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Laufberichte

Biergarten-Wetter

28.08.05
Autor: Klaus Duwe

Ich laufe heute durch ein ganzes Hammerwerk

 

Gut, dass es die RWE gibt. Nicht nur, weil sie auch die Hunsrück-Region mit Strom versorgen, sondern weil sie kurzfristig als Sponsor des Hunsrück-Marathon eingesprungen sind und der beliebte Landschaftslauf auf dem Schinderhannes-Radweg so für die nächsten 2 Jahre gesichert ist. „Sonst wäre dieses Jahr Schluss gewesen,“ so Orga-Chef Ottmar Berg.

 

Während viele City-Marathons immer noch steigende Teilnehmerzahlen verzeichnen, ist im Hunsrück vom viel beschworenen Trend zurück zur Natur jedenfalls in diesem Jahr nicht viel zu spüren. Die Meldezahlen liegen zwar noch in etwa auf Vorjahresniveau, aber am Marathon nehmen weniger teil (Finisher 2004: 301, 2005: 243).

 

Dabei ist der Hunsrück-Marathon mit seinen Punkt-zu-Punkt-Strecken durch die notwendigen Bustransfers, Kleidertransporte und zusätzliche Locations im Vergleich zu anderen Landschaftsläufen eine aufwendige Angelegenheit. Der Radweg kreuzt etliche Verkehrsstraßen, die gesperrt werden müssen und der Zielbereich in Simmern vor dem Schloss hat mit seiner Infrastruktur fraglos City-Niveau.

 

Der Hunsrück-Marathon hat gegenüber anderen Landschaftsläufen noch einen weiteren Vorteil. Zumindest sehe ich das so. Die Strecke verläuft nämlich fast ausschließlich auf dem Schinderhannes-Radweg und ist durchgängig asphaltiert. Das ermöglicht trotz der Steigungen ein problemloses, und wenn gewollt, auch schnelles Laufen - auch wenn es mal regnen sollte.

 

Auf dem Schlossplatz in Simmern ist ein großes Zelt aufgebaut. Am Sonntag früh gibt es dort ab 6.00 Uhr Frühstück. In der nahe gelegenen Hunsrückhalle (große Parkplätze) werden die Startunterlagen ausgegeben, vor der Halle fahren die Busse ab zu den Startorten Emmelshausen (Marathon), Kastellaun (Halbmarathon) und Neuerkirch (Fun-Run).

 

In Emmelshausen ist es heute für die 5.000 Einwohner früh vorbei mit der Sonntagsruhe. Laute Musik und ein gut gelaunter Sprecher unterhält die ankommenden Läuferinnen und Läufer. Wer es bei seiner Anmeldung vermerkt hat, kann auch hier seine Startunterlagen abholen. Anlaufstelle ist das ZAP, ein Kultur- und Tagungszentrum, wie man es hier nicht so ohne weiteres vermuten würde. Dort trifft man sich, im Untergeschoß sind großzügige Toilettenanlagen und bei den Garderoben kann man sich umziehen.

 

Die meisten zieht es aber nach draußen, die Sonne scheint und nur im Schatten ist es noch recht kühl. Der Tag und die Strecke versprechen ein optimales Lauferlebnis. Bereits um 8.45 gehen 160 Skater und ein paar Walker auf die Strecke, um 9.00 Uhr wird es dann für die Läuferinnen und Läufer ernst.

 

Wir laufen eine Schleife um den Ort, haben bei km 4 den ersten Anstieg  und bei km 5 sind wir dann auf dem Schinderhannes-Radweg, benannt nach dem gefürchteten Räuberhauptmann Johannes Bückler, der im Hunsrück sein Unwesen trieb, in Simmern (Schinderhannesturm) eingesperrt war und 1803 hingerichtet wurde.

 

Der Weg liegt jetzt noch im Schatten, die Temperaturen sind ideal zum Laufen. Das Läuferfeld ist gut verteilt, keiner stört den Anderen, jeder findet seinen Rhythmus und ist gut gelaunt. Das ganze verführt mich zu einem viel zu schnellen Anfangstempo. Keinesfalls will ich hier persönliche Rekorde brechen. Ich könnte es auch gar nicht. Vorhin an der Steigung merkte ich bereits, dass mir die 72 Kilometer vom Défi letzte Woche doch noch in den Knochen stecken.

 

Hinter Norath, bei km 12, beginnt ein lang gezogener Anstieg. Der Schindeshannes-Radweg  ist ja auf einem ehemaligen Bahndamm angelegt. Rechts und links sieht man ab und zu noch den Bahnschotter. Der junge Wald reicht mittlerweile bis an die ehemalige Trasse heran. Bei Pfalzfeld (km 14) passieren wir den ehemaligen Bahnhof, der zu einer sehr schönen Gaststätte umgebaut ist. Im Biergarten herrscht schon Hochbetrieb. Die Leute sind gut gelaunt und klatschen uns begeistert Beifall. So ist es immer, wenn wir einen Ort passieren oder eine gesperrte Verkehrsstraße überqueren. Die Bevölkerung nimmt großen Anteil an der Veranstaltung. Natürlich sind es keine Zehntausend und mit einem City-Marathon kann man es auch nicht vergleichen. Aber die Läuferinnen und Läufer wissen es zu schätzen, bedanken sich und grüßen zurück.

 

Die Strecke steigt weiter an, bis wir bei Lingerhahn (km 17) den höchsten Punkt erreichen. Ich bin noch immer viel zu schnell unterwegs. Auch auf dem Anstieg bin ich den Kilometer deutlich unter 6 Minuten gelaufen. Jetzt spüre ich aber, dass ich das wahrscheinlich bald büssen werde. Zunächst geht es erstmal kurz abwärts, lockeres Laufen ist angesagt.

 

Auf den nächsten Kilometern sehen wir die typische Mittelgebirgslandschaft des Hunsrück mit Wälder, Felder und Wiesen, immer hügelig mit herrlichen Ausblicken auf die umliegenden Dörfer und Berge. Die höchste Erhebung ist der Erbeskopf mit 818 m. Die Gelehrten sind sich nicht einig, ob die Bezeichnung Hunsrück nun von Hundsrücken kommt, oder von den Hunnen abgeleitet ist, die bei der Völkerwanderung durch diese Gegend nach Westen zogen. Erwiesen ist hingegen, dass bereits die Römer den Hunsrück besiedelten. Noch heute verläuft zwischen Bingen und Trier die historische Ausoniusstraße, ein viel begangener Wanderweg.

 

Es geht vorbei an den Orten Dudenroth (km 19) und Ebschied (km 22). Immer wieder wollen uns Hinweisschilder zu Gasthöfen und Biergärten verleiten, von der Strecke abzuweichen. Das ist aber nicht nötig. Wir werden gut versorgt beim Hunsrück-Marathon. Elf Verpflegungsstellen sollen es insgesamt gewesen sein, einige sind nur mit Wasser ausgestattet, die meisten aber zusätzlich mit ULTRA-Buffer, Riegeln, Gel und Bananen. Wannen mit Wasser zum Erfrischen stehen auch fast überall.

 

Bei Kilometer 27 erreichen wir Kastellaun, das dieses Jahr „700 Jahre Stadtrechte“ feiert. Schade, dass wir nicht durch die Stadt mit der Burgruine im Zentrum laufen. Trotzdem ist der Empfang riesig. Um 11.30 Uhr wurde der Halbmarathon hier gestartet und jetzt wird der Startbogen für die Marathonis zum Triumphbogen. Die Leute klatschen begeistert und feuern uns an. Begeistert ist auch Ottmar, der vor lauter Schreien und Rufen schon fast heiser ist. Wir klatschen ab und ich laufe bestens motiviert weiter.

 

Nach Bell (km 29) steigt die Strecke nochmals an, dann geht es nur noch abwärts. Ein paar Kilometer weiter kommen dann die Halbmarathonis angedüst. Sie haben nach dem Start ein Runde gedreht und kommen jetzt auf den Radweg. Mich nervt das heute. Ich bin zwar ziemlich kaputt, aber noch ganz gut unterwegs. Trotzdem werde ich dauernd überholt. Einige hängen so die Sau raus, dass ich meine, ich müsste zur Seite springen und ihnen den ganzen Weg überlassen. Das geht eine ganze Weile so und ist wenig motivierend.

 

Bei Kilometer 34 wieder ein Biergarten, diesmal der von Alterkülz. Der freundliche Applaus und die aufmunternden Zurufe tun gut. Das ist jetzt die Distanz, wo schon mal der „Mann mit dem Hammer“ auftaucht. Ich laufe heute aber durch ein ganzes Hammerwerk. Meine Oberschenkel schmerzen höllisch. 

 

In Neuerkirch (km 38), wo die Fun-Läufe gestartet werden, ist dann wieder eine Riesenstimmung. Ich werde es schaffen, ich bin sicher. Ich lasse mir an der Verpflegungsstelle ausgiebig Zeit und gehe ein Stück, um meine Banane in Ruhe zu essen und mein Getränk nicht zu verschütten. Dann laufe ich weiter.

 

Die letzten Kilometer sind schattige Abschnitte etwas selten geworden. Gerade jetzt, wo die Sonne ihre ganze Kraft entfaltet, könnte ich welchen gebrauchen. Vor zwei Wochen, beim verregneten Monschau-Marathon, habe ich noch verkündet: „Lieber 25 Grad als Regen“. Das nehme ich heute etwas zurück.

 

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Keidelheim (km 39) und Dilligs Mühle (km 40), die Kilometer ziehen sich wie Kaugummi. Jetzt geht’s durch den Tunnel und dann rechts steil weiter bis zum Hotel „Bergschloßchen“ (km 41,5), vorbei am Stadion Richtung Stadtmitte.  Noch einmal geht es etwas bergauf bis zum Kreisverkehr und dann runter in die Stadt, wo uns auf dem Schlosslatz einige hundert Menschen begeistert empfangen. Ich hab es geschafft, bin im Ziel und glücklich. Besonders auch deshalb, weil es heute nicht leicht war für mich.

 

Hier auf dem Schloßplatz herrscht Kirmesstimmung. Zuschauer und Aktive vermischen sich. Es ist stellenweise ein dichtes Gedränge und eine Super-Stimmung. Die Verpflegung ist bestens. Es gibt den ULTA-Refresher, Wasser mit und ohne Kohlensäure, Apfelschorle und Bananen für jeden, der sie heute noch leiden kann.

 

Natürlich spielt sich bei dem prächtigen Wetter das meisten im Freien ab. Aber auch das Festzelt ist gut besucht. Davor hängen die Ergebnisse aus, die permanent ergänzt werden. Rechts davon ist das Zelt der Physiotherapeuten, deren Angebot gerne und zahlreich in Anspruch genommen wird. Zur Hunsrückhalle, wo die Duschen sind und die Kleiderbeutel zurück gegeben werden, sind es nur ein paar Minuten zu gehen.

 

So wie ich meinen Bericht begann, möchte ich ihn beenden: Gut, dass es die RWE gibt (und damit zumindest mal auch für die nächsten zwei Jahre den Hunsrück-Marathon).

 

Streckenbeschreibung:

Punkt-zu-Punkt-Kurs, durchgängig asphaltiert mit einigen Steigungen, jedoch insgesamt leichtes Gefälle. Nicht rekordverdächtig, aber sehr gut zu laufen.

 

Zeitmessung:

Champion-Chip

 

Rahmenprogramm:

Pasta-Party (im Startgeld enthalten) am Samstag, am Sonntag ab 6.00 Uhr Läuferfrühstück im Zelt auf dem Schlossplatz.

 

Weitere Veranstaltungen:

Laufen 42 km 21 km Fun 6,3 km Inliner 42 km 21 km Fun 6,3 km Walking 42 km 21 km Fun 6,3 km

Staffellauf Halbmarathon


Auszeichnung/Startpaket:

Medaille, Urkunde, Nudelparty, T-Shirt 

 

Logistik:

Großer Parkplatz vor der Hunsrückhalle in Simmern. Simmern ist gut zu erreichen über die A 61, Ausfahrt Rheinböllen. Von dort auf der B 50 nach Simmern (ca. 15 km). Bustransfer von Simmern nach Emmelshausen (Start Marathon), Kleiderabgabe. Verpflegung: 11 (!) Verpflegungsstationen mit Wasser, Iso, Ultra Buffer, Bananen, Riegel und Gel.

 

Zuschauer:

Viele 100 im Ziel, unterwegs in den Ortschaften immer wieder etliche Gruppen, die die LäuferInnen feiern.

 

Informationen: Hunsrück Marathon
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