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Laufberichte

Falsch gerechnet, gut gelaufen

09.07.05

"Noch nie habe ich mich in einem Lauf so getäuscht!“

 

Gleich mal vorab – die Fahrt nach Vorarlberg zum dritten Montafon-Arlberg-Marathon habe ich nicht bereut, alle meine Erwartungen wurden erfüllt und noch mehr. Gute, eigentlich perfekte Organisation, wunderschöne Strecke, beste Verpflegung und auch das Wetter war nahezu ideal. Wenn sie jetzt noch ihren Internetauftritt informativer gestalten, gibt es keinerlei Kritikpunkt mehr. Der Lauf hätte sicher mehr als die 216 Teilnehmer verdient und könnte sie auch problemlos verkraften.

 
Vor einer Woche war ich beim Oberstaufen Marathon, der wegen problematischer Wetterverhältnisse auf der etwas kürzeren (ca. 40 km) und mit +/- 1.400 Höhenmetern etwas flacheren Ausweichstrecke stattfand. Im Gegensatz dazu ist der Marathon im Montafon ein Punkt zu Punkt Kurs von Silbertal nach St. Anton am Arlberg, die Strecke hat ca. +1.300 Höhenmeter und vielleicht -900 m. Das Höhenprofil sah recht einfach aus: 5 km flach, dann 17 km beständig hoch, von 889 m auf 1.945 m und die restlichen 20 km führten dann abwärts ins Ziel auf 1.300 m, immer wieder unterbrochen durch kurze Anstiege. Rein rechnerisch also, verglichen mit Oberstaufen, eine deutlich einfachere Strecke.


Wie bereits in der Vorwoche hatte ich auch diesen Lauf als Vorbereitung auf den K78 in Davos gedacht. Diesmal aber wollte ich versuchen, die komplette Strecke zu joggen und keine Gehpausen zu machen. In Oberstaufen war ich bei vielen Steigungen gegangen und hatte trotzdem 5:05 h geschafft, also müsste ich hier wohl unter 5 Stunden ankommen. Da auch Walker zugelassen waren, war mit 8 Stunden die Wertungszeit sehr großzügig bemessen.


Am Freitag um 14 Uhr holte mich Klaus ab und nach etwa 4 Stunden gemütlicher Fahrt waren wir am Feuerwehrhaus in Silbertal. Die Fahrt über die Autobahn Stuttgart – Ulm – Memmingen – Lindau – Bregenz – Dornbirn – Feldkirch – Bludenz  war problemlos, trotz Freitag Nachmittag, und auch der Teil Landstraße über Schruns nach Silbertal klappte problemlos. Im Feuerwehrhaus in Silbertal holten wir unsere Startunterlagen ab, verspeisten unsere Portion Nudeln (kostenlos) und fuhren dann weiter nach St. Anton am Arlberg (nicht zu verwechseln mit St. Anton im Montafon).


Tja, vielleicht keine so gute Idee, denn wir mussten zurück bis Bludenz, dann ein Stück Autobahn Richtung Innsbruck und weiter über den Arlberg Pass, alles in allem eine gute Stunde Fahrzeit. Glücklicherweise bekamen wir aber auch abends um 9 Uhr noch eine Unterkunft – St. Anton ist eben ein Wintersportort und im Sommer reichen die Kapazitäten bei weitem für die paar Touristen aus. Unsere Idee war, am nächsten Morgen mit dem vom Veranstalter organisierten Bus zum Start nach Silbertal zu fahren. Wenn wir dann im Ziel in St. Anton ankämen hätten wir dort das Auto und könnten zeitnah nach Hause fahren. Die Idee war richtig, die Ausführung schlecht. Die Startunterlagen hätten wir auch noch am nächsten Morgen abholen können, denn der Bus fuhr um 6.30 Uhr los und war noch vor 8 Uhr in Silbertal. Den zeitaufwendigen Abstecher am Freitag nach Silbertal hätten wir uns also sparen können.

 

Nun, das sollte nicht unsere letzte Fehlkalkulation sein, dazu aber später. Der Transfer am nächsten Morgen nach Silbertal klappte problemlos. Wir waren kurz vor 8 Uhr im Startbereich am Feuerwehrhaus, hatten also genügend Zeit und konnten in der wärmenden Sonne beobachten, wie sich das Startgelände langsam füllte. Um diese Zeit war mir die Sonne willkommen, denn die Lufttemperaturen waren noch bei kühlen 8-10 Grad. Während des Laufes jedoch wünschte ich mir Bewölkung, was dann tatsächlich auch so eintrat.


Pünktlich um 9 Uhr war Start. Klaus hatte etwas Bedenken, weil seine rechte Wade, die ihm schon in Zermatt Probleme bereitet hatte, immer noch nicht ganz in Ordnung war. Er wollte aber trotzdem, wie ich auch, die Strecke ohne Gehpausen durchlaufen. Wir begannen verhalten, liefen von Anfang an unser Tempo (6:20 min/km) und ließen uns auch nicht irritieren, dass wir bald ziemlich hinten im Feld waren – wie immer überschätzten sich da wohl einige, die wir dann sicher noch überholen würden, wenn es mal eine Zeitlang hoch ging.


Natürlich war es nicht eben, wie es das Höhenprofil suggerierte, sondern es ging knapp zwei Kilometer sanft bergab, dann in einer 360 Grad Wendung wieder zurück zum Startbereich, jetzt aber hoch, mal sanft, mal etwas stärker – die ersten Geher überholten wir schon. Bei Kilometer vier dann liefen wir wieder durch den Startbogen, diesmal in die andere Richtung. Noch knapp einen Kilometer einigermaßen eben und dann begannen die 17 Kilometer ständiges bergauf. Nun, 1.000 Höhenmeter auf 17 Kilometer verteilt müssten ohne Gehpausen zu schaffen sein und in der Tat war die Steigung immer so, dass ich joggen konnte. Der Weg war gut, ein breiter, gekiester Forst- und Wirtschaftsweg im Wald, links neben uns ein Gebirgsbach, die Steigung wie erwartet, mal nahezu eben, dann wieder steiler. Irgendwann, vielleicht bei Kilometer 10, kam das steilste Stück der Strecke, wie uns ein Läufer aus Silbertal erklärte. In der Tat war ich da beinahe versucht, ins Gehen zu verfallen. Weil ich mir aber vorgenommen hatte, alles zu joggen, ließ ich nicht nach und nach einem Kilometer wurde es auch wieder angenehmer.

 

Der Wald war lichter geworden, immer wieder waren jetzt auch mal Alpen neben uns auf denen Kühe weideten, der Weg verlief jetzt flacher. Kilometer 18 hatten wir passiert und nur noch 4 Kilometer trennten uns vom höchsten Punkt, dann würde es runter gehen. Unsere Kilometerzeiten lagen bisher zwischen 7 und 9 Minuten, wir fühlten uns noch bestens, eine Zielzeit von unter 5 Stunden war also durchaus realistisch. Aber dann kam es ganz anders als geplant!

 

Das Wetter war ideal, vielleicht 16 Grad, bewölkt, ab und zu Sonne, schöner hätte es kaum sein können. Wir waren jetzt über 1.800 Meter und der bisher gut zu laufende Weg wurde rapide schlechter. Immer wieder auch wurde es so steil, dass ich meinen Vorsatz zweimal durchbrach und kurz ins Gehen überging, vor allem auch, weil gerade mal wieder die Sonne schien und es sofort recht warm wurde. Schatten war keiner mehr vorhanden, kein Wald mehr, keine Bäume. Innerhalb weniger hundert Meter waren wir dann auf der Passhöhe und kein Wirtschaftsweg war mehr da, nur noch ein Pfad über die Wiesen. Aber was für ein Pfad und was für Wiesen! Mehr Steine als Gras, man konnte nicht mehr joggen, da man höllisch aufpassen musste, um auf oder zwischen den Steinen den Fuß sicher aufsetzen zu können. Durch den Regen an den Vortagen war darüber hinaus der Boden aufgeweicht, so dass man auch noch aufpassen musste, nicht mit dem Schuh einzusinken. Wir liefen einem kleinen Wasserlauf entlang, in den immer wieder von links oben mehr oder weniger große rinnsale mündeten, die wir dann jeweils überqueren mussten oder auch mal drin laufen, genauer von Stein zu Stein hüpfen. Manches Mal war ich mir nicht sicher, ob das jetzt der Weg war, oder ein Zufluss zu dem Bächlein oder das Bächlein selbst. Von überall her kam das Wasser. Alles in allem eine schöne Gegend, aber zum Joggen denkbar ungünstig.

 

Obwohl es zwischen Kilometer 19 und 22 nur noch unwesentlich hoch gegangen war, man mehr eben lief, manchmal sogar abwärts, war unser Schnitt auf miserable 12 min/km gesunken. Auch als wir den höchsten Punkt passiert, die Landesgrenze zu Tirol überschritten hatten und es laut Höhendiagramm jetzt nur noch abwärts gehen sollte, nützte uns das überhaupt nichts. Der Pfad war immer noch so schlecht, dass bis nahezu Kilometer 24 unser Schnitt nicht viel besser wurde. Erst als wir die Verpflegungsstelle bei etwa km 23,3 erreicht hatten kamen wir danach wieder auf einen geschotterten Wirtschaftsweg.


Ab dieser Verpflegungsstelle gab es Cola zu trinken, was wir natürlich sofort ausnutzten, denn jetzt wollten wir ja Tempo machen. Allerdings war uns klar, dass wir die fünf Stunden nicht mehr schaffen würden. Bis km 18 lagen wir mit 2:14 Stunden hervorragend in der Zeit, für die folgenden sechs Kilometer auf dem schlechten Wegstück über den Pass hatten wir, trotz keiner Steigung mehr, sage und schreibe 1:04 Stunden benötigt. Diesen Verlust konnten wir auf den restlichen 18 Kilometern wohl kaum mehr wettmachen. Rechnerisch wären das ja 1:48 Stunden gewesen, auf einem Flachstück kein Problem, aber hier?


Trotzdem liefen wir flott weiter, jetzt runter, mal steil, mal steiler, aber auf Schotter, auf einem schlechten Weg – das war nicht mein Ding! Zu schnell konnte ich da gar nicht laufen, ständig leicht abbremsen und bereits nach vier Kilometern ging es auch immer wieder mal hoch. Meine Kräfte waren zwar noch nicht verbraucht, aber hier musste ich doch immer wieder auch mal 100 m gehen, wenn es etwas stärker hoch ging. Ok, auf den ersten 20 Kilometern war ich solche Anstiege problemlos gejoggt, aber jetzt war es wärmer geworden und ich war nicht mehr frisch. Insgesamt liefen wir die nächsten 12 Kilometer bis km 36 in einem Schnitt von 6:38 min/km. Mehr war einfach nicht drin, auch wenn der Untergrund gegen Ende dieses Abschnitts immer besser geworden war, auch viel Asphalt dabei. Aber ich konnte es nicht so rollen lassen, wie ich mir das gewünscht hätte. Ohne jegliches Bedauern verabschiedete ich mich von meiner Wunschzeit. Ich war bisher gut gelaufen, deutlich schneller als in Oberstaufen, seit langem mal wieder ein schnellerer Marathon und vor allem das machte mir Mut für Davos. Die Zeit spielte keine Rolle, angesichts der Wegverhältnisse war die ok.


Wir hatten die Zivilisation erreicht, waren an einigen Häusern vorbeigekommen, als sich rechts vor uns das Tal mit St. Anton auftat. Oh je, da runter mussten wir noch, das konnte ja noch was werden, schon wieder so ein elendes Gefälle! Aber es kam noch schlimmer, der Weg führte nicht abwärts, sondern in Serpentinen nach oben. Offensichtlich mussten wir hier noch Kilometer machen, damit wir auf die volle Marathondistanz kamen. Joggen war hier nicht mehr möglich, also hieß es gehen! Anschließend lief man auf einem welligen Pfad in ständigem Auf und Ab den Hang entlang weit oberhalb an St. Anton vorbei. Auf diesen zwei Kilometern war unser Schnitt wieder auf 8:46 min/km gefallen.


Endlich mündete der Pfad in einen breiteren Weg, der uns die nächsten beiden Kilometer recht ordentlich bergab führte. Klaus war bereits vor einigen Kilometern etwas zurückgefallen, er musste seine Wade schonen. Ich lief immer noch so schnell ich noch konnte, ich wollte sehen, ob ich auch noch gegen Ende mein Tempo halten konnte. Seit einiger Zeit war ich in Gesellschaft von zwei Läufern, einer meist hinter mir, der andere vor mir. Ich versuchte den vorderen einzuholen, aber immer wieder konnte er sich absetzen. In einigem Abstand rannten wir also jetzt etwa zwei Kilometer bergab, bis wir St. Anton erreicht hatten. Hoch oberhalb hatten wir auf dem Pfad den kompletten Ort passiert, jetzt mussten wir in St. Anton wieder zwei Kilometer zurück bis zum Ziel. Alle drei waren wir ziemlich erschöpft, mobilisierten jedoch noch Kräfte und konnten die letzten beiden Kilometer noch deutlich schneller als 6 min/km laufen. Keiner konnte sich mehr entscheidend absetzen und so liefen wir gemeinsam ins Ziel.

 

Fünf Stunden und 21 Minuten,  Zielzeit deutlich verfehlt, aber trotzdem war ich hoch zufrieden mit mir. Ich war den ganzen Lauf stets mit nahezu vollem Einsatz gelaufen, hatte unterwegs keinen Einbruch und konnte am Ende sogar noch meine schnellsten Kilometer laufen.


Wenige Minuten nach mir kam Klaus ins Ziel, glücklich, dass seine Wade „gehalten“ hatte. Er brachte den Lauf auf den Punkt: „Jetzt bin ich schon so viele Marathons gelaufen, auch Bergmarathons, aber noch nie habe ich mich in einem Lauf so getäuscht!“ Absolut richtig, was auf dem Papier so harmlos und problemlos ausgesehen hatte, hatte sich als so schwierig erwiesen. Sowohl die knapp fünf Kilometer auf dem Bergpfad oben im Passbereich, als auch das anschließende Abwärts, das oft zu steil zum „Laufenlassen“ und mit etlichen Gegenanstiegen gespikt  war,  hatten übermäßig viel Zeit gekostet. Da muss unbedingt das Höhendiagramm auf der Internet-Seite korrigiert werden!

 

Wunderschöner Lauf, beste Verpflegung unterwegs mit freundlichem Personal, hervorragendes Wetter, aber die Krönung kam am Schluss. Noch nie habe ich bei einem Lauf eine reichhaltigere und vor allem liebevoller arrangierte Verpflegung im Ziel erlebt! Große Auswahl an Getränken, aber auch an Obst. Das Obst lag aber nicht einfach in Schachteln, sondern wurde dekorativ in Edelstahlschüsseln angeboten, mit Wasser bespritzt, so dass die Äpfel, Nektarinen und Birnen auch überaus appetitlich aussahen. Hätte man Aufnahmen für ein Magazin machen wollen, viel hätte man da am Arrangement nicht ändern müssen. Auf einem dritten Tisch standen Papiertüten, in jeder ein Laib Vollkornbrot. Als ich mich erkundigte, was das kosten würde, bekam ich zur Antwort:  „Nichts, einfach nur mitnehmen!“ Großes Kompliment an die Organisatoren!

 

Informationen: Raiffeisen Montafon Arlberg Marathon
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