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Laufberichte

Mein 100. Marathon ist ein Heimspiel

 

Gute Entscheidungen werden meistens belohnt. Für den Baden-Marathon gilt dies 2018 auf jeden Fall. Nach dem ungeliebten Zwischenspiel 2016 und 17 mit Start und Ziel bei der Neuen Messe wurde für 2018 die nach Überzeugung der meisten einheimischen Läufer beste Strecke zusammengestellt, die man in der Fächerstadt bisher laufen durfte. Dank diesem neuen Streckenkonzept meldeten sich für den Marathon 20 % mehr Läufer an als letztes Mal, für den Halbmarathon, der etwa fünf Mal so viele Teilnehmer hat, sogar 25 % mehr. Wer schon oft in Karlsruhe gestartet ist, sieht dieses Mal viel Neues. Erstmals führt auch der Halbmarathon durch die Innenstadt und zum Schloss.  

Vor 16 Jahren lief ich hier meinen ersten Marathon. Klar, dass ich meinen 100. Marathon nun  ebenfalls in meiner Heimatstadt laufe. Als ich 2006 vor der Europahalle im Startblock stand, hatte ich keine Ahnung, ob ich es überhaupt schaffen kann, 42,2 km zu laufen. Ich war nervös und trotz bester Vorbereitung sehr unsicher. Als ich nach mehr als vier Stunden das Ziel erreichte, fühlte ich mich wie ein Weltmeister. Marathon! Unglaublich!

Nie hätte ich mir damals vorstellen können, dass ich irgendwann einmal 186 km nonstop auf einer technisch brutalen Strecke um eine Insel oder eine Woche lang durch die Sahara laufen würde. Und trotzdem geht es mir nach all meinen Laufabenteuern heute ein wenig wie bei meinem allerersten Marathon. Ich bin in den letzten Jahren viel auf steilen Trails gelaufen, aber nie weiter als 15 km am Stück auf Asphalt. Letzte Woche beim Trailmarathon Heidelberg war ich auf steinigen Wegen mit 1500 Höhenmetern in meinem Element, aber ich weiß, dass meine Gelenke lange Asphaltstrecken nicht mehr vertragen. Das, was für alle Stadtmarathonis die normalste Sache der Welt ist, wird für mich nun  eine harte Herausforderung.  

Am Samstagmittag stehe ich fünf Stunden an der Startnummernausgabe. Nein, nicht in einer Warteschlange, die gibt es hier nicht. Seit vielen Jahren helfe ich beim Baden-Marathon, dieses Mal bei den Startnummern. Wahrscheinlich ist dies der erste Marathon, bei dem man vor dem Abholen der Startunterlagen am Eingang von Security-Leuten einen Chip bekommt, den man beim Rausgehen wieder abgeben muss. 2011 wurde das Dach der Europahalle, in der Veranstaltungen mit bis zu 9000 Besuchern stattfanden, für über eine Million Euro renoviert. Doch bald darauf musste die Halle wegen Brandschutzmängeln geschlossen werden. Seit 2014 dürfen nur noch gleichzeitig 200 Personen in die Halle. Um dies zu kontrollieren, gibt es diese ulkigen Chips. Ob die Halle irgendwann renoviert oder abgerissen wird, können unsere Politiker auch nach vier Jahren nicht entscheiden.



 Da nur 200 Leute gleichzeitig ihre Taschen in die Halle bringen dürfen, gibt es dann am Sonntagmorgen vor dem Marathon eine außerplanmäßige Gruppenmeditation. Anders kann man die sehr lange Warteschlange vor der Gepäckausgabe nicht bezeichnen. Der Start muss um einige Minuten verschoben werden.

Endlich geht es los. Durch die Brauerstraße vorbei am  international bekannten Museum ZKM - Zentrum für Kunst und Medien geht es wieder wie früher geradeaus und dann rechts in die mehrspurige Kriegsstraße. Bald laufen wir in die Straßenunterführung, doch danach wundern sich manche Läufer, die lange nicht mehr hier waren. Die zweite Unterführung ist verschwunden. Stattdessen laufen wir nun an riesigen Baustellen vorbei. In wenigen Jahren sollen die Autos hier komplett unterirdisch fahren,  oben ist dann Platz für die Straßenbahn und für Fußgänger. Die vielen Baustellen beglücken uns Karlsruher seit Jahren mit einer alle paar Wochen komplett wechselnden Verkehrsführung. Es ist wie bei einem Computerspiel, nur mit echten Blechschäden.



  Rechts erahnen wir das Badische Staatstheater mehr als dass wir es sehen. Bald geht es durch die Ludwig-Erhard-Alle, die es noch nicht lange gibt. An Stelle einer wahrhaft öden Zufahrt zur Innenstadt wurden hier viele repräsentative Neubauten errichtet. Alle Gebäude im östlichen Abschnitt wurden erst vor wenigen Jahren fertiggestellt.

Dann kommen wir zum inzwischen wohl bundesweit bekannten „Oststadtkreisel“. Eigentlich sieht es aus wie ein übergroßer Kreisverkehr, in den einige mehrspurige Straßen sowie eine Straßenbahnlinie münden. Das Geniale daran ist aber, dass hier die bei Kreisverkehr üblichen Vorfahrtsregeln nicht gelten - auch für Einheimische Tag für Tag eine neue Herausforderung!

Vorbei am Messplatz, hinter dem der Kreativpark mit mehreren überregional bekannten Veranstaltungszentren ist, gegenüber die Zentrale von ENBW, schon sehen wir links die nächste Großbaustelle. Hier wartet angeblich schon halb Karlsruhe auf Billy. Ich nicht! Mir geht Billy völlig am A.... vorbei. Billy ist kein Film- oder Popstar. Es geht um das Billy-Regal. Hier her werden in wenigen Jahren Heerscharen zum neuen IKEA pilgern, um Köttbullar zu essen und Möbel mit fehlenden Schrauben kaufen.

Gleich darauf überqueren wir den bundesweit am häufigsten im Radio genannten Teil von Karlsruhe. Nein, nicht das Bundesverfassungsgericht oder den Bundesgerichtshof! Die kommen durchschnittlich wohl nur einmal pro Woche in den Nachrichten vor. Mehrmals wöchentlich kann man sich aber darauf verlassen, dass die A5 im Verkehrsfunk genannt wird. Stau vor Karlsruhe, Stau hinter Karlsruhe, Stau in Karlsruhe..... So bekannt ist nicht einmal der KSC.

 


  Nach Durlach, eigentlich ein klassischer Teil der Marathonstrecke, führte die Route in den letzten beiden Jahren nicht. Nun dürfen wir wieder in diesen Stadtteil, der viel älter ist als Karlsruhe. Die neue Streckenführung durch Durlach-Aue gefällt mir hervorragend. Viel Grün umgibt uns, außerdem sind hier für Karlsruher Verhältnisse überraschend viele Zuschauer und Stimmung an der Strecke. Insgesamt ist aber auch auf der gesamten Strecke viel mehr los als bei meinem ersten Mal. Anfangs stand ich dem „Tanzmarathon“-Konzept sehr skeptisch gegenüber, erkenne jetzt aber, dass es durchaus seinen Reiz hat, wenn man alle paar Kilometer an unterschiedlichsten Tanzgruppen vorbei kommt. Die 30 Aktionspunkte im Programmheft werden ergänzt durch einige Privatpersonen und Gruppen, die uns ebenfalls mit Livemusik beglücken.  

Erstmals führt die Strecke nun von Aue zur Wolfartsweierer Brücke, von der aus wir die Rangiergleise des Hauptbahnhofs sehen. Zwischen km 12 und km 21 sind wir auf einem Streckenabschnitt, den wir  Marathonis heute zwei Mal laufen. Normalerweise mag ich so etwas überhaupt nicht, aber lieber sehe ich 9 wirklich interessante und schöne Kilometer zwei Mal, anstatt durch öde Vororte und Gewerbegebiete zu laufen.  

Wir kommen wieder zum großen Kreisverkehr, bei dem wir nun nach links laufen und dann einen neuen Park betreten. Gleich kommen wir am „Garten der Religionen“ vorbei, in dem mehrere beschriftete Tafeln die Konfessionen darstellen. Wo heute der Citypark Ost ist, war in meiner Kindheit ein großer Rangierbahnhof. Dieser wurde schon früh stillgelegt, bis 1997 wurde daneben noch im Ausbesserungswerk der Deutschen Bahn gearbeitet. Bis 2015 entstand hier nun ein komplett neues Stadtviertel, dazu wurde in den letzten Jahren der Park angelegt.

Bei km 13 erreichen die Läufer der ersten Staffel die Wechselzone. Auch für meine Freundin ist hier Schluss, sie muss ihren Staffelpartner aber drei Minuten lang suchen, da er nicht an der Strecke steht.  Hinter der Verpflegungsstelle steht ein 1877 erbauter Wasserturm, der heute als kleine, teure Hotel-Suite vermietet wird.  



 Einige Zeit später geht es über eine steile Brücke zum Kronenplatz, dann zur ersten „Weiche“ in der Fußgängerzone. Damit der dichte Straßenbahnverkehr nicht auch noch auf dieser Strecke blockiert wird, gibt es seit Jahren ein hervorragend funktionierendes System, bei dem ein Teil der Läufer auf der rechten Seite der Schienen, dann wieder einige links laufen, dazwischen werden die Übergänge ohne jeden Zeitverlust für uns Läufer gesperrt und die Bahnen kommen problemlos durch. Genial!

Nahe der Kleinen Kirche höre ich Blasmusik, sehe aber keine Band. Erst nach einer Weile fällt mir auf, dass sie auf einer Dachterrasse über unseren Köpfen spielen.  

Nun laufen wir über den Schlossplatz auf das Schloss zu. Die Story, welche Fahne auf dem Schlossturm flattern darf, passt ganz gut in einen Mickey Mouse Comic. Im Schloss befindet sich das Badische Landesmuseum. Momentan ist hier eine Sonderausstellung zur Badischen Revolution. Bei der Eröffnung der Ausstellung wehte passend zum Ausstellungsthema die rote Revolutionsflagge auf dem Turm. Originelle Idee! Bis ein besorgter Bürger das Land informierte, da auf öffentlichen Gebäuden nur die Landesflagge oder die deutsche Fahne hängen darf. Also musste wieder die baden-württembergische drauf. Nun wurde eine Online-Petition gestartet, bei der fast 12.000 Menschen mit Erfolg dafür stimmten, dass während der Dauer der Ausstellung die badische Fahne (nicht die rote!) statt der baden-württembergischen auf den Turm darf.



 Vom Schloss geht es nun wieder zurück zur Fußgängerzone, wo wir bei einer zweiten „Weiche“ die Schienen überqueren. Je länger ich laufe, desto mehr gefallen mir die vielen Tanzgruppen an der Strecke.  

Vorbei an der Stephanskirche geht es zum Friedrichsplatz, danach zum Nymphengarten mit einem schönen Brunnen. Dann kommen wir am Bundesgerichtshof vorbei, etwas später am Polizeipräsidium. Durch die angenehm grüne Beiertheimer Allee geht es nun allmählich auf die Europahalle zu. Die Breite Straße wirkt mit einigen Fachwerkhäusern wie ein Relikt alter Zeiten.  



 Noch ein kurzes Stück durch eine Parkanlage, unter großen, mit schöner Graffiti-Kunst geschmückten Brücken vorbei, erreiche ich nun die Stelle, an der die Halbmarathon-Läufer nach rechts müssen, wir Marathonis aber geradeaus laufen. Hier ist eine weitere Staffel-Wechselstelle, ebenso hervorragend beschriftet und organisiert wie die andere.

Die Verpflegungsstelle steht dort, wo bei Das Fest die Bühne ist, rechts von uns ragt der „Mont Klotz“ auf. Das Fest ist jeden Sommer ein riesengroßes Open-Air-Festival, das nicht nur wegen der Bands sondern auch wegen dem tollen Gelände die Massen anlockt.

Früher ging es nun geradeaus weiter an der Alb entlang, dieses Mal überqueren wir sie und laufen am anderen Ufer wieder zurück. Dann treffen wir in Grünwinkel wieder auf die klassische Strecke des Baden-Marathon. Dieser folgen wir von km 23 bis 31, aber in entgegengesetzter Laufrichtung als früher. Durch den Weiherwald, etwas später an der schönen Pappelallee entlang, schon habe ich den ersten Akku meiner Kamera leer fotografiert. Auch mein körperlicher Akku lässt inzwischen deutlich nach. Vor allem durch die Dauerbelastungen bei meinem Wanderprojekt, aber auch durch andere aktuelle Handicaps, ist mir schon seit Wochen klar, dass ich heute langsamer laufen werde als gewohnt. Deshalb gruppierte ich mich im Startblock hinter die 4:29 Zugläufer ein, gab die Verfolgung aber bereits vor dem Schlossplatz auf. Mein schnellster Marathon war Berlin mit 3:58, heute rechne ich eher mit 5 Stunden. Aber trotzdem macht es mir Spaß, hier und heute zu laufen.

 


 Durch Rüppurr und danach durch den Oberwald - ich mag diesen Streckenabschnitt sehr.  Das schöne Stück am Oberwaldsee vorbei gehört erstmals zur Strecke, für mich ein beliebtes Trainingsrevier. Bald erreiche ich wieder die Wolfartsweierer Brücke und laufe nun fast bis zum Ziel auf der Route, die ich schon von vorhin kenne. Erneut der Kreisverkehr und der Garten der Religionen, dann die Staffel-Wechselzone. Ich werde immer langsamer. Zu Fuß wäre ich jetzt in fünf Minuten zuhause. Im Winter nutze ich den Citypark oft, wenn ich spätabends noch eine kurze Runde auf einer beleuchteten Strecke laufen will. Abends ist es hier sogar noch schöner als tagsüber.  


 


 Durch den Park, vorbei an Tanzgruppen und Musikern, wieder über die Brücke zum Kronenplatz mit dem Harlekin-Brunnen, wieder unter den Blasmusikern auf dem Dach vorbei. Eigentlich könnte ich jetzt kurz an meinem Arbeitsplatz den Briefkasten leeren, das wären nur fünf Meter Umweg. Es hat durchaus Vorteile, wenn man vom Büro aus mit wenigen Schritten Schlossplatz, Schlosspark und den Wald erreicht, anstatt zum Lauftraining irgendwo hin mit dem Auto fahren zu müssen.  

Und wieder geht es über den Schlossplatz. Ein Höhepunkt des Karlsruher Kulturlebens sind seit einigen Jahren die Schlosslichtspiele. Ein paar Wochen lang werden jeden Abend bei freiem Eintritt von Künstlern gestaltete Filme auf die Schlossfassade projiziert. Das hört sich langweilig an, ist aber in den meisten Fällen wirklich genial und zog in diesem Jahr zu Recht 35.000 Zuschauer aus ganz Deutschland an.

Wieder durch die Innenstadt, über den Friedrichsplatz mit dem sehenswerten Landesmuseum für Naturkunde, durch den Nymphengarten und die Beiertheimer Allee. In der Unterführung beim Albtalbahnhof habe ich schon zwei Mal als DJ den Läufern eingeheizt. Tolle Akustik, tolle Stimmung! In der Breiten Straße scheint überraschend die Sonne. Der Wetterbericht hatte mieses Wetter angekündigt, es blieb aber bisher trocken. Nur der Sturm, der natürlich genau von vorne bläst, bremst mich seit einigen Kilometern. An der Europahalle vorbei geht es nun zum Ziel, das nebenan in einem kleinen Sportstadion ist.  Seit 2015 heißt das Beiertheimer Stadion nun Carl-Kaufmann-Stadion, um an einen Karlsruher Träger des Bundesverdienstkreuzes zu erinnern. Carl Kaufmann holte u.a. bei den Olympischen Spielen 1960 beim 400 m Lauf die Silbermedaille und eine weitere mit der 4x400 m Staffel. 1967 gründete er mit Freunden ein kleines Theater, das er bis zu seinem Tod 2008 leitete.

 


Mein 100. Marathon ist gleichzeitig mit weitem Abstand mein langsamster Stadtmarathon. 4:50:44 netto und Platz 731 von 839 Teilnehmern ist aber immerhin besser als meine erwarteten fünf Stunden und angesichts der Umstände ganz ok für mich.  

Die neue Strecke führt den Baden Marathon wieder zur alten Stärke zurück. Mir gefällt sie und ich bin froh, dass ich sie für meinen 100. ausgewählt habe.  Für die nächsten Monate war Nummer Hundert für mich der vorläufig  letzte Marathon, denn ich werde bis Ende 2019 10.000 km auf den schönsten Fernwanderwegen Deutschlands wandern, laufen, fotografieren und darüber schreiben, siehe

www.d-wanderer.de

Aber Marathon bzw. Ultramarathon Nummer 101 und viele weitere werden ganz bestimmt danach folgen.          

 

 

 

Impressionen Start / Schloss / Ziel

(Klaus und Margot Duwe)

 

 

 

Marathonsieger

 

Männer

1. Stützel, Simon Kuentzle Rechtsanwälte/ Rennwerk    2:24:37    
2. Uhrig, Jochen TSG-Weinheim    2:32:06    
3. Striegel, Timo Die Praxis Ludwigsburg 2:46:46


Frauen

1. Raatz, Simone Laufteam Rennwerk    2:55:44    
2. Rahmel, Anke    1 memler.de        3:14:23    
3. Honek, Jennifer LSG Karlsruhe    3:16:31

 

 

 

 

 

 

Informationen: Baden-Marathon
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