Mancher versucht auch, etwas Zeit gut zu machen, verliert trotzdem nicht die Umgebung aus den Augen, schaut sich auch mal um und macht ein Foto. Und wer das alles auf einmal macht, fliegt auch schon mal auf die Schnauze. So wie ich. Weiß der Teufel, über was ich stolpere. Jedenfalls hebe ich ab wie ein Urlaubsflieger, lande aber nicht auf dem Fahrgestell sondern zuerst auf den Händen, setze dann mit den Knien auf und rolle wenig elegant über die rechte Schulter ab. Das kann nicht gut gegangen sein. Ich bleibe erst mal liegen.
Geht’s, kannst Du aufstehen“, fragt mich eine Läuferin. Können? Ich will nicht. Ich setze mich, schaue meine linke Hand an, an der ein paar Quadratzentimeter Haut fehlen und dann die rechte, an der ich zwei Finger nicht bewegen kann. Sonst geht es mir gut. Nach einer Weile traue ich mich sogar aufzustehen. Die Beine halten mich. Ich gehe, ich laufe. Super, ich bin noch einmal davon gekommen.
Die Kneipendichte nimmt zu, es riecht nach Öl und Fett und abgestandenem Bier. Manche Anfeuerung und mancher Kommentar kommt mir schwerer Zunge. Ist es der Restalkohol oder der Frühschoppen? Wo gehen die armen Schlucker hin, wenn, so ist ja der Plan, die Massenschänken verschwinden sollen?
Ich lasse mich beklatschen und, sofern man meine mittlerweile stärker blutende Wunden sieht, auch bemitleiden. Blöd ist, dass es anfängt zu regnen. Aber warum wird es dann auch immer zusätzlich windig? Bei der nächsten Getränkestelle steht ein Sanitätsfahrzeug. Ich denke, da kann ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Meine Wunden behandeln lassen und mich ins Trockene setzen. Ich strecke den Sanitätern meine blutigen Hände entgegen und fürchte, zumindest dem einen wird gleich schlecht. Was er mit den Knien machen soll, fragt er mich. Mit den Knien? Da hab ich doch außer Arthrose und einem kaputten Meniskus nichts. Von wegen. Auch die sind blutig aufgeschürft, ich habe es nur noch nicht bemerkt. Ja klar, macht das auch, wenn ich schon mal sitze.
Da fällt mir plötzlich der Joe ein. Der ist doch in Rom auch mal zu Sanitätern hin und die haben ihn dann nicht mehr losgelassen. Mir wird ganz heiß. Statt der leidenden Mine setze ich mein bestmögliches Lächeln auf und belasse es sogar bei der Jodbehandlung bei einem kurzen Zucken der Mundwinkel. Jetzt noch verpflastern und verbinden. Ich lobe ihre Behandlung in den höchsten Tönen und springe mit einem „Gracias“ von der Pritsche und aus dem Wagen. Ich drehe mich um, winke, sage noch einmal brav „Gracias“ und bin dann weg. Puh, das zweite Mal davongekommen heute.
10 Minuten später überlege ich mir, ob es nicht doch … Quatsch, ich hatte dieses Jahr schon so oft Regen, da macht mir das doch nichts mehr aus. Tapfer laufe ich weiter und kann viele Läufer überholen, die wegen meiner Verletzungspause jetzt vor mir liegen. Als langsamerer Läufer ist man heute ja doppelt bestraft. Man hat den Regen und muss alleine kämpfen. Zuschauer sind nämlich kaum noch da. Nur manchmal ruft jemand auch sicherer Entfernung und aus dem Trockenem etwas zu. Laut Programm sollte es hier Musiker und Tänzer geben. Entweder hat sie der Wind verweht oder der Regen weggespült. Keiner ist mehr da. Wer neben seiner Ausdauer auch seine mentale Stärke trainiert hat, ist jetzt im Vorteil.
Km 33, der Strand ist verwaist. Wo sich auch um diese Jahreszeit sonst noch die Urlauber sonnen, ist keine Menschenseele. Dann wird die Küste felsig. Bei der Disco Purobeach geht’s ein wenig abwärts und dann links in ein Naturschutzgebiet. Den schmalen Weg macht den Läufern heute niemand streitig. Sonst sind hier viele Radler und Spaziergänger unterwegs.
Die gute Laune der meist jugendlichen Helfer ist ansteckend. Vertreibt sie auch den Regen? Es lässt nach und 20 Minuten später hört es auf zu regnen. Nur der Wind bleibt uns erhalten. „Embat“ nennen ihn die Mallorquiner. Wir sind wieder direkt am Meer, verwaiste Promenaden, kleine Strände, Bootsplätze, ein paar Kneipen und noch 5 Kilometer.
Endlich der Passeo Maritima, keine zwei Kilometer mehr bis zum Ziel. Die Absprerrgitter sind nackt, die Werbebanner hat man wegen des Windes entfernt. Der Blick auf die Kathedrale ist auch bei trübem Himmel phantastisch. Ein paar Holländer, die mich wegen meines Shirts für einen Landsmann halten, feuern mich an, dann bin ich auf dem TUI-farbenen Teppich, der den 200 m langen Zieleinlauf auf dem Parc de la Mar markiert. Trotz des schlechten Wetters sind erstaunlich viele Zuschauer da, die die Marathonis lautstark feiern. Jeder wird namentlich begrüßt. Angesichts der prachtvollen Kulisse und tollen Atmosphäre sind augenblicklich alle Strapazen und Schmerzen vergessen und der Vorsatz gefasst, im nächsten wieder dabei zu sein. Termin: 16. Oktober 2011
Und jetzt der Hammer: Statt ins Hotel geh‘ ich auf’s Schiff. Auf „Mein Schiff“. So heißt das erste Kreuzfahrtschiff der TUI. Lest dazu meinen separaten Bericht.
Männer
1 Capo Soler, Miquel (ESP) Gardenhotels 02:29:23
2 Wolf, Alain (GER) Germania Vossenack 02:33:15
3 Sandersen, Daniel Skaaning (DEN) Løberen 02:33:41
Frauen
1 Oberem, Sonja (GER) rhein-marathon-düss... 02:47:29
2 Schönherr-Hölscher, Birgit (GER) 02:57:29
3 Dahl, Dorte (DEN) Løberen 02:58:41