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Laufberichte

Elsässer Schönheiten

03.06.12
Autor: Joe Kelbel

Ich bin in Trance. 10-Km-Läufer fetzten durch unsere Picknickversammlung, haben nur noch 500 Meter bis zum Ziel. Ich kann mir vorstellen, dass diese Läufer im Moment wegen dieses Trubels nicht so glücklich sind, doch ich könnte hier stundenlang bleiben. Es geht drunter und drüber, ist ja auch unser Lauf  und der Riesling schmeckt, als würde mir ein Englein auf die Zunge pinkeln. Habe noch nie in meinem Leben so ne geile VP erlebt, sträube mich, wehre mich, finde Verbündete, man muss doch hier verweilen! Wir sind doch nicht doof, auch wenn wir bald zögern zu den Winzern zu gehen.

Der weitere Weg nach Ergersheim ist lang. In den letzten Jahren gab es hier die tollsten Sommerblumen, doch Sekundärvegetation verdrängt empfindliche Kornblumen und Co.

Marc, der Cabanaut, der den Kettenmaraghon gelaufen ist, zeigt mir den Thron im Sportlerheim. Er ist direkt bei der Verpflegungsstation am Canal de Bruch, wo es köstlichen, allerdings heute süssen Flammkuchen gibt. Der Rosé ist klasse, ich entdecke Crémant, bleibe ein Weilchen, Marc ist wahrlich ein Ultra.

Irgendwann will ich weiter, Grund ist „der Alte mit dem Hut“. Ich will wisen, ob er noch lebt.  Seit ewigen Jahren steht er hier und jedesmal fotografiere ich ihn.  Mittlerweile spricht er fliessend deutsch, hat ein wunderbar saniertes Gebiss, im Gegensatz zu mir, und sieht auch noch jünger aus. In all diesen Jahren hat sich viel geändert. Christelle sagt,  ich wäre perfekt in französch, auch sprachlich hat mir dieser Marathon auch viel gebracht.

Der Sprecher  kennt mich, nennt mich wie jedes Jahr  „Cro Magnon“, dann rufe  ich wie jedes Jahr:  „Moi, je suis le Grand Manier!“ Es ist fantastisch, seit Jahren laufe ich durch diese schönen Ortschaften, bin für Sekunden wieder Stammgast, sehe wie einige bessere Zähne bekommen, einige verlieren Haare, andere bekommen Kinder, nur ich bleibe jung.  Ein Leben im Schnelldurchgang, und doch bleibt  die Gastfreundschaft der Elsässer  für die Ewigkeit.

In Dalenheim  stelle ich zum ersten Mal fest, dass meine Gebissmode absolut angesagt ist. So  lerne ich neue Freunde kennen, die mich einfach so akzeptieren, wie es die Krankenkasse vorgibt.  Die Bratwurst hier ist die Beste der Welt. Ich kann sie kauen, weil keine Knorpel oder Fettstückchen drin ist, da  ist Ehrlichkeit drin und die schmeckt traumhaft, dazu ein Pinot Blanc, km 18 ist geschafft.

Scharrachbergheim, der Startpunkt der Halben ist erreicht, vor 15 Minuten sind die hier losgefetzt. Conny sucht nach ihrem Bürgermeister vom letzten Jahr, nimmt dann Vorliebe mit mir, da Jörg, ihre schnellere Hälfte, endlich wieder auf  Überholvorgang ist.  Stollen mit Pinot Gris, dazu leckere Orangenscheiben. Danach einen Tisch zurück, Brot und Wasser, vielleicht auch einen Müsliriegel nehmen.  Wenn ich nichts schreiben müsste, würde ich jetzt lauthals lachen.

In Marlenheim bin ich satt und zufrieden, will jetzt bisschen Tempo machen, doch das Volk schreit nach Polonaise und so bleibe ich als gewissenhafter Reporter, mache Fotos und trinke noch einen Pinot Noir, oder zwei, und die Pastete ist ja Energie für nächste Woche in Biel, wo ich  -  ich habe wieder Tränen in den Augen vor Lachen.

Die Steigung nach Wangen ist...naja, wir sind nicht in Liechtenstein, doch meine Freundin Thierry-Martin vom gleichnahmigen Weingut erwartet mich. Zwar haben ihre wunderhübschen Töchter nach all den Jahren die Regie übernommen, doch einen Gebissvergleich gewinnt sie immer noch haushoch. Der Witz ist aber auch der Brüller.

Die Würstchen „Knacks“ sind heiss, die Töchter auch, der Riesling endlich mal eiskalt. Km 29 ist erreicht und wir tanzen auf der Strasse. Astrit macht aber auch klasse Musik.

In Traunheim vergisse ich Tränen, denn der Munsterkäse ist weg, meine Brüder auch, ich kann eh nichts mehr essen, die Süsskirschen sollen nicht gut sein, wenn man läuft, aber ich bin jung und brauche die Vitamine. Nehme mir also noch einen Gewurztraminer, ohne Strichelchen über dem „u“ der die Rolle der Süsskischen übernimmt. Zwei Mädels, die namendlich nicht genannt werden wollen, nutzen die Deckung der blattlosen Rebenreihen. 

Ein Marathon hat immer 42,2 Kilometer, auch wenn die Verpflegung traumhaft ist. Letztes Jahr, nachdem ich die 100 km in Biel gelaufen bin, hatte ich mehr Zeit in Dangolsheim. Jetzt muss ich schnell sein, um die Pastete und den Pinot Gris zu genießen.

In Avolsheim gibt es immer diese Weihnachtskekse, ein, zwei Stücke, als Läufer merkst du schnell, dass in alten Rezepten mehr und schmackhaftere Energie steckt, als in  diesen bunten Läuferriegeln. Dazu einen schönen Muskat und ein Foto mit den süssen Fruchtfliegen vor dem Schild „Sauf Service“.

In Soultz les Bains  wohnt eines der hübschesten Mädchen der Welt, vielleicht 5 Jahre alt, dieses Jahr zum ersten Mal auf der Marathonstrecke. Sie hat  keine Angst vor dem übergebissigen Cro Magnon. Süsse Repräsentantin für alle Elsässer.

Zieleinlauf exakt wie gestern in Lichtenstein  mit 5:59:25 und wie all die Jahre. Wer hier schneller ist, der hat doch einen an der Birne!

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Informationen: Marathon du Vignoble d'Alsace
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