Der Chef ist da! Er ist extra nach Leipzig gekommen und das nicht wegen mir… Ob diese Tatsache für oder gegen mich spricht, das weiß ich nicht, sie spricht auf alle Fälle für den Leipzig-Marathon. Denn der Chef, das ist Marathon4you-Chefredakteur Klaus Duwe. Und der Leipzig-Marathon hat seinen Besuch verdient. Für die, die es noch nicht wissen: In Leipzig wurde der erste Marathon Deutschlands gelaufen. Das war am 5. September 1897.
Der Besuch von Klaus lässt mich hoffen. Er läuft nicht mit, ist zum Fotografieren gekommen. Da kann ich ja wohl meine Kamera gleich mit abgeben. Muss auf der Strecke nicht immer und immer wieder stehen bleiben, die Kamera anwerfen und auf Läufer oder Sehenswürdigkeiten richten. Das kostet Zeit, das nervt mitunter…
Aber den Zahn vom fotofreien Lauf hat mir Klaus gezogen. Die Leute - also ihr! - wollen Bilder von der Strecke sehen, mitten aus dem Geschehen. Mitten aus dem Geschehen? Von mir? Klaus, wo ich laufe geschieht nicht mehr viel! Aber er lässt sich nicht erweichen, ich muss die Kamera mitnehmen.
Als ich zum Start gehe, fallen mir zwei rote Bullen auf. Keine verkleideten Läufer, nein, sie recken mir ihre Hörner vom Stadion entgegen. Deshalb nennt man das auch Red-Bull-Arena. Für die, die es noch nicht wissen, da spielt Red Bull Leipzig. Man darf auch RasenBallsport sagen… Kennt ihr nicht? Macht nichts, werdet ihr noch kennen lernen!
Der Start für uns Marathonläufer erfolgt 10 Uhr vor besagter Arena. Vor uns werden die Inline-Skater auf die Strecke geschickt. Dadurch viele Leute, gute Stimmung. Und ich fühle mich fit wie ein Laufschuh, oder wie das heißt... Zumindest fitter als meine Laufschuhe, denn an denen befinden sich noch Waldboden-Anhaftungen vom gestrigen Kyffhäuserlauf. Meine Frau hat die nicht richtig sauber gemacht. Habe ich ihr auch gesagt. Die Antwort: Wenn du es besser hinbekommst, kannst du die Schuhe selbst sauber machen! Na ja, eigentlich sind sie sauber…
Die Strecke ist in diesem Jahr in kleinen Bereichen zu den Vorjahren verändert. Überall in Leipzig wird gebaut. Was Autofahrer wegen der Umleitungen ärgert, kann uns egal sein, es bleiben 42 Kilometer. Um die entspannt hinter mich zu bringen, geselle ich mich erst einmal zum 4.29-Zugläufer. Wohl wissend, er wird vor mir im Ziel sein. Oder wie ich erfahren muss, er wird schon bei Kilometer 5 einige hundert Meter vor mir sein. Weil ich immer fotografieren muss. Wegen Klaus - und wegen euch…
Bundesverwaltungsgericht, Neues Rathaus, Gewandhaus, Alte Messe, Völkerschlachtdenkmal – viele Sehenswürdigkeiten der Stadt liegen unmittelbar an der Strecke. Und wer etwas verpasst, muss nicht traurig sein, er kommt noch einmal vorbei, wir laufen zwei identische Runden. Was manche als langweilig empfinden. Nörgler – auf über zwanzig Kilometer dürfte, wer will, auch in der zweiten Runde noch Neues entdecken.
Es ist mein dritter Marathon in Leipzig. Und jeder ist anders. Kann ich beweisen. Als ich das erste Mal lief, drückte irgendwann die Blase. Und wenn die Blase drückt, kommt erfahrungsgemäß auch eine Hecke. Problem gelöst. Dann im vergangenem Jahr, gleiches Problem, gleiche Hecke. Aber was war das? Bekanntlich hatte die Natur im vergangenen Jahr etwas Verspätung und an meiner Hecke befand sich noch kein einziges Blatt. Hätte ich mich dahinter gestellt, hätte man mich für einen Entblößer gehalten!
Und dieses Jahr? Ich komme mit einem Läufer ins Gespräch. Der müsste auch mal… Ich sage ihm, dass ich da so eine Hecke kenne. Gar nicht mehr weit und dieses Jahr garantiert in sattem grün… Wir erreichen die Hecke. Aber die ist weder grün noch kahl – die ist weg. So abwechslungsreich ist es in Leipzig.
Ach so, ein Hinweis für vorbildliche Läufer: Es sind auch Toilettenhäuschen aufgestellt…
Etwa bei Kilometer 9 kommen wir am Bruno-Blache-Stadion vorbei. Da spielt der 1. FC Lokomotive Leipzig. Die haben mal dort gespielt, wo RB Leipzig erst hin will – im Europapokal. Und das auch noch erfolgreich. Aber wenn man das Stadion heute sieht und dabei an den Tabellenplatz der Mannschaft in der Regionalliga denkt, kann man eigentlich nur noch heulen. Einen Kilometer lang – dann kehrt die Lebensfreude zurück. Im Stadtteil Marienbrunn findet ein richtiges kleines Stadtteilfest für uns Läufer statt. Schilder stellen die Fragen: Hunger? Durst? Duschen? Ich denke: Hunger: ja! Durst: ja! Duschen: Nur das nicht! Aber da bin ich Außenseiter, die meisten Läufer nehmen die Abkühlung aus dem Gartenschlauch gern an.
„Na, schon wieder erholt?“ Ich hatte erst gar nicht realisiert, dass die Frage an mich gerichtet war. Aber als ich meinen Kopf zur Seite drehe fällt mir auf: Das Gesicht hast du schon irgendwo gesehen. Genau, gestern, beim Kyffhäuser Berglauf. Also noch so ein Verrückter, der zwei Marathons an einem Wochenende läuft: Dirk Schwonburg vom LC Auensee Leipzig. Und Ehre wem Ehre gebührt – er war gestern eine reichliche halbe Stunde schneller als ich. Und auch heute macht er nicht den Eindruck, als ob er gewillt sei, auf mich zu warten.
Die Frage nach meiner Erholung habe ich positiv beantwortet. Das war etwa bei Kilometer 5. Bei Kilometer 15 wäre die Antwort anders ausgefallen. Sagen wir mal so: Ich hätte noch antworten können, nur laufen wollte oder konnte ich nicht mehr. Beim Passieren der Halbmarathonmarke, also nach der ersten Runde, blieb mir nur die Erkenntnis: So kaputt war ich sonst nicht mal im Ziel.
Schon im Bereich der Alten Messe überholt mich die Spitze der 12.45 Uhr gestarteten Halbmarathonläufer. Da war ich die Jahre zuvor schon 5 Kilometer weiter. Dadurch ist jetzt natürlich was los auf der Piste. Fotografieren mitten im Geschehen, heute kein Problem…
Ich brauche noch kleine Gehpausen, aber je näher das Ziel kommt, desto besser läuft es. Was ich noch nie getan habe, ich lasse sogar eine Getränkestelle aus. Sicher, gewinnen kann ich nicht mehr, aber immer noch die gleiche Zeit wie gestern erreichen. Was mir fast gelingt. Fast, denn dass ich noch eine Minute schneller bin, darüber muss ich mich wohl nicht ärgern.
Männer
1 Heil, Benedikt (GER) LG OVAG Friedberg-Fauerbach 02:32:47
2 Rößler, Lars (GER) LAZ Leipzig 02:32:54
3 Schubert, Karsten (GER) LFV Oberholz 02:39:10
Frauen
1 Jakob, Anja (GER) Klingenthal 02:58:57
2 Borggrefe, Katja (GER) Turbine Halle 03:03:38
3 Schipp, Carina (GER) LAZ Leipzig 03:05:38
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