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Laufberichte

Nur 90 Sekunden bis zum Start

12.09.10

Auf dem langen, geraden Deichabschnitt zwischen ca. km 6 und 9, der an den Salzwiesen vorbeiführt, vernehme ich über eine lange Zeit Schritte unmittelbar hinter mir. Noch während ich mir überlege, ob mir das auf die Dauer auf den Geist geht, schließt der Läufer auf. Der waschechte Ostfriese Hartmut mit ortstypisch rollendem „r“ entpuppt sich schnell als nette Laufbegleitung und gemeinsam quatschend bleiben wir zunächst zusammen. Er hat bei seinen insgesamt acht bisherigen Marathons hier eine 4:00 und 4:03 stehen und will endlich die 4 Stunden knacken. Wir laufen in Richtung 3:45 und ich befürchte, daß er zu schnell ist. Er aber läßt sich nicht beirren und hält das Tempo vergleichsweise hoch.

Bei km 9 ist die zweite von 5 Verpflegungsstellen, die mit Wasser, Iso, später Cola, Äpfeln und Bananen absolut ausreichend bestückt sind. Sehr nette freiwillige Helfer (v.a. –innen!) machen jeden kurzen Stop zu einem Ereignis. Auf dem Rückweg kommen wir zunächst recht nahe am Norderneyer Wahrzeichen, dem Leuchtturm, vorbei. An dessen Südseite liegt der kleine Inselflughafen, wo wir im Vorbeilaufen einige Starts bzw. Landungen erleben können.

Immer wieder lese ich auf dem Pflaster die Anfeuerung für „Papa“. Das ist eine prima Idee, denn damit können sich wohl die meisten Männer identifizieren und so für sich beanspruchen. Daneben laden ein Planetenlehr- sowie ein Naturkundepfad unterwegs zur Weiterbildung ein.

Den zweiten Streckenabschnitt empfinde ich als (noch) attraktiver. Es wechseln sich Bebauung und kleine Naturwege, teilweise unter Bäumen, ab, bevor es auf den für mich schönsten Abschnitt geht: durch die Dünen. Schmale, gewundene Pfade, immer mit ein paar Höhenmetern gespickt, führen durch eine einmalige Landschaft, die man auf dem Festland so wohl nicht erleben kann. Das ist wirklich etwas fürs Auge. Straßenüberquerungen werden dankenswerterweise allerorten von der Reservistenkameradschaft gesichert.

Beim 14. Km sind wir wieder in der Stadt, d.h. laufen zwischen wohl überwiegend Ferienhäusern und dem Deich entlang. Eingangs hat der ausrichtende TuS Norderney einen Strandkorb aufgestellt und Opa Hein läutet eine kleine Schiffsglocke. Ein Schaulaufen gibt es dann ab km 18 auf der Strandpromenade, wo nicht mit Beifall gegeizt wird. Hartmuts bessere Hälfte Sonja („Hallo, Schatz!“) knipst uns eingangs. Ein alter Mann auf Krücken hat die Hände nicht frei und „klatscht“ mit seinen Gehhilfen. Klar, daß er sofort abgelichtet wird. Spaziergänger, Surfer, Strandkörbe - Inselidylle pur bei allerdings steigerungsfähigem Wetter. Anstrengend empfinde ich das Laufen auf der schiefen Promenade, mein linkes Bein müßte zum Ausgleich ein paar Zentimeter kürzer sein.

Der 21. km führt dann wieder in die Innenstadt und auch bald zum Veranstaltungsgelände. Hartmut und ich werden namentlich begrüßt, durchqueren erstmals den Zielbogen, das Jubelvolk ehrt uns und schon sind wir auf der zweiten Runde. Hartmut ist verflixt schnell und nicht zum ersten Mal weise ich ihn auf km-Zeiten von wenig über 5 min. hin. Nach etwa weiteren 10 min. lasse ihn dann langsam ziehen. An der gleichen Stelle wie auf der ersten Runde reduziere ich nochmals mein Gewicht ein wenig und danach ist er weit voraus. So wirklich zieht er aber nicht davon und bleibt in meinem Blickwinkel.

Mitten auf dem Deichweg der Hinrunde beginnt der Motor bei der Umstellung auf überwiegende Fettverbrennung zu stottern. Nicht wirklich überraschend. 10 Wochen keinen Marathon gelaufen (wie habe ich das eigentlich ausgehalten?), die Trainingsumfänge stimmten zwar, aber mehr als einen 30er als Alibi hat es allergiebedingt (gegen lange Läufe ohne Startnummer) nicht gegeben. Ein wenig später eingenommenes Gel entfaltet jedoch offensichtlich die gewünschte Wirkung.

Inzwischen wird es ganz einsam. Vor mir passiert nichts Kriegsentscheidendes, hinter mir auch nicht, zumindest läuft niemand auf mich auf. Und so spule ich km für km ab. Und komme tatsächlich so gegen Anfang der 30er km Hartmut wieder näher. Aha, anfangs zu ehrgeizig gewesen, wußte ich’s doch. Vor ihm läuft ein weiterer Kamerad, beide überhole ich gleichzeitig. „Ah, Du bist wieder da!“ „Gehirn ausschalten und dranhängen!“. Das aber klappt nicht so, wie gewollt. Bei mir geht es wieder gut und so starte ich erneut, diesmal einsam, in die Dünen.

Wettermäßig war es bisher prima gewesen, aber nach 35 km öffnen sich schlagartig die Schleusen des Himmels. Innerhalb weniger Minuten steht das Wasser teilweise knöcheltief bzw. –hoch auf den Wegen. An den ohnehin schon müden Beinen hängen plötzlich keine Lightweight-Trainer mehr, sondern kiloschwerer Ballast. Ruckzuck ist kein Mensch mehr auf den Wegen und Straßen; wer kann, der flüchtet. Trotz der Anstrengung ist es irgendwie schon witzig. Am Ende werde ich blitzsaubere Schuhe haben, das gab’s auch noch nie.

Einigen Mitstreitern schlägt das wohl auf das Gemüt, jedenfalls kann ich noch ein paar einsammeln und so etwas motiviert ja. Nach gut 3:46 Std. bin ich dann im Ziel und bei guter Verpflegung mit Elke und Hartmuts Sonja schnell im Gespräch. Wo denn der Hartmut sei? Bis wir das geklärt haben, ist auch er wenige Minuten später da, hatte sich gefangen und seine bisherige Bestzeit um fast 10 Minuten unterboten. Prima!

Im Badehaus kann man hervorragend warm und gepflegt duschen, da kehren die Lebensgeister doch direkt wieder. Ein vorsichtiger Blick in die schnell verfügbare vorläufige Teil-Ergebnisliste zeigt: der Herr Bernath ist Zweiter der AK M 50/55 geworden, ja Wahnsinn! Bei stolzen 39 Männern im Ziel... Nach meinem internationalen Durchbruch mit einem dritten AK-Platz während des Urlaubs beim „legendären“ Innsbrucker 6,8 km-Lauf rund um den Hofgarten (62 Teilnehmer(innen)) ist das bereits der zweite Treppchen- bzw. Stockerlplatz in kurzer Zeit. Jetzt fehlt mir nur noch ein Veranstalter, der pro AK nur einen Teilnehmer laufen läßt und dann klappt das auch noch mit einem AK-Sieg!

In Anbetracht der bevorstehenden sechsstündigen Rückfahrt lasse ich (zugegeben schweren Herzens) die Siegerehrung sausen, nehme die nächste Fähre, die wir so gerade noch bekommen, und verlasse diese gut organisierte Veranstaltung.

Zwei Dinge gibt es zu verbessern: Die Unterkunftsproblematik hatte ich eingangs geschildert. Das ist schade, aber man muß wissen, was man will, vor allem bei der Inselverwaltung. Das zweite ist die Startzeit, diese sollte um eine halbe Stunde auf 10.30 Uhr verlegt werden. Das Problem hierbei ist die 8.45 Uhr-Fähre. Daß entgegen dem Fahrplan auch sonntags um 7.30 doch noch eine fuhr wußte nur der, der die örtliche Zeitung gelesen hatte. Im Netz stand nichts.

Das aber schmälert in keiner Weise den guten Gesamteindruck, den ich von dieser Veranstaltung mitnehme. Wenn die Übernachtungsfrage positiv im Sinne der Läufer entschieden werden kann, steht einem deutlichen Teilnehmerzuwachs nichts im Wege.

Streckenbeschreibung:
Durchaus abwechslungsreicher und attraktiver 21,1 km-Rundkurs mit einigen (wenigen) überraschenden Höhenmetern.
 
Rahmenprogramm:
Ausgabe der Startunterlagen auf der Wiese am Kurplatz am Vortag von 16-18 Uhr, am Lauftag ab 8.30 Uhr. Verkaufsstand eines Sponsors.
 
Weitere Veranstaltungen:
Staffelmarathon. Halbmarathon, 12 km-Lauf, 21,1 km Walking, Kinderlauf.
 
Auszeichnung:
Schönes Funktionshemd, Medaille, Urkunde über das Netz. Vergünstigter Eintritt in das Badehaus und vergünstigte Fahrkarte für die Fähre.

Logistik:
Kürzeste Wege am Kurplatz.
 
Verpflegung:
5 Verpflegungsstellen mit Wasser, Iso, später Cola, Äpfeln und Bananen – und lecker Mädchen!
 
Zuschauer:
Gute Stimmung am Start/Ziel, vereinzelter Beifall unterwegs.

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Informationen: Norderney Marathon
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