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Laufberichte

Freundlich und nett ist mein geliebtes Plett

 
Autor: Joe Kelbel

Wie jedes Jahr gibt es einen Umweg ins Altenheim St Joseph. Für mich eines der fürsorglichsten Heime der Welt, denn einmal im Jahr wird man an die Ultrastrecke gekarrt. Da kann ich für 4251 Euro vom Einzelzimmer die nachfolgende Ultra-Generation bewundern, oder ich zahl 4217 Euro fürs Doppelzimmer und nehme Sigrid dazu. Die Pflegeversicherung übernimmt dann 1550 Euro. Ist Sigrid nicht mehr, dann entscheide ich mich für Pflegestufe eins und nehme mir drei der ehrenamtlichen Helferinnen, die hier stehen.

Einmal pro Woche macht man Badetag im Aqua Magis. Zunächst gibt es einen Übungskurs auf der Sauerlandrutsche, dann darf ich die restlichen 11 Rutschen verstopfen, eine davon ist 128 Meter lang. In der Saunawelt brauche ich keinen Übungskurs. Da sieht jeder, was an mir dran ist. Michael hat sich im Aqua Magis ein Blockhaus für das P-Weg Wochenende gemietet. Er würde gerne auch mal mit mir in Marocko laufen, hat aber keinen Reisepass. Seine Schwester wird heute den dritten Meisterschaftsplatz machen.

Mj Gerüstbau stellt Fassadengerüste her, beste Qualität weltweit, deswegen auch diese Brücke hier, die Läufer und Montainbiker locker aushält. Auch Novelis arbeitet mit Aluminium. Hell gleissende Schrottberge sagen, woher das Metall kommt, als sei hier Aerea 51 und gerade ein UFO abgestürzt.  Nun unterqueren wir die alte Fischbauchbrücke, die 1969 stillgelegte Eisenbahnbrücke der Strecke Plettenberg-Herscheid. Man hat jetzt hier einen Erlebnispark angelegt, Treppen führen hinauf zur urigen Brücke, könnte man ja auch in den P-Weg integrieren.

Von der Brücke in Ohle noch einen verrregneten Blick hinauf zur Keltensiedlung „Hühnenburg“. An der Brücke von Elhausen ist meine Lieblingsverpflegungsstelle: Wohlsortiert stehen Getränkekästen in der kühlen Lenne und harren ihres Schicksales. Die ersten Marathonläufer überholen mich, ich bin also genauso schnell, wie letztes Jahr.

Würden wir jetzt weiter die Lenne hinablaufen, dann kämen wir zur Schnapsbrücke. Der Gastwirt Otto Spelsberg baute diese direkte Verbindung zwischen Fabrik und seinem Gasthaus, ein Investment, was sich bezahlt machte. In Werdohl gibt es den Busenhof, ist natürlich das auffälligste Haus in dem Ort, aber  nicht so interessant, wie es sich anhört. Als Bussen bezeichnete man hier niedrige Hügel, die aus Lehm. Weiter geht es entlang der Lenne bis nach Hilfinghausen. Das Wasserkraftwerk wurde 1889 für die Eisenindustrie gebaut, wird jetzt von den Stadtwerken Mainz betrieben. Rechts ist die denkmalgeschütze Lennebrücke von 1920 mit der Holzfahrbahn.

Wir laufen an der Almecke  hinauf nach Pungelscheid. Hört sich auch lustig an, die Steigung ist es aber nicht. Lustig ist die Geschichte vom Baron Theodor von Neuhoff, dem Besitzer der Burg Pugelscheid. Er war 1736  für 7 Monate der erste und bislang einzige König von Korsika gewesen. Bei der Geschichte des Barons muss ich laut grinsen: Er war politischer Abenteurer, der zwischen England, Schweden, Frankreich, Italien und Spanien als „Aussenminister“ agierte, Intrigen schmiedete und rumvögelte, was das Zeug hielt. Gar nicht so übel für einen Sauerländer aus einer Gegend, die noch nicht mal eine Autobahnabfahrt hat. Leider hat man ihn wieder vertrieben aus Korsika, und bei der Rückeroberung verbrauchte er seine gesamte Kohle. Deswegen kam er nach London ins Schuldgefängnis. Die Burg wurde versteigert, vom Blitz getroffen und ruiniert. Ach, und 1966 wurde der Schulunterricht  eingestellt.

Mitten im Wald die „Gummibärendamen“. „ Komm, ich mache von euch ein Foto, wie jedes Jahr. Holt mal die Sektflasche!“  Für mich gibt es ordentliches Getränk, das hatte ich letztes Jahr bestellt. Hier ist es, und eiskalt.

Wieder ein Marathonläufer überholt mich: „ Viel Spass noch!“  Darauf fluche ich wie ein Rohrspatz: „ So ne Scheisse hier!“ Niemand flucht so schön, wie ich.  „ Joe, bist du´s?“  Hey, wie geil! Wie lange habe ich Bernd nicht gesehen. Er dreht sich um und wir tanzen im Kreis. Er und Paule machen morgen noch die 93 km mit dem MTB, na das wird bestimmt ne geile Schlammschlacht!

Die nächsten zwei, drei Verpflegungsstationen lasse ich aus, beim Wanderheim Wiehardt kralle ich mir ein Schmalzbrot und laufe hinab nach Hüinghausen. Hier gibt es die Museumseisenbahn und den Flugplatz von 1910 auf dem man erste Motorflugversuchen auf den Wiesen der Else ausführte. Der Originalmotor steht im Hangar des Flugplatzes. 1933 begann man mit Segelfliegern zu experimentieren, die wurden mit Gummiseilen abgeschossen.

Es gibt auch noch eine geheimnisvolle Welt hier. Der Bergbau hat eine Vielzahl unterirdischer Gänge hinterlassen. Der angebliche Fund eines Zuges in Niederschlesien in einem Tunnel erinnert mich an ein Foto, das ich einst sah: Die Dicke Bertha auf den Gleisen von mutmasslich Hüinghausen. Die Dicke Bertha war zwar die Tochter vom alten Krupp, gemeint war aber eine gewaltige Kanonengattung, die nach den Bedingungen des Versailler Vertrages nicht mehr existieren durfte. Eine der Riesenkanonen wurde übersehen und  kam bei der Belagerung von Sewastopol (Krim) 1942 zum Einsatz. Augenzeugen berichten, sie hätten die Dicke Bertha 1945 vor einem der Tunnel hier gesehen.

Die Firma Wilhelm Schröder Gmbh hat ihre Pforten für uns aufgeschlossen, damit wir das Fimengelände überqueren können. Sie stellen Metall-Kunstoff-Hybride her, für Autos, Haushaltsgeräte, Elektronikkomponenten usw. Wurden gerade für den großen Preis des Mittelstandes nominiert. So häßlich all die Fimenhallen in den Tälern sind, hier wird richtig und gut geschafft. In der Startertüte lagen Stellenangebote.

Wir schaffen uns nun den steilen Aufstieg hinauf Richtung Himmelmert. Hier fliesst die Oester. Ortschaften mit der Endungn „mert“ liegen an Stellen, wo Tal, Hang oder Berg eine breite Fläche bilden. Hier erwarb 1892 Franz Meyer eine Papiermühle, daraus wurde 1962 die Plettac AG.  Die bestand bis 2003 und hatte nur einen Aktionär, der mit dieser Firma viel Geld verloren hat. Beim Bau der Oestertalsperre gab es auch Konkurse, das war 1907. Heute wird das Wasser hauptsächlich von der Industrie Plettenbergs genutzt. Ziemlich viele Feuerwehrleute sichern die Strasse. Zuletzt hatte ich so viele auf einmal gesehen, als eine meiner Parties ausartete.

Es geht am Campingplatz vorbei. Die Talsperre ist ziemlich ausgetrocknet, am Ufer zahlreiche Tierspuren, fehlen nur noch die Elefanten. Für die Angler steht eigens ein Schild dort: Das Angelgebiet beginnt dieses Jahr 70 Meter tiefer. So wissen „Sportler“ jetzt, dass sie noch einen weiten Weg haben. Es geht ausnahmsweise wieder aufwärts, steil, ist ja klar. Ein Landwirt füttert seine Kuhfamilie mit Salz. Ich beobachte, wie die kleine Herde erst zögert, dann aber doch ganz vorsichtig angedackelt kommt. Süss!

Auf dem Weg unglaublich viele Geltüten. Auch einige vom letzten Jahr. Bitte, Leute, nicht! Dazu kommen noch seltsame Kaugummistreifen. Es sind die Chips, die an der Startnummer kleben und durch Regen und Reibung den Halt verlieren. Glücklicherweise sind zwei dran. Hier könnte man besseren Kleber verwenden, es sind zuviele „Kaugummis“ auf der Strecke. Es geht durch viel Schlamm. Nicht übel, nach diesem Sommer.

„DA ISSER!“ Es ist so geil, meine Freunde, die Gruppe der Brandoberbezirksregierungsmeister wiederzusehen. Immer am Löschen! Da mache ich jedes Jahr gerne mt! Spätestens hier sehe ich ein, dass ich heute nicht Deutscher Meister werde. Auch in den zahlreichen Windhausen-Siedlungen werde ich von den Feuerwehrleuten freudig empfangen: „DAS ISSER!“

Im Weiler Helfenstein werden sie geholfen, doch es schüttet wie Sau. Ich will nur weiter. Im Wald ein großes Leuchtfeuer für den Flughafen Dortmund. Man könnte das Ding auch für Landemert nutzen.  Landemert ist nämlich erst seit dem 27.08.2013, 17 Uhr mit dem Internet verbunden. Richtfunk macht es möglich, nun darf man mit 25 Mbit/s surfen. Ein Rentner hat gleich 570 kg Sassafrasöl aus Vietnam bestellt, das reicht für 1,5 Millionen Ecstasy Tabletten. Drei Tonnen Marihuana aus Ghana bekam er auch noch geliefert.

„Vorsicht! Eingeschränktes Lichtraumprofil!“ Ist ja klar! Es geht über die Grüne und hinauf zum Heiligenstuhl. Hier beim P-Weg gibt es immer einen Stuhl, keinen Stuhlgang. Es gibt auch Tabletts mit  gefüllten Gläschen. Ob jemand von uns zugreift? Es ist eine herzliche Geste der Helfer, die hier ein Wochenende lang sitzen. In der Flasche mit dem schmutzigen F-Wort ist kaum noch etwas drin, und die Damen auf der Bank kichern sich kaputt, versprechen mir, nächstes Jahr mitzulaufen. Passend zum Wetter gibt es Weihnachtsgebäck.

Es geht abwärts: „Vorsicht glatt!“ Watsch. Da liege ich. Stehe auf, weiter. Watsch da liege ich. „ Hey, mach mal Foto!“ Watsch da liege ich. Ich zähle meine Prellungen, es macht einfach Spass hier! Der Bärenberg ist durchlöchert von Silberminen. Eigentlich ist es verboten, dort noch zu graben, aber ich sehe in den alten Pingen und Gräben frische Stellen. Einst soll das Gestein 50 %  Kupfer und 40 Gramm Silber pro Tonne ergeben haben. Ich möchte gerne wissen, was es unterhalb des Kellers des Bärenberg Hofes zu sehen gibt.

Wir überqueren den Brachtweg. Ab jetzt wird es grausam, denn eigentlich sind es nur wenige Meter bis zum Ziel. Wir müssen aber eine gefühlte Ewigkeit weiterlaufen. Es ist eine nutzlose Quälerei, deswegen muss das so sein, deswegen heisst das Ding hier auch Deutsche Meisterschaft im Ultra Trail. Und weil ich heute nicht im Spitzenfeld laufen durfte, öffnet der Himmel alle Schleusen.

Ich habe mich heute mit 1500 Helfern  getroffen, habe gescherzt, fotografiert, gefeiert und gelacht, bisschen Laufen war auch dabei. Im Ziel kann ich mich unter das Stephansdach stellen, sieht aus wie eine Stahlkonstruktion, ist aber aus Holz und stammt aus dem Gebäude einer Metallfirma. Ich bin klatschnass, von oben bis unten eingesaut, aber glücklich, denn es war wieder eine Riesenparty!

Leider konnten die frisch gebackenen Deutschen Meister Martin Schedler und Pamela Veith diesen Lauf nicht so genießen, wie ich es heute tat. Auch Max Kirschbaum, Achim Zimmermann, Anja Karau und Angela Beckmann müssen noch viel lernen! Auf eines bin ich absolut gespannt: Martin Schedler trifft in 4 Wochen beim UTAT auf  Rachid Elmorabity! Oliver Binz wird berichten, denn ich bin beim Grande Trail Serra d´Arga, von Carlos Sá.                  

 

Siegerliste

 

Ultramarathon

Männer

1. Schedler, Martin LAZ Saarbrücken 5:47:33    
2. Kirschbaum, Max LG Ohmbachsee 5:51:45    
3. Zimmermann, Achim  F.C. Ebershausen 5:56:11

Frauen

1. Veith, Pamela  TSV Kusterdingen 6:55:38  
2. Karau, Anja  LAV Stadtwerke Tübingen 6:59:17  
3. Beckmann, Angela TVE Weiher 7:12:09  

 

Marathon

Männer

1. Maul, Christian Ejot Team TV Buschhütten 3:09:30
2. Schneider, Peter  SPORT SCHNEIDER ULTRA TEAM 3:19:31
3. Zbocna, Maximilian  TV Attendorn TRI-TIME 3:23:20

Frauen

1. Felt, Silvia  Team Erdinger Alkoholfrei 3:28:02  
2. Quincke, Anja  Marathon-Club Menden 3:37:58
3. Otto, Carmen  SPORT SCHNEIDER ULTRA TEAM 3:40:32

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Informationen: P-Weg Marathon
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