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Laufberichte

Atem(be)raubend

02.08.09

Rund um das Gantertal

Bereits aus der Ferne sticht mir das „Wahrzeichen“ des Tales ins Auge: die moderne Ganterbrigga. Als Teil der Simplonpassstraße N9 überspannt sie das tiefe Gantertal auf einer Länge von 678 Metern in einem langgezogenen S-Bogen. Sie gilt als die Brücke mit der größten Spannweite in der Schweiz. Im harten Kontrast steht die moderne Betonarchitektur zur archaischen Natur. Man kann den Brückenkörper als Schandfleck verdammen oder als akzentsetzendes Kunstwerk loben – beeindruckend ist er allemal.

Ein schmaler, aber gut zu belaufender Pfad führt uns hoch über dem Tal am weitgehend offenen Hang über Wiesen und Weiden entlang, stets im Blickkontakt zur Brücke. Es geht leicht bergab, sodass wir im flotten Schritt vorankommen. Kleine Läuferketten bilden sich, denn überholen kann man nur an wenigen Stellen. Vereinzelt bremsen zu öffnende Tiergatter den Lauffluss.

Je näher wir der Brücke und gleichzeitig dem Talgrund kommen, desto höher scheint sie sich über uns aufzutürmen, bis wir schließlich direkt unter ihr hindurchlaufend die Talsohle erreichen und ich mir beim Blick auf die 150 Meter über mir thronende Fahrbahntrasse fast den Hals verrenke.

Davon unbeeindruckt zieht munter rauschend die Ganter durch den dicht bewaldeten Talgrund. Unser Pfad mündet in einen breiten Weg, der zunächst an der Ganter entlang führt und sie schließlich quert. Während hinter uns die aus der Ferne fast schon filigran wirkende Ganterbrigga aufragt, erhebt sich vor uns der massige Natursteinklotz der alten Ganterbrücke. Auch sie ist ein beeindruckendes Monument, aber letztlich nur ein ausrangiertes Stück Vergangenheit. Dem Weg unter der alten Brücke hindurch folgend stoßen wir wenig später auf die stillgelegte alte Simplonpassstraße, die uns leicht aufwärts durch den Wald wieder zurück in Richtung Ganterbrigga führt.

Und auf einmal ist die Brücke wieder da, direkt vor unserer Nase. Doch nun sind wir fast auf Augenhöhe mit der Fahrtrasse. Unter der Trasse ist auf der Fahrbahn der alten Passstraße bei km 9 ein Verpflegungsposten eingerichtet. Brigitte Wolf ist persönlich da und hakt die ankommenden Läufer auf einer Liste ab. An fast jeder Versorgungsstation wird die Ankunft der Läufer auf diese Weise erfasst und damit sichergestellt, dass man zumindest weiß, wo man zu suchen anfangen muss, wenn eines der „Schäflein“ - aus welchen Gründen auch immer – nicht das Ziel erreichen sollte.

Gleich hinter der Ganterbrigga verlassen wir die Passstraße und zweigen ab auf den nächsten Pfad.

Über das Tafernatal zum Simplonpass

Erneut liegt ein herrliches Stück Weg vor uns. Es macht Spaß, dem sich in stetigem leichten Auf und Ab durch üppig grüne Waldlandschaft schlängelnden Pfad zu folgen. Nur das Gurgeln kleiner Gebirgsbäche, die wir auf wackeligen Stegen queren, durchdringt die beruhigende Stille des Waldes – abgehen von dem mir unbekannten Läufer, der irgendwo weit vor mir immer mal wieder lauthals einen Jodeljuchzer in die Natur schickt.

Ein Weilchen geht es entspannt so dahin. Die Beschaulichkeit bleibt – nur mit der Entspannung ist schließlich Schluss. Der nächste lange Anstieg steht an. In zahllosen kleinen Serpentinen schraubt sich der Weg nicht endend wollend in die Höhe. Bis auf einmal die Simplonpassstraße erreicht ist. Ein kurzes Stück folgen wir ihr auf dem Grünstreifen am Fahrbahnrand, bis bei km 13 auf dem Parkplatz Rothwald, immerhin schon 1.740 müNN, die nächste große Versorgung bereit gehalten wird.

Nurmehr 260 Höhenmeter wären es von hier aus zum Kulminationspunkt der heutigen Strecke, dem Simplonpass. Aber so leicht wird es uns nicht gemacht. Denn nun geht es wieder abwärts. Zunächst auf einer asphaltierten Wirtschaftsstraße, dann auf einem breiten Forstweg und schließlich auf einem Trampelpfad können wir es laufen lassen. 200 Höhenmeter verlieren wir wieder auf dem Weg hinab ins Tafernatal, wobei wir von dem Tal durch den uns umgebenden Wald zunächst nicht allzu viel mitbekommen.

An einem wunderschönen Plätzchen im der Talsohle, gleich bei der wild rauschenden Taferna, warten bei km 16 schon die Helfer der nächsten Trinkstation. Zur Belebung der Strecke tragen ab hier die primär weiblichen Teilnehmer des Gondo-Walking bei, gut erkennbar an ihrer „Bewaffnung“, deren Kurs an der Versorgungsstelle auf den der Läufer trifft.

Ein Postkartenpanorama öffnet sich im Talgrund vor meinen Augen. Im Vordergrund der reißende, von Kieseln und Felsbrocken gesäumte Gebirgsbach, das Ganze umgeben von wild wuchernden Alpwiesen und tiefgrünen Nadelbäumen, am Horizont hohe massige Berge, deren Gipfel allerdings von grauen Wolken verhüllt werden.

Ein leicht ansteigender Pfad führt uns an der Taferna entlang durch dieses unberührt wirkende Alpenidyll. Über zwei durch einen großen Felsen getrennte, wackelige Holzbrücken überqueren wir das Bachbett. Bei dem Zustand der Brücken frage ich mich, wie sie stärkeren Fluten standhalten sollen, aber zumindest optisch passen sie wunderbar in die Landschaft.

Jenseits der Brücke entfernen wir uns zu meinem Bedauern zusehends von der Taferna und müssen erneut einen langen, steilen bewaldeten Hang bezwingen. In zahllosen Kehren geht es hinauf. Toll ist die Aussicht zwischen den Bäumen auf das unter uns liegende Tafernatal. Auf der anderen Talseite sehen wir in der Ferne die sich durch schützende Galerien den Hang empor windende Simplonpassstraße.

Immer näher kommen wir den Wolken, immer frischer wird die Luft. Es fängt an zu nieseln, was aber nicht einmal unangenehm ist. Das Gelände wird zunehmend offener, vereinzelte anfeuernde Zuschauergruppen lassen erahnen, dass der Pass nicht mehr fern sein kann. Der Niesel hat sich in leichten Regen gewandelt, als ich bei km 18 endlich die Verpflegungsstelle am Simplonpass erreiche. Dankbar schlürfe ich die angebotene warme Bouillon, denn ein kalter Wind fegt über den Pass. Drohendes Grollen ertönt aus den dicken Wolken, die den Pass verhüllen. Zumindest die in der Nähe hoch auf einem Felsen thronende Skulptur eines riesigen Steinadlers, des „Wahrzeichens“ des Simplonpasses, kann ich von hier noch gut erkennen.

 

Informationen: Gondo Marathon
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