So sieht Plettenberger Mathematik aus. Klingt ziemlich kompliziert, ist aber extrem einfach zu verstehen und extrem schwer zu laufen. Doch nun zu den einzelnen Faktoren dieser Gleichung:
Erstmals 2004 wurde das P-Weg-Marathonwochenende in Plettenberg durchgeführt. Unter dem Motto "Plettenberger für Plettenberg" wurde eine komplett ehrenamtlich organisierte Sport-Großveranstaltung ins Leben gerufen, die durch ihre Kombination "Wandern-Laufen-Biken" überregional einen einzigartigen Charakter aufweist. Der Samstag des Veranstaltungswochenendes ist den "Fußgängern" vorbehalten, also Wanderern, Walkern und Läufern, die auf 21 km, 42 km und 68 km (= erster Teil der Gleichung) ihre Kräfte messen können. Der Sonntag ist für die Biker reserviert, für die eine 42 km und 88 km lange Strecke zur Verfügung steht.
Die Marathon- und Ultramarathondistanzen folgen in weiten Teilen dem P-Weg, einem Rundweg mit der Kennzeichnung „P“, der die Stadt Plettenberg einmal umrundet und dabei sowohl die vier Täler als auch die zugehörigen Berge beinhaltet. Allen Strecken gemein ist, dass kein Meter doppelt gelaufen oder gefahren wird. Start und Ziel liegen einige hundert Meter auseinander in der Innenstadt von Plettenberg. Einmalig ist sicher der Zieleinlauf, bei dem jeder Teilnehmer auf einer Bühne vom Plettenberger Publikum gefeiert wird.
An beiden Veranstaltungstagen ist die Teilnehmerzahl auf 1.000 Starter (= zweiter Teil der Gleichung) beschränkt. Aufgrund der ungebrochenen Popularität des Marathon-Wochenendes sind beide Tage schon Wochen vor dem Event ausgebucht. Gut, dass ich frühzeitig angemeldet war. Spätentschlossene müssen mit der Warteliste vorlieb nehmen und hoffen. Bei den Bikern waren die 1.000 Startplätze bereits innerhalb weniger Stunden vergeben.
Für mich war dies nun bereits die vierte Teilnahme am 68er, sodass ich wusste worauf ich mich einlasse. Das ist im Wesentlichen eine tolle Landschaft, eine super organisierte Veranstaltung und 1937 HM (= dritter Teil der Gleichung), was diesen Lauf zu einem puren Erlebnis macht. Somit wäre auch die Gleichung gelöst.
Start und Ziel ist in Plettenberg, das im Westen des Sauerlands im Märkischen Kreis zwischen dem Lennegebirge im Norden und dem Ebbegebirge im Süden liegt. Die Stadt liegt an der Einmündung der Else in die Lenne und wird von Grüne- und Oesterbach durchflossen. Deshalb wurde ihr der Name „Vier-Täler-Stadt“ gegeben.
Mit hoher Sicherheit war der Kern des heutigen Stadtgebietes schon in vorkarolingischer Zeit von sächsischen Stämmen besiedelt. Plettenberg wurde 1072 erstmals in einer Urkunde des Klosters Grafschaft mit dem Namen „Heslipho“ erwähnt. 1368 wird Plettenberg an den Herzog von Kleve verkauft. 1397 wurden der Siedlung die Stadtrechte von Graf Dietrich von der Mark verliehen. Gleichzeitig erhielt der Ort ein Stadtgericht und es wurde eine Schutzmauer um den Ort errichtet. Schon zehn Jahre zuvor hatte Plettenberg einen Freiheitsbrief von Graf Engelbert III. von der Mark erhalten. Vom dieser wechselvollen Geschichte ist heute leider nur noch wenig erhalten. Im Zentrum findet sich ein kleiner historischer Kern rund um die Christuskirche aus dem 13. Jahrhundert, sowie im Stadtteil Ohle die alte Dorfkirche. Nur noch als Ruine erhalten ist die Burg Schwarzenberg.
Während der Industrialisierung entwickelten sich in den Tallagen an den Flüssen erste metallverarbeitende Betriebe die mit Wasserkraft das heimische Erz weiterverarbeiteten. Durch die Errichtung der Ruhr-Sieg-Eisenbahn ab 1860 profitierte vor allem die Schwerindustrie, von der bis heute weite Teile der Bevölkerung leben. Ähnlich wie bei meinem Röntgenlauf werden wir auch hier an der Strecke Zeugen dieses Erbes sehen.
Der P-Weg folgt im Großen und Ganzen dem spätmittelalterlichen Grenzweg der Stadt, die auf eine Gründung durch Karl den Großen zurückzuführen ist. Der Weg passiert drei Kreise und verläuft durch die bereits genannten vier Flusstäler.
Diesmal war ich bereits am Freitag Abend angereist, sodass ich mir das turbulente Treiben in der Altstadt mit den Bike Rennen für die Kinder anschauen konnten und schon mal in Ruhe die Startunterlagen abholen konnten. Die Schützenhalle wodas geschieht hat eien großen Parkplatz und liegt nur 100m vom Start entfernt.
Als Teilnehmer des Ultras darf man als erstes Starten und hat damit auch die besten Parkplätze sicher. 7:30 Uhr – es ist soweit rund 100 Starter haben sich bei 7 Grad Außentemperatur versammelt, um die 68 km unter die Füße zu nehmen. Apropos Füße: Hier wird ein Chipverfahren verwendet, bei dem man sich zwei Schlaufen an den Schuhen befestigen muss, die mit der Startnummer ausgegeben werden, sieht etwas gewöhnungsbedürftig aus und da ich Gamasche trage, musste ich ein paar Sicherheitsnadeln zu Hilfe nehmen, um diese Schlaufen sicher zu befestigen.
Die Marathonläufer und HM-Läufer starten erst später und trotzdem werde ich auch aus dieser Gruppe einige auf der Strecke sehen, wenn die mich meist kurz vor der Streckenteilung einholen.
Nur wenige 100 Meter geht es eben, dann liegt schon die erste harte Steigung mit 170 HM vor uns. Jedes Mal wenn ich hier laufe wundere ich mich über das eigenartige Gipfelkreuz, das hier immer stand: eine riesige lila Kuh unter der das Läuferfeld hindurch läuft. Doch diesmal war die Enttäuschung groß, keine Kuh, sondern ein weisser Zielbogen mit einem Bärchen daneben. Naja, wer es nicht anders kennt war auch nicht enttäuscht.
Danach geht’s dann wieder genauso viele Höhenmeter hinunter. Am Talgrund der Lenne angekommen passieren wir in den kleinen Ort Pasel. Links oberhalb von uns liegt die Schwarzenburg. Sie bestand zunächst nur aus einem Bergfried mit einer Seitenlänge von etwa 13 Metern und bildete zusammen mit dem Brunnen und dem Grafenhaus die erste Ausbaustufe. Weiter folgten der Ausbau des Roisthauses, Schmiede, Backhaus und der Burgkapelle. Vermutlich im letzten Bauabschnitt im 15. Jahrhundert erfolgte die Ummauerung der Kernburg, so dass der äußere Burghof mit der Gartenanlage entstand. Der Burgbrunnen, welcher zwischen 1981 und 1985 von der Plettenberger Schützengesellschaft freigelegt wurde, hat eine Tiefe von 26 Metern. Heute noch erkennbar ist die an der Ostseite des ehemaligen Backhauses sichtbare Außentoilette. Grundmauern des Drostenhauses, eines runden Aufstieges und des Kurfürstenhauses sind ebenso erhalten wie des Backhauses und Teile des Bergfriedes mit dem vorgenannten Brunnen.
Doch genug von den durch Menschen gemachten Sehenwürdigkeiten, hin zu den nätürlichen Sehenswürdigkeiten, denn es geht wieder bergan; diesmal mehr als 300 Höhenmeter. Oben angekommen ist bei km 10 der zweite VP erreicht. Wie immer wenn ich hier laufe, bin ich am Ende (bitte nicht wörtlich nehmen, ich meine am Ende des Läuferfeldes. 100 vor mir, keine Mann mehr hinter mir, Sigrid aus Den Haag, mit der ich mich gut unterhalten hatte, war etwas zurückgefallen. Aber wer sich bis hierhin schon zu sehr verausgabt hat wird dafür später büßen!)
Bis km 16 bleibt die Strecke etwas eben und man kann endlich mal „richtig“ laufen. Dann geht es zwei Kilometer bergab wieder ins Lennetal. Sehr schönes Tal. 7 Kilometer lang laufen wir mehr oder weniger am Flussufer entlang. Mittlerweile knallt die Sonne gnadenlos auf uns hernieder und die Temperaturen klettern bis auf 26 Grad. Es gibt aber kurze interessante Schleifen. In einer laufen wir über das Gelände eines Altersheimes. Dann wieder auf dem Uferweg, es geht über zahllose Brücken, immer die Seite wechselnd.
Bei km 25 ist das leichte, ebene Laufen leider vorbei und es geht 7 km lang und 400 HM bergan.
Die Verpflegung an den Ständen ist hier wirklich super, es gibt Alles was man sich bei einem langen Lauf wünscht. Frischer Kuchen und Schmalzbrote mit Salz, Bier, Wasser, Tee …….
An dieser langen Steigung überholen mich jetzt immer mehr Marathonläufer. Oben angekommen, biegen die aber ab und nehmen die Abkürzung (noch ein kurzer knackiger Anstieg und dann 10 km leichtes Gefälle bis ins Ziel) zurück nach Plettenberg. Wir laufen rechts weiter, vorbei am SGV-Heim „Auf der Wiehardt“ und über 200 HM hinab ins Elsetal.
Hier wird die liebliche Else überquert, Firmengelände der Firma Schroeder, Stanz- und Spritzguttechnik für Teile für Autos, Fahrräder und so. Hier folgt eine hartes Trailstück bis ins nächsteTal, das der Oeser. Kurzes Stück auf der L 696, sehr gut abgesichert, sogar mit Heuballen und Bremsbaken (für die Autofahrer natürlich), an der Ebbemühle vorbei, um die Oesertalsperre herum. Sie besitzt eine Gewichtsstaumauer aus Bruchstein mit einer Mauerhöhe von 36 Metern bei einer Kronenbreite von 4,5 Metern und einer Kronenlänge von 231 Metern. Beim Stauziel beträgt das Fassungsvermögen 3,1 Millionen m³ und die Oberfläche 24,5 Hektar. Die Talsperre wurde in den Jahren 1904–1906 nach Plänen des Aachener Professors Otto Intze errichtet. Der Grund für den Bau der Talsperre war die Regulierung des Oesterbachs, da dieser eine, für die wirtschaftliche Entwicklung in der Region, wichtige Rolle spielte. Bei großer Trockenheit kamen die am Oesterbach gelegenen und mittels Wasserkraft betriebenen Fabriken oft in arge Verlegenheit, wenn im Herbst oder Frühjahr große Wassermassen zu Tal stürzten, bangten die Fabrikbesitzer um ihre Anlagen.
Hier überhole ich die ersten Läufer der Ultrastrecke, und meine anfängliche Zurückhaltung zahlt sich aus.
Wir verlassen die Talsperre, und damit den ebenen Weg und es geht hinauf ins Ebbegebirge und sehen kurze Zeit später die Nordhelle mit 663m der höchste Berg des Ebbegebirges. Im Gipfelbereich der Nordhelle stehen der 130 m hohe WDR-Sendeturm Nordhelle (deshalb kam mir der Name auch so bekannt vor) und ein Fernmeldeturm der Bundeswehr, der als Stahlbetonturm ausgeführt ist und für den Mobilfunk genutzt wird.
Nach einem kurzen Stück über den Kamm folgt der Abstieg auf der anderen Seite. Abwärts über einen steinigen Trail kommen wir nach Windhausen. Der zweite Teil der Strecke ist übrigens teilweise richtig trailig und nicht mit dem ersten zu vergleichen, also Zurückhaltung tut gut.
Eigentlich eine relativ wunderschöne, einsame, ebene Strecke führt uns bei den „Vier Kreuzen“ vorbei.
Jetzt geht es auf die letzte Steigung zum Bärenberg, mit 622 HM die höchste Erhebung der Laufstrecke. Auf dem Weg nach oben hatten wir zwei Walker vom Skiclub Oestertal (also echte Lokalmatadoren) noch die zu erwartenden tollen Ausblicke schmackhaft erläutert und auch das restliche Streckenprofil noch mal gut erläutert, hier nochmals Dank dafür.
15 km geht es mehr oder weniger immer wieder leicht bergan und bergab. Immer wieder kann man rechts in der Ferne liegend den Biggesee deutlich erkennen. Das Wetter ist „sichttechnisch wirklich super“. So geht es idyllisch weiter bis zu km 59, wo dann der 8 km lange Abstieg nach Plettenberg folgt. Zwischendurch herrliche Ausblicke auf Plettenberg und das Sauerland. Der letzte Kilometer ist flach. Endlich echtes Publikum, frenetischer Beifall und als krönender Abschluss die wohl einmalige Zieleinlaufbrücke. Geschafft.
Gleichung ist aufgelöst: Erlebnis pur. Ich komme wieder.
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