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Laufberichte

Pustertaler Sprinzen und Hochlandrinder

 

Bereits Anfang des Jahres wurde ich auf den Montafon-Arlberg-Marathon in Österreich aufmerksam. Auf meiner liebsten Marathonseite fand ich viele schöne Fotos und Berichte von den vergangenen Jahren, die einfach Lust auf mehr machten.

Dieses Jahr ist eine Streckenänderung auf den letzten Kilometern geplant, die mehr Trails und zusätzliche Höhenmeter verspricht. Rund 1.600 hm sind es jetzt auf der Marathonstrecke. Im Angebot sind auch kürzere Distanzen, so zum Beispiel ein Trail über 33 Kilometer, die man laufender oder walkender Weise hinter sich bringen kann. Bei einem Panorama-Trail über 16 Kilometer können Einsteiger erste Trail- bzw. Berglaufluft schnuppern und auch die Kinder werden mit einem eigenen Lauf bedacht. Klar, dass ich mich für die Königsdisziplin entscheide. Zusammen mit Bernie bin ich für den Marathon gemeldet.

Bernie und ich machen uns also am Freitagnachmittag auf den Weg nach St. Anton am Arlberg. Auf dem Weg nach Österreich überlegen wir uns, ob wir an der „Sura Kees“-Party im Feuerwehrhaus der Gemeinde Silbertal teilnehmen sollen. „Sura Kees“ ist eine bereits seit dem 12. Jahrhundert im Vorarlberger Montafon bekannte Spezialität, zubereitet aus einem Sauerkäse, der nur noch auf wenigen Sennalpen hergestellt wird.

Wir verzichten notgedrungen und mit großem Bedauern, aber Silbertal und St. Anton am Arlberg liegen gut eine Autofahrstunde auseinander..

Am nächsten Morgen stärken wir uns mit einem Frühstück im Hotel und machen uns mit dem kostenlosen Shuttlebus auf den Weg zum Startplatz im Silbertal. Dort ist im Feuerwehrhaus die Startnummernausgabe. Wir haben genügend Zeit, um uns auf den Start vorzubereiten und uns mit einigen Bekannten zu unterhalten. Als rund eine halbe Stunde vor dem Start leichter Nieselregen einsetzt, verspricht uns der Veranstalter, dass es während des Laufes überwiegend trocken bleiben würde und auch nicht mit starkem Regen zu rechnen ist. Was dann auch genauso eintrifft.

Die Walker sind bereits seit einer Stunde unterwegs, als pünktlich um neun Uhr der Startschuss, abgegeben vom Bürgermeister von Silbertal, Thomas Zudrell abgegeben wird.

Die ersten beiden Kilometer verlaufen flach auf der Teerstraße durch Silbertal, vorbei an der Silbertaler Pfarrkirche, über den Litzbach und in einer Schleife wieder zurück. Die Muskeln sind warm, der Körper aufs Laufen eingestellt. So biegen wir nach rechts ab und verabschieden uns für die nächsten 38 Kilometer von allen Teerstraßen. Auf einem breiten Waldweg geht es nun leicht, aber doch stetig bergauf. Den höchsten Punkt werden wir nach 21 Kilometer erreicht haben.

Nach acht gelaufenen Kilometern erreichen wir eine Verpflegungsstation am Fellimännle, einem Alpengasthaus, wo ich jedoch nur kurz stoppe und mich am reichhaltigen Buffet bediene. Vor allem bei den Manner-Waffeln lange ich ordentlich zu. Ich denke, dass ich während des Laufs bestimmt zwei Tafeln der bekannten Österreichischen Nascherei verdrücke.

Im Wald geht es immer weiter nach oben und es formieren sich auch erste Grüppchen, die wohl einen Großteil des Laufes zusammen bleiben wollen. Ich befinde mich in Gesellschaft einiger Kandidaten für das Ergebnislistenende und komme immer wieder ins Gespräch. Luft haben wir genügend, da die Anstiege auf der ersten Hälfte wirklich moderat sind und größtenteils auch in unserer Preisklase gelaufen werden können.

Vorbei an rauschenden Waldbächen und kleineren Rinnsalen haben wir das Waldstück bald hinter uns gebracht. An der Alpe Gafluna wartet die nächste Verpflegungsstation und ich fülle meinen Manner- und Iso-Haushalt wieder auf. Nun führen uns die meist breiten Waldwege durch das „Hintere Silbertal“, vorbei am Drehort des berühmten Filmes „Schlafes Bruder“ und endlich sehe ich auch die erste Kuhherde. In meiner Freizeit beschäftige ich mich neben dem Laufen mit dem Fotografieren von Kühen. Ich bin von diesen sanften Tieren echt begeistert.

Die erste Herde besteht überwiegend aus „Braunvieh“, das vielen auch aus den Allgäuer Bergen bekannt sein dürfte. Weil sie viel Milch geben und sehr alt werden,  sind sie in Europa sehr verbreitet. Die Herde hält sich etwas weiter entfernt in einer saftigen Wiese auf und widmet sich dem Frühstück.

Ein Blick auf meine Laufuhr verrät, dass wir bereits auf 1600 m angekommen sind. Das heißt, bald ist Halbzeit mit dem höchsten Punkt der Strecke. Dieser Streckenabschnitt ist für mich der Höhepunkt des Montafon-Arlberg-Marthons. Was uns hier landschaftlich erwartet, ist ein Traum und Trailspaß pur. Saftige grüne Wiesen, dazwischen wunderbar gelegene Seen und im Hintergrund hochaufragende Berge mit Restschneefeldern. Postkartenidylle.

Aber über Steine, durch Matsch und Geröll ist Laufen manchmal unmöglich. Ich balanciere und versuche nicht abzurutschen und im Matsch zu versinken. So ganz gelingt mir das nicht. Beim nächsten Rinnsal, das den Weg kreuzt, brauche ich mir über nasse Füße jedoch keine Sorgen mehr zu machen. Also voll durch  und schon sind die Schuhe wieder sauber. Ich beobachte die anderen Läufer, die sich nicht viel anders als ich bewegen. Einige nehmen auch immer wieder Umwege in Kauf, da Kühe den Weg versperren. Mir macht der Kontakt mit meinen Freunden nichts aus, im Gegenteil. Manchmal verscheuche ich die Wegsperre mit freundlichen Worten, manchmal gibt`s einfach einen Klaps auf den Allerwertesten und schon geht`s weiter.

Auch hier auf beinahe 1.900 Metern findet das Braunvieh noch genügend Fressbares. Vereinzelt mischen sich nun auch Hochlandrinder unter das Braunvieh. Die in Österreich gezüchteten Hochlandrinder stammen vom schottischen Hochlandrind ab. Sie wachsen äußerst langsam und sind im Vergleich zu anderen Rinderrassen klein. Kühe werden nur bis zu 120 Zentimeter groß. Stiere werden kaum 15 Zentimeter größer. Besonders auffällig sind dagegen die langen, geschwungenen Hörner der Hochlandrinder. Eine Spannweite bis zu 140 Zentimeter ist hier keine Seltenheit. Trotz ihrer imposanten Erscheinung sind die Tiere sehr sanftmütig und stellen keinerlei Gefahr für uns Läufer das. Zudem sind sie sehr robust und können auch im Winter auf der Weide bleiben.

Wir befinden uns also im Silbertaler Winterjöchle, der landschaftlich wohl schönsten Möglichkeit, die Landesgrenze zwischen Vorarlberg und Tirol zu passieren. Das wurde zumindest auf der Internetseite des Veranstalters versprochen und ich kann mir nicht vorstellen, dass dies nicht der Wahrheit entspricht. Obwohl dunkle und tiefhängende Wolken, das Bild etwas trüben, kann ich mir in diesem Moment keinen schöneren Ort vorstellen. Ich finde es fast schade, als ich kurz vor der Landesgrenze über Holzdielen ein Moor überquere, Tirol erreiche und dieser herrliche Streckenabschnitt hinter mir liegt. Aber was nun folgt,  ist auch nicht von schlechten Eltern.

Kurz nachdem wir den Bretterparcours  hinter uns gelassen haben kommen wir auf ein Trailstück, das gleich wieder richtig Spaß macht. Auf, ab, links, rechts, so schlängeln wir uns die nächsten paar hundert Meter weiter. Das macht richtig Spaß und ich lasse es fliegen, obwohl ich mir noch denke, dass es vielleicht unvernünftig sein könnte, es liegen ja noch beinahe zwanzig Kilometer vor mir. Aber es istr mir egal, zu schön ist es hier.

Auf einen breiten Waldweg lasse ich es schließlich gemütlich bergab rollen. Die Landschaft gefällt mir nach wie vor und ich genieße die Ruhe. Ein paar Mitläufer sehe ich vor mir, ein paar weiß ich hinter mir. Meine Gesprächspartner sind wieder eher die Kühe, die nun vermehrt auftreten. Teilweise passieren wir auch Gatter, die durch Helfer im Auge behalten werden, oder auch selbst geöffnet oder geschlossen werden müssen.

Braunvieh, Fleckvieh und Hochlandrinder flankierten die Strecke. Wenn ich nicht gerade einen guten Lauf hatte, einen „Lauf-Flow“, wie es Neudeutsch heißt, dann gäbe es auch mal ein paar Streicheleinheiten. Als ich um eine Ecke biege, traue ich meinen Augen nicht: Pustertaler Sprinzen!! Was für manche klingt wie eine Alpenländische Leckerei, ist in Wahrheit  für den Rindvieh-Fan eine Rarität.  Pustertaler Sprinzen oder Pustertaler Flecken unterliegen einem Arterhaltungsprogramm, da die Rasse aktuell auf nur rund 400 Rinder geschrumpft ist. Sie gelten als Österreichs schönste Rasse und diesen Eindruck kann ich nur bestätigen. Besonders schöne Tiere zeigen viel weiß und kontrastreich abgesetzte Sprinzen, also Flecken. Der Weißanteil der vor mir stehenden Tiere ist ziemlich hoch, das schwarz dezent. Wunderschöne Tiere. Vielleicht komme ich ja mal wieder. Aber dann mir meiner Fotoausrüstung und mehr Zeit.

Schon bald kann ich durch die Bäume St. Anton am Arlberg erkennen. Das Ziel ist nahe. Fast habe ich vergessen, dass noch ein ordentliches Stück Arbeit vor uns liegt. Nachdem ich mich geistig schon darauf eingestellt habe, dass es nur noch bergab geht und ich von nun an entspannt ins Ziel laufen kann, werde ich jäh gebremst. Ein Anstieg liegt vor mir, der nicht zu enden scheint. Stimmt, die Veranstalter haben ja die Stecke geändert. Doch kurz bevor meine Oberschenkel streiken, bin ich oben und kann mich an einer der letzten Versorgungsstationen laben. War`s das mit den Aufstiegen, frage ich den Chefkellner, der mir einen Becher Cola reicht. Der lächelt wissend und meint, dass ich mich überraschen lassen soll. Nachdem ich einen weiteren Gebirgsbach dank einer Holzbrücke überquere, geht es wieder schön bergab und ich kann es auf einer leicht trailigen Stecke wieder laufen lassen.

St. Anton kommt immer näher, bald ist es geschafft. Doch gleich werde ich erneut jäh eingebremst. Schon wieder ein Anstieg. Der Puls ist am Anschlag und ich habe tatsächlich zu kämpfen bis ich oben bin. Dafür kommt nun der versprochene Abstieg Richtung St. Anton. Anderthalb Kilometer Trailspaß pur. Schmale Pfade winden sich serpentinenartig durch den Wald und lassen jeden Schmerz vergessen. Manchmal muss ich mal eine Gehpause einlegen, die Oberschenkel rebellieren gegen das  Abwärtslaufen. Trotzdem, viel zu schnell bin ich unten und habe nur noch zwei Kilometer vor mir. Die letzte Verpflegungsstelle am Ortseingang von St. Anton lasse ich mit den Worten: „Danke, ich bin schon satt“ links liegen und laufe locker weiter in Richtung Ziel. Die Dorfstraße ist schnurgerade und ich kenne sie schon vom Vortag. Ich genieße die Sonne, die inzwischen den Weg durch die Wolken gefunden hat und den Applaus der wenigen Zuschauer, die auch noch auf die Letzten warten. Ein altes Touri-Ehepaar meint: „Well done!“ und die Lady klatscht begeistert. In bestem Englisch und artiger Verbeugung sage ich „Thank you!“, worauf die alte Dame mir noch lange nachwinkt. Ich bin im Ziel!

Bernie ist erwartungsgemäß eine Stunde schneller und erwartet mich schon im Hotelzimmer. Nach einer warmen Dusche und einem kurzen erholsamen Nickerchen, besuchen wir noch die Marathonparty in der „Dorfstube“, die direkt auf der anderen Straßenseite liegt.

Bernie und ich sitzen mit einem jungen Finnen am Tisch und fachsimpeln auf Englisch über diverse Marathons, natürlich auch über den Montafon-Arlberg-Marathon. Tero Ruokalainen, so heißt der junge Mann, erzählt ganz bescheiden, dass dies erst sein zehnter Marathon sei und er ihn sich selbst zum 28. Geburtstag geschenkt hätte. Kein Wort verliert er über seine Zeiten, viel mehr beeindruckt ihn, dass Bernie und ich unterwegs fotografieren.

Später kommt dann doch raus, dass Tero mit 3:51 Stunden den neunten Platz in der Gesamtwertung belegt. Respekt. Diese Zeit bringe ich noch nicht einmal auf einer flachen Strecke zustande.

 

Marathonsieger
Herren

1. Hugenschmid Stephan, GER  3:14:47
2. Bosnjak Thomas, AUT  3:23:00
3. Müller Matthias, GER  3:35:27,5
Damen
1. Feuerstein-Rauch Andrea, AUT   4:14:59
2. Schichtl Kathrin, AUT   4:18:51
3. Felizeter-Keß Monika, AUT 4:28:23

 

Weitere Bilder gibt es hier
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Informationen: Raiffeisen Montafon Arlberg Marathon
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