz locker.

Der Gasthof Verwall liegt zu weit abseits der Laufstrecke. Ich könnte zwar ein Bier vertragen, aber dann müsste ich meinen Lauf unterbrechen,der jetzt nur abwärts geht. Ich überhole doch gerade soviele Läufer. Es ist auch ziemlich warm inzwischen. Und dann immer wieder diese Verpflegungsstationen, mit dem Johannisbeersaft. Ist schon komisch, ich sowas würde ich nie im Leben trinken!“ 

Irgendwann kann man St Anton hören, da trifft mich der Schlag: die Strecke führt direkt am Krazy Kangoroo vorbei! Jörn sagte mir mal: „Wenn du hier keine abbekommst, dann bekommst du nie eine ab!“ Doch dann war Volker das erste Opfer. Auf dem Weg über die schneefreie Piste vom Krazy Kangoroo zum Moserwirt kam er über die Hinterlassenschaft einer sommerlichen Almbewohnerin nicht hinweg, was sich auf seinem fliederfarbenen Einteiler nicht gut machte.

Jetzt wage ich  einen  Blick die steile Piste hinab zum Moserwirt, denn dort wird seit Volkers  denkwürdigem Tag in Unterhosen auf den Tischen getanzt, ungelogen!

Eigentlich wollte ich mal einen seriösen Marathon laufen und beschreiben, aber doch nicht hier, wo all die Erinnerungen hochkommen! K.D. möge mir verzeihen!

Daniela ist die Tourismus-Chefin. Sie fragt mich im Ziel, ob es schön war. „Wunderschön. Aber so schön die Alpen auch sind, Party gibt´s nur bei Euch. Und was ihr hier wieder macht, das ist .....“ Tatsache ist, dass die Geburtenrate in Österreich höher als in Deutschland ist.

Die kleinen Wege, die wir jetzt laufen kenne ich. Auch jeden Baum und jede Abkürzung, jeden Ziehweg, jeden Pfeiler, jeden Lift und jede Schneekanone, die mir im Winter den kalten Staub ins Gesicht bläst.  Und Günter, der Rennleiter hat jetzt bestimmt eine riesige Freude, uns  für die letzten Meter nochmals die Piste hochzuschicken. Ich muss da schon sehr lachen. Einige Mitläufer verlieren hier 20, 30 Minuten, ich glaube, wegen der herrlichen Blumen. Tatsächlich sind die Blumen auf den Skipisten eine Pracht. Teilweise werden die im Frühling neu eingesäht.

Der Zieleinlauf ist mitten in der belebten  Fußgängerzone. Links das Cafe Alibi, war mir immer sehr wichtig im Winterurlaub. Da läuft mir doch glatt ne Braut über den Weg. Naja, St. Anton ist Sommers wie Winters der Hit. Und so drücke ich dem Bräutigam die Kamera in die Hand, versuche ihm noch die Unendlichkeit seiner Entscheidung klarzumachen. Tatsächlich hat er sie im Postkeller kennengelernt.   Da muss ich lachen, denn Urlaubsbekannschaften sind, äh, ja. Wie sagte Jörn: „Wenn nicht hier, wo dann!“

Dort im Ziel, direkt am Postkeller, sind der Mittelpunkt der Erde, die Ruheliegen und das legendäre Finisher-Buffet, appetlitlich präsentiert in edlem Stahl. 

Der Shuttlebus wartet vor dem Schwimmbad. Eigentlich gibt es noch eine After-Run-Party. Aber mit diesem lockeren Lauf beginnt mein Bergurlaub. Es locken die Berge, die Sonne, die Alm, die Freiheit und die Resi, die Närrische mit dem Holz.

Marathonsieger

Männer

1. Dietmar Rudigier  LG-Decker Itter 2:55:04,1
2. Peter Pripfl  Kolland-Topsport-Asics 3:01:06,4
3. Michael Kabicher Kolland-Topsport-Asics 3:02:48,4

Frauen

1. Barbara Stockklauser Kolland-Topsport-Asics 3:28:36,8
2. Karin Freitag Kolland-Topsport-Asics 3:31:34,2
3. Veronika Limberger ASK Ortner Loosdorf 3:41:51,2

349 Finisher

12
 
 

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