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Laufberichte

Elsässer Schönheiten

03.06.12
Autor: Joe Kelbel

„Zögern Sie zu den Winzern zu gehen, denn da geht die Verkostung weiter!“

Erst habe ich die Augen aufgerissen, voll gegrinst, dann prustend  gelacht. Diesen Satz muss man erstmal  genießen. Eine passendere und liebevollere Beschreibung für diesen Marathon gibt es nicht, er steht so in der deutschsprachigen  Ausschreibung.

Liebe Leser! Dieser süsse Versprecher verspricht nicht zuviel!

„Zögern Sie zu den Winzern zu gehen, denn da geht die Verkostung weiter!“

Jetzt ganz ruhig, RUHIG!  RUHIG!  nicht lachen, wir müssen ja noch laufen! Hahah was für ein Spass!

Molsheim war ein wichtiger Ort im Befestigungssystem der Bischöfe von Strassburg gewesen.  Nee, ich muss lachen, schmeiss mich weg, habe Pipi in den Augen. Der Satz ist doch  so geil!

Teile der mächtigen Stadtmauer sind noch erhalten,eindrucksvoll ist das Schmiedtor ( 14.Jahrh),  der „ Alte Merzig“  (16.Jahrh) ist ein ehemaliges Schlachthaus.  Das Hotel de Monnaie ist kein Hotel, sondern das Gemeindehaus, hier liessen die Bischöfe ihre Münzen prägen. Jetzt ist esVeranstaltungszentrum des Marathons. Und jetzt platze ich!  Nochmal diesen Satz:

„Zögern Sie zu den Winzern zu gehen, denn da geht die Verkostung weiter!“

So, jetzt seriös, RUHIG! weil sonst nix Bericht.

Sehenswert ist die große Jesuitenkirche. Die Jesuiten gründeten  im 16.Jahrh in Molsheim ein Universität, um die Gegenreformation einzuleiten. Man sagt, dass die Jesuitenschüler die schlimmsten sind, glaub ich. Mindestens drei sind bei diesem Lauf anwesend, denn  zwei meiner Brüder laufen den Halben mit, muss mich jetzt bremsen.  Ähnlichkeiten bestehen sonst nicht, außer, dass die Weinflaschen, die mir Jean-Paul,  Chef der Öffentlichkeitsarbeit schenkt, nicht den aufgehenden Mond sehen werden. 

Jean Paul stellt mir all die Organisatoren des Label Challenge de la Convivialité, Challenge der Geselligkeit vor:  Marathons in Médoc, Champenoise und Cognac haben wir schon gehört, vom Marathon des Vins de Blaye, de Chevernay, du Finistére und einigen anderen werde ich bald berichten, denn wer an drei Läufen teilgenommen hat, erhält den vierten gratis.

Ich platze bald, muss denn eine Einleitung sein? Bei dem Wort „Einleitung“ bekomme ich ja schon wieder nen Lachkrampf.

Viel Zeit für die Pastaparty (wieder ein sehr gutes Menue)  haben wir nicht. Bernie, Jan und ich kommen gerade vom Liechtensteiner Alpin-Marathon, es ist spät, wir sind müde. Dabei wird mittlerweile auf zwei Ebenen getanzt. Ich kann nicht mehr!

Am Morgen schaut ein verpennter Neandertaler nach Westen, sieht Blitze über den dunklen  Himmel zucken. Der  Neandertaler bin ich, wie jedes Jahr, einfach, weil Brigitte mir das Kostüm massgeschneidert hat und es mir immer noch nach all den Jahren passt, ich sonst nur m4y Kleidung besitze und hier einer der wichtigsten Fundstätten des Neandertalers ist. Eigentlich müsste der Kerl hier Breuschtaler heissen. Die Bruche (Breusch) fliesst durch Molsheim, dort wo ich mich besonders wohl fühle. Reisst Euch mal zusammen jetzt, das ist jetzt nicht lustig! Aber geil.

In Dorlisheim, etwa 2 km von Molsheim entfernt ist der Start. Der unglaublich starke Kaffee macht den verpennten Neandertaler wach. Mit dem Gugelhupf kann er noch nichts anfangen, er geht erstmal auf Jagd, Fotojagd.  Die Stunde vergeht, zehn Minuten vor dem Marathonstart fahren die Shuttlebusse zum Startort des Halbmarathon los, doch meine Brüder sind  zu unscheinbar, gut getarnt, scheint ein guter Tag zu werden.

Christian heute nicht Pferd sondern Flieger.  Ich sag noch: „Je prends l`avion “, da meldet Christelle schon ihre Vorrrechte an. Auch bei Gilbert, alias Jesus kann ich nicht landen, er hat sein eigenes Kreuz.  Aber Anke, die amtierende Weltmeisterin im Ultralauf kann ich auf den Arm nehmen. Doch Willi, der Vizeweltmeister (beide dieses Jahr in Winschoten) passt auf. Anke hat aber auch Beine....da bin ich ganz Cro Magnon.

Es hätte noch so schön werden können, doch irgendwer verdirbt so ein blöder Typ die schönsten Urlaubsgefühle und gibt den  Startschuss. Zum Glück  sind es nur 2,5 Kilometer bis zum ersten Weinstand. Habe mir vorgenommen, heute nur  Saft und Wasser zu trinken.

Als Sportler muss man ja Disziplin haben, aber halt zum rechten Zeitpunkt, also nicht jetzt , angesichts voller Gläser mit Sylvaner.  23 Winzer versorgen uns heute, Adressliste lag bei den Startunterlagen, ist heute mein roadbook, nach dem laufe ich jetzt.

Mutzig ist bekannt durch die Bierbrauerei. Der erste Sonntag im September ist eine Reise wert, denn dann fließt goldener Gerstensaft aus dem Marktbrunnen. Heute gibt´s goldenen Wein, nun kann ich auch den lockeren Kouglehopf essen. Schreibweise ist mir egal, bei Pinot Blanc sind wir international.

Nördlich von Mutzig erkennt man das Fort de Mutzig (1893-1918), das Kaiser Wilhelm erbauen liess. Elsässer vermeiden  Wörter wie „deutsch“ oder „französisch“ . Der Kaiser heisst dann schlicht Guillaume II und gleichnamiger Kanal bspw „Canal de Kiel“.  Ich sage ja auch nicht „Napoleon, der Kaiser der Franzosen“ hat den Kanal de Bruch gebaut an dem wir später entlanglaufen. Bei „bruch“ sehe ich Conny vor mir, wie sie auf der Mauer liegt. 

Viele Läufer haben Respekt vor dem rohen Sauerkraut, doch darin liegen einige Beeren des Wacholders, und das mag mein Magen gerne. Wir sind zurück in Molsheim, die Trommler hier sind wahnsinnig gut. Hier unten an der Bruch werden die Schallwellen von der Uferbefestigung und den alten Bauwerken zurückgeworfen.

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Informationen: Marathon du Vignoble d'Alsace
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