Seit ich Marathoni bin, sehe ich die Welt. Früher wäre ich nie einfach mal so für ein Wochenende nach Rom, Barcelona oder gar New York gereist. Aber der Marathon macht es möglich. „Laufen und Reisen“ heißt das Motto, das auch die TUI AG erkannt hat: Der Touristik- und Schifffahrtskonzern hat vor drei Jahren den TUI-Marathon Palma de Mallorca ins Leben gerufen und somit dafür gesorgt, dass nun auch ich endlich zum ersten Mal in meinem Leben auf Deutschlands beliebtester Ferieninsel war.
Meine Frau Marianne und ich reisen schon am Freitag vor dem Lauf an. Der Flug von Stuttgart nach Palma de Mallorca dauert nur knapp zwei Stunden und der Transfer in die Stadt ist auch schnell abgehakt. So gesehen liegt Mallorca quasi vor unserer Haustür und die Anreise zum Marathon ist für uns nicht aufwendiger, als die Fahrt zum Hamburg- oder Berlin-Marathon.
Nach dem Hotel-Check-In gehen wir sofort zum Start-/Ziel-Bereich an der Ronda Migjorn beim Museum Es Baluard. Dort sind kleine weiße Zelte aufgebaut, wo die Startunterlagen für den Marathon, den Halbmarathon und den 10-km-Lauf ausgegeben werden. Mit der Startnummer erhält jeder Läufer schon jetzt sein Finisher-Funktions-Shirt, das nach dem Hitzelauf vom letzten Jahr diesmal in ärmelloser Variante verteilt wird. Danach besuchen wir die gleich angrenzende Marathonmesse im Parc de Sa Faixina. Diese findet nicht wie bei uns üblich in einer Halle statt, sondern im Freien. Ich kaufe mir eine weiße Laufkappe, um mich am Sonntag gegebenenfalls gegen die Sonne schützen zu können.
Den Samstag verbringen wir damit, Palma zu besichtigen. Zur Stärkung besuchen wir am Nachmittag die Pasta Party, die auch unter freiem Himmel im Parc de La Mar stattfindet. Der Andrang hier ist groß und wir müssen eine Weile anstehen, um unseren Pappteller mit Spaghetti, ein Softgetränk und eine Banane in Empfang nehmen zu können. Dann aber sitzen wir auf einem wunderschönen Platz unter Palmen mit Blick auf den Hafen und auf die Kathedrale La Seu, dem Wahrzeichen der Inselmetropole, und unterhalten uns mit einem netten Läuferpaar aus Oldenburg.
Es geht los …
Am Sonntag sind wir eine Stunde vor dem Start auf der Passeig de Sagrera, der breiten Küstenstraße, wo um 9.00 Uhr der Start zum Marathon und zum Halbmarathon erfolgen wird. Wir geben unsere Kleiderbeutel ab, besuchen noch einmal eines der ausreichend vielen Dixi-Klos, die hier „Boxi“ heißen, und begeben uns zu den Startblöcken.
Als wir an der Ziellinie vorbeikommen, sehen wir die Promis, die zu diesem Lauf eingeladen wurden und heute aus der ersten Reihe starten werden. So laufen heute Helmut Zierl, Martin Semmelrogge, Andrea Ballschuh und Katharina Abt den Halbmarathon, Tim Bergmann und Mickie Krause starten sogar zu ihrem ersten Marathon und Saskia Vester, Alexa Maria Surholt, Bettina Hoy und die ehemalige Viva-Moderatorin Milka Loff Fernandez begnügen sich mit dem 10-km-Lauf, der eine Stunde später startet. Außerdem treffen wir hier auf Tabaluga von Peter Maffays Tabaluga-Stiftung. TUI spendet heute für jeden gelaufenen Promi-Kilometer und überweist nach dem Lauf 14.550 Euro an die Stiftung.
Ich starte aus Block B und überquere 51 Sekunden nach dem Startschuss durch Aina Calvo, der Bürgermeisterin von Palma, und Dr. Michael Frenzel, dem Vorstandsvorsitzenden der TUI AG, die Startlinie. Wir laufen die Küstenstraße entlang Richtung Süden, vorbei an vielen Vier- und Fünf-Sterne-Hotels und Unmengen Jachten und Segelschiffen in allen Größen und Preisklassen. Am Einkaufszentrum Porto Pi kommt nach ca. 3,5 km die erste Wende und wir laufen direkt an der Hafenmauer zurück zum Start-/Ziel-Bereich. Erst hier auf dem Rückweg nehme ich mir Zeit, den Stadtturm, das weiter oben gelegene Castell de Bellver und die Windmühlen zu fotografieren.
Da ich wegen einer Verletzung seit drei Monaten keinen langen Lauf mehr machen konnte und nicht ausreichend trainiert habe, laufe ich langsamer, als ich im Moment noch könnte. Denn ich will diesen Lauf auf jeden Fall im Ziel und nicht irgendwo auf der Strecke beenden. Notfalls werde ich die letzten Kilometer gehen, was bei einer Zeitbegrenzung von immerhin 6 Stunden möglich wäre.
Nach 7 Kilometern kommen wir wieder zum Startbereich. Während sich bisher kaum einer für uns Läufer interessierte, werden wir hier mit Jubel und den in Spanien üblichen „Venga, Venga“-Rufen empfangen. Wir biegen rechts in eine Mole ein, die uns ein Stück aufs Meer hinaus führt, und laufen nach einer Wende direkt auf die imposante Kathedrale zu.
Jetzt geht es rechts ab ein Stück am Hafen entlang und nach einer weiteren Wende dürfen wir nochmal die Kathedrale im Sonnenlicht bewundern. Schöner als hier kann eine Marathonstrecke eigentlich nicht sein: Sonne, Palmen, Meer, Küstenpanorama und sehenswerte historische Bauten. Ich sehe Ralf, den offiziellen Eventfotografen des TUI-Marathons, den wir vor zwei Tagen kennen gelernt haben, und lasse mich von ihm vor La Seu fotografieren. Auf dem Weg zum Porto Pi habe ich schon seinen Kollegen Boris getroffen, der mich auch ein paarmal abgelichtet hat. Die Erinnerungsfotos sind somit gesichert.
Abkühlung
Nach ca. 9,5 km biegen wir rechts in die Altstadt ein zum Passaig d´es Born. Die 10 km-Läufer werden später an dieser Stelle geradeaus weiterlaufen zum Ziel. Interessant finde ich hier die schmalen vierstöckigen Häuser, die uns auf den nächsten Kilometern Schatten spenden und für eine merklich kühlere Temperatur sorgen. Während es auf der Küstenstraße bereits 22 Grad Celsius hatte, sehe ich auf der Digitaluhr an einer Apotheke, dass wir nun bei angenehmen 15 Grad laufen.
Kreuz und quer geht es nun durch die Stadt und weil ich mich in Palma nicht auskenne, verliere ich total die Orientierung. Ständig biegen wir rechts oder links ab, drängen uns durch schmale Gassen, überqueren idyllische Plätze und sehen irgendwelche Kirchen und historisch interessante Bauwerke. Zuschauer hat es hier fast keine. Die würden in den engen Gassen auch im Weg stehen und mehr schaden als nutzen. Da ich keine Bestzeit im Visier habe, macht mir diese Art der Stadtbesichtigung Spaß. Wenn ich es eilig hätte, würde ich allerdings sicher einige Male fluchen, wenn ich in einer engen Gasse mal wieder nicht überholen könnte, einer alten Frau ausweichen müsste, die sich in eine der Gassen verirrt hat und nun allen Läufern im Weg steht, oder an einer der vielen Abbiegestellen abbremsen müsste.
Nach knapp 15 km überqueren wir den Placa Major, kommen zum Rathaus und dem Placa Cort mit seinem uralten Olivenbaum und laufen dann hautnah an der Kathedrale vorbei. Von hier hat man nochmal einen herrlichen Blick auf den Hafen, den Parc de la Mar, wo tags zuvor die Pasta Party stattfand, und den Rundkurs des in diesem Jahr erstmalig angebotenen Kids-Run, an dem samstags 432 Vier- bis Zwölfjährige teilnahmen.
Als ich wieder in die engen Altstadtgassen einbiege, sehe ich zwei Läufer aus Essen, die sicher nicht wissen, dass sie mit daran „schuld“ sind, dass ich heute mein Abendessen selbst bezahlen muss. Denn Essen hat bei der City-Trophy, einer Sonderwertung im Rahmen des TUI-Marathons, mit 69 Meldungen Karlsruhe mit 45 Meldungen auf Platz zwei verwiesen, sodass das von der TUI gesponserte After-Race-Dinner in exklusiver Location heute in Essener Mägen landen wird. Da ich der City-Trophy-Koordinator für Karlsruhe war, habe ich aber durch diese Aktion zumindest einen Freistart bekommen und einige der Karlsruher Läufer kennen gelernt.
Weiter geht es durch die Stadt bis zum Placa d´Espanya bei km 18,5 wo wir von Samba-Tänzerinnen und einigen Zuschauern begrüßt werden und dann Richtung Hafen abbiegen. Jetzt laufen wir auf breiten Straßen, deren Fahrspuren zum Teil auch von Autos befahren werden, sodass es ziemlich nach Abgasen riecht. Ein Kilometer weiter kommt die Marathonweiche. Die Halbmarathonis biegen hier rechts ab und laufen an der Kathedrale vorbei zum Ziel. Die Marathonis bewegen sich nach Osten Richtung Playa de Palma.
Halbzeit
Wir laufen noch ein Stück am Meer entlang und ich überquere nach 1:56:18 die Messmatten für den Halbmarathon. Mein Trainingsdefizit macht sich zum Glück noch nicht bemerkbar. Aber ich weiß genau, dass auf der verbleibenden Strecke noch irgendwo der Mann mit dem Hammer stehen kann. Schließlich gibt’s auf der zweiten Streckenhälfte fast nur Sonne pur und kaum Schatten. Aber zum Glück ist es heute etwas bewölkt und nicht so heiß wie im letzten Jahr.
Ich steuere den nächsten Verpflegungsstand an, der sich direkt nach der Halbmarathonmarke befindet, schnappe mir zwei Flaschen Wasser, schütte mir eine davon über den Kopf und laufe weiter. Die zweite Flasche trinke ich während des Laufs. Mir käme es entgegen, wenn alle Marathons vom Pappbecher auf die Plastikflasche umstellen würden. Denn ich kann einfach nicht auf Befehl am Verpflegungsstand Unmengen Wasser in mich reinschütten, was dazu führt, dass ich üblicherweise beim Marathon zu wenig trinke. Für mich ist es besser, wenn ich mir ohne Zeitverlust eine ungeöffnete Plastikflasche greifen kann, die ich dann in der Hand etwas erwärme und während des Laufs austrinke.
Obwohl etwa alle drei Kilometer ein Verpflegungsstand mit Wasser, Iso, Bananen- und Apfelstücken steht, beginnt jetzt die Durststrecke. Nein, nicht dass dem Veranstalter das Wasser ausgegangen wäre. Ich meine die bei jedem Marathon vorhandene Durststrecke, auf der man nur Kilometer frisst, um irgendwie auf die Marathondistanz zu kommen und wo es eigentlich nichts Sehenswertes zu finden gibt. So beschränken sich die Highlights der nächsten Kilometer auf ein paar alte Bauernhöfe, Windmühlen und eine Tankstelle, wo der Liter Benzin nur knapp über einen Euro kostet.
Nach 25 km befinden wir uns in der Einflugschneise zum Flughafen. Mein Blick ist fast die ganze Zeit auf den Himmel gerichtet, wo ein Flugzeug nach dem anderen dicht über uns zur Landung ansetzt. Während man hier noch hauptsächlich auf Einheimische trifft, die der Marathon nicht zu interessieren scheint, stehen ab km 28 immer mehr Touristen, die uns aufmerksam zusehen und beklatschen.
Rückweg
Richtig spannend wird es aber erst wieder nach der Zeitnahme bei km 30, die ich nach 2:47:50 Stunden erreiche. Wir kommen zum Playa de Palma, wo hinter blauen Absperrgittern hunderte von Zuschauern stehen und uns hochleben lassen. Ab hier geht es an der Uferpromenade zurück zur Kathedrale und zum Start-/Zielbereich. Während des Laufens beobachte ich die Touristen, die rechts von mir in den Cafés und Restaurants sitzen, oder schiele auf die wenigen Badegäste, die sich links von mir am Strand tummeln, was meine Gedanken von meinen immer müder werdenden Beinen ablenkt.
Bei Kilometer 33 klopft mir plötzlich jemand auf den Rücken. Es ist Jens Lukas, der in Karlsruhe nur wenige Minuten von mir entfernt wohnt. Er ist heute als 4:00-Pacemaker und mit einer ganzen Läufergruppe unterwegs. Für Jens ist dieser Marathon quasi ein Regenerationslauf vom 246 km langen Sparthatlon vor drei Wochen, bei dem er in diesem Jahr „nur“ Vierter geworden ist, den er aber schon dreimal gewonnen hat. Ich laufe knapp zwei Kilometer mit der Gruppe mit, muss sie dann aber ziehen lassen, weil ich durch meine Fotostopps immer den Anschluss verliere und dann mit erhöhter Geschwindigkeit aufholen muss.
Unser Weg führt weiter vorbei an Hotelanlagen, Strand und Palmen und auf dem gesamten Weg stehen immer wieder einzelne Touristen, die uns aufmuntern und kräftig in die Hände klatschen. Nach etwa 34 km laufen wir auf seitlich abgesperrten Holzstegen durch das Naturschutzgebiet. Wir kommen wieder zur Einflugschneise, erreichen die Bucht von Palma und sehen schon in der Ferne die Kathedrale und somit unser heutiges Ziel.
Jetzt wo ich weiß, dass ich den Marathon schaffen werde, ziehe ich etwas im Tempo an und überhole fast alle Läufer vor mir. Die letzten Kilometer vergehen wie im Flug. Noch einmal darf ich heute an der Kathedrale vorbeilaufen. Dann kommt die 42-km-Marke und das Ziel, das ich nach 4:03:18 Stunden erreiche. Wenn ich gewusst hätte, dass es trotz des Trainingsmangels heute so gut läuft, hätte ich eine Zeit unter vier Stunden angepeilt. Aber die Zeit war heute nicht wirklich wichtig. Ich bin froh, dass ich die 42 km ohne Probleme geschafft habe und nun noch fit genug bin, um das Ereignis auch abends gebührend feiern zu können.
Nachdem ich meine Medaille in Empfang genommen habe, treffe ich Dirk und Andreas vom Lauftreff Michelin/IWG. Dirk ist nicht so ganz zufrieden, weil er die angestrebten 3:29 Stunden knapp verfehlt hat. Aber so hat er wenigstens einen Grund, im nächsten Jahr wieder zu kommen und es nochmal zu probieren. Ich selbst halte mich nicht lange im Zielbereich auf, wo es alkoholfreies Erdinger, Wasser, Obst und leckere Donuts gibt, sondern lasse mir am Ausgang meine vorläufige Urkunde mit der Ziel- und allen Zwischenzeiten ausdrucken, hole meinen Kleiderbeutel und suche Marianne, die ihren Halbmarathon heute auch recht vorsichtig angegangen ist und mit 2:00:01 gefinished hat.
Auszug aus der Ergebnisliste
Marathon Männer
1. Jörgens, Marc (DEU) Wermelskirchen 02:31:24
2. Berg, Thoralf (DEU) SSV PCK Schwedt 02:33:42
3. Southam, Christopher (GBR) Stilton Striders 02:36:16
Marathon Frauen
1. Schoenherr-Hoelscher, Birgit (DEU) PV Triathlon Witten 02:54:57
2. Gayk, Svenja (DEU) 02:55:54
3. Köhne, Manuela (DEU) LG Osnabrück 03:11:44