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Laufberichte

Ermstaler Tropenlauf

 

Thema Nummer eins bei der achten Auflage des Ermstal Marathons dürfte das Wetter sein. Diskussionen über die Definition von heiß und warm kann man hier und da verfolgen. Die einen sind der Meinung, es sei zu heiß zum Laufen, die anderen sind überzeugt, dass es lediglich sehr warm sei. Ich gebe meine Stimme denjenigen, die sich über den heißen Tag beklagen und behalte Recht. 

Die meteorologische Bezeichnung für Tage, an denen die Tageshöchsttemperatur 30 °C erreicht bzw. übersteigt, ist Hitzetag oder Tropentag. Die Höchsttemperaturen am Tag des Ermstal Marathons erreichen 33 Grad. Das ist schon mal geklärt. Nur noch das: Gemessen wird die Temperatur immer im Schatten. Wer die Strecke des Ermstal Marathons kennt, weiß, dass es Schatten dort nur sehr selten gibt. Die meiste Zeit wird in der prallen Sonne gelaufen.

Die Streckenführung ist einfach erklärt. In Metzingen geht es los über Dettingen und  bis nach Bad Urach. Dort wird gewendet und auf der gleichen Strecke zurück nach Metzingen gelaufen. Das sind dann exakt 21,096 Kilometer, die Strecke ist amtlich vermessen. Das heißt für uns Marathonis, zweimal nach Bad Urach und wieder zurück.

 

 

Bevor es losgeht, holen meine Lauffreunde und ich erst mal unsere Startnummern. Dazu müssen wir zum Wahrzeichen der Stadt Metzingen, nämlich zum Kelternplatz. Ursprünglich wurden in einer Kelter Weintrauben und anderes Obst barfüßig in einem Bottich zerstampft, um den Saft zu gewinnen. Später bediente man sich mechanischer Pressen. Heute gibt es statt der Keltern Saftfabriken.

Die sieben Keltern in Metzingen gibt es mind. seit 1281. Aufwendig restauriert sind sie Weinbaumuseum, Vinothek, Stadtbibliothek und Eventlocation in einem -  heute zum Beispiel für den Ermstal Marathon.  Hier ist die Startnummernausgabe, für wenig Geld bekommen wir auch noch einen Kaffee. In einer weiteren Kelter gibt es die Möglichkeit, einen Kleiderbeutel abzugeben.

Viele Läufer  nutzen die Gebäude, um vor dem Start möglichst lange der Sonne zu entgehen, die schon kräftig einheizt. Rund 130 Marathonis sind am Start. Sie werden gemeinsam mit den rund fünfhundert Halbmarathonläufern starten, so dass es auf dem Kelternplatz ordentlich voll ist. Zeitgleich startet auch der 10-Kilometerlauf in Bad Urach. Die rund eintausend Läufer werden uns auf der Strecke entgegenkommen. Alles ist eingespielt und funktioniert tadellos.

Es ist so weit. Die letzten Sekunden werden gemeinsam heruntergezählt und um Punkt neun Uhr geht es auf die Strecke. Über die Schönbeinstraße verlassen wir den Kelternplatz. Zuschauer stehen hier dicht gedrängt und machen ordentlich Stimmung. Wir biegen ein paarmal links und rechts ab, durchlaufen eine Unterführung und befinden uns schnell auf dem Fuß- und Radweg, der uns bis nach Dettingen führt. Im Gegenverkehr können  wir gleich schon Bekannte und Lauffreunde entdecken und abklatschen und uns gegenseitig alles Gute für den Tropenlauf wünschen.

Auch hier sind viele Zuschauer an der Strecke. Manche haben ihre Gartenmöbel einfach am Straßenrand platziert und sitzen bei einem späten oder zweiten  Frühstück, während sie uns lautstark verabschieden.  Etliche Rasensprenger, die die Anwohner netterweise auf die Straße gestellt haben, sind bereits in Betrieb und werden auch genutzt, um der Überhitzung vorzubeugen.  Dann haben wir Metzingen hinter uns und es geht raus in die Landschaft. Der  Fuß- und Radweg führt durch Felder und Streuobstwiesen, im Hintergrund sieht man die Vorläufer der Schwäbischen Alb.

 

 

Nach gerade einmal vier Kilometern bin ich schon ziemlich durchgeschwitzt. Mir ist klar, dass ich heute keine der zahlreichen Verpflegungsposten auslassen darf. Auch mein Tempo schraube ich gleich zu Beginn ordentlich nach unten, denn es wird ja noch heißer. Jeder noch so kleine Schatten wird ausgenutzt. Es fällt auf, dass entlang der Strecke in kurzen Abständen Helfer postiert sind. Sollte also tatsächlich jemand aufgrund der Hitze Probleme bekommen, ist Hilfe nie weit. Das finde ich sehr vorbildlich.

Schon bald kommen uns die ersten 10-Kilometerläufer entgegen. Die haben es ganz schön eilig und  wollen wohl noch vor der großen Hitze im Ziel sein. Das Feld hat sich dennoch weit auseinandergezogen, so dass uns auf den nächsten Kilometern immer Läufer entgegenkommen. Die Letzten im Feld werden für die zehn Kilometer bestimmt anderthalb Stunden brauchen, während der spätere Sieger Timo Göhlinger das Ganze in unter 32 Minuten ins Ziel bringt.

Auch eine Marathon4you-Reporterin ist im Feld der Kurzstreckler zu entdecken. Birgit Fender läuft heute zusammen mit ihrer Tochter Laura von Bad Urach nach Metzingen. Sie hat es nicht so eilig und es ist Zeit,  uns kurz zu drücken. Bald durchlaufen wir eine weitere Unterführung und finden uns in Dettingen wieder. Die Feuerwehr  hat für uns heute extra eine Dusche aufgebaut, die eifrig genutzt wird und auch noch den letzten Läufer erfrischen wird. Wir kommen in den historischen Teil des Ortes, der mir mit seinen zahlreichen Fachwerkhäusern und zahlreichen Gaststätten und Cafes wirklich gefällt. Teilweise sind die Terrassen der Gaststätten auch schon gut besucht und so ist uns weiterer Applaus sicher.

Etwa bei Kilometer 6 kommen wir zur Sportanlage von Dettingen, wo uns am Eingang eine weitere Dusche erfrischt. Auch die Verpflegungsstation nehme ich in Anspruch, bevor ich die halbe Runde auf der Tartanbahn drehe und die Sportanlage wieder verlasse. Nun geht es auf einem gekiesten Wanderweg weiter in Richtung Bad Urach. Es dauert auch nicht lange, dann kommen mir die beiden Halbmarathon-Führungsradler entgegen. Dahinter läuft Daniel Noll einem ungefährdeten Sieg in tollen 1:12 Stunden entgegen. Die Strecke wird nun auch etwas hügliger, ist aber immer noch gut zu laufen.

 

 

Am Ortsbeginn von Bad Urach laufe ich auf einen weiteren Marathon4you-Reporter auf. Herbert Orlinger ist extra aus Linz angereist, um hier dabei zu sein. Wir tauschen uns kurz über die Temperaturen aus, dann läuft jeder in seinem Tempo weiter. Die Straße bis zur Sportanlage säumen Kurhäuser auf der rechten und in den Hang gebaute Villen auf der linken Straßenseite. Wieder  drehe ich eine Tartanbahnrunde, nicht ohne die Verpflegungsstation zu plündern. Ein Müsliriegel muss als zweites Frühstück herhalten.

Die Sportanlage ist, umgeben von den Ausläufern der Schwäbischen Alb, wirklich toll gelegen. Auf einem der Hügel erkennt man die Burgruine Hohenurach aus dem 11. Jahrhundert, errichtet von den Grafen von Urach, heute Wahrzeichen der bekannten Kurstadt. Die Ruine ist frei zugänglich, kann jedoch nur zu Fuß erreicht werden. Auf unserer Strecke liegt sie (zum Glück) nicht. Noch ein Blick hinauf,  dann mache ich mich auf den Rückweg nach Metzingen.

Hier treffe ich nun auch auf meinen Lauffreund Jan. Auch er hat aufgrund der Temperaturen kein Interesse an einem schnellen Lauf. Er will nur ankommen und seinen 99. Marathon ins Ziel bringen, um in seiner Heimat Polen baldmöglichst die 100 voll zu machen. Wir laufen zusammen weiter. Das Feld ist ziemlich ausgedünnt, ein paar Halbmarathonis sind um uns rum, nur vereinzelt Marathonis. Der Rückweg ist relativ unproblematisch, denn wir nehmen reichlich Getränke zu uns, nutzen jede Dusche, decken uns mit Schwämmen ein und versuchen uns abzukühlen.

Die 30 Grad-Marke dürfte inzwischen erreicht sein. Während die Halbmarathonis in Metzingen geradeaus ins Ziel auf den Kelternplatz laufen, werden Jan und ich kurz zuvor auf die zweite Runde geschickt.

 

 

Zum zweiten Mal machen wir uns auf den Weg in Richtung Bad Urach. Die Metzinger feiern noch immer. Obwohl unser Tempo diese Bezeichnung eigentlich nicht verdient und wir uns im hinteren Teil des Feldes befinden, gibt es reichlich Applaus, was die Brust dann schon etwas anschwellen lässt. Viele Kinder helfen  an den Verpflegungsstellen mit. Sie sammeln Schwämme ein, tränken sie in kühlem Wasser und reichen sie voller Eifer an die Läufer weiter.  Man sieht ihnen die Freude an, Teil des Marathons zu sein. Und wir sind dankbar.

Es ist verflucht heiß und ich würde alles für eine kühle Dusche geben. Die Erfrischungen helfen nur noch sehr kurz. Als wir Metzingen zum zweiten Mal verlassen, kommt uns auch schon der Führende entgegen. Richard Schumacher wird den Marathon völlig ungefährdet in 2:26 Stunden gewinnen, während wir noch ein ganzes Stück bis nach Bad Urach vor uns haben. Auch die Siegerin Silke Holzmann, die 3:10 Stunden für den Marathon benötigt, kommt uns schon bald entgegen. Jetzt beneide ich die schnelleren Läufer vielleicht zum ersten Mal.

Etwa auf halber Strecke nach Bad Urbach sind es immer mehr Marathonis, die uns entgegen. Das sorgt etwas für Ablenkung, denn es gilt, den/die eine(n) oder andere(n) Läufer(in) ausfindig zu machen und zu begrüßen. Schließlich sind wir wieder in Bad Urach, wenden und laufen zurück. Jetzt bin ich gespannt zu sehen,  wie viele Marathonis hinter uns liegen. Die Zählerei ist ernüchternd: Zwei kostümierte Bekannte, vom  Besenfahrrad begleitet, das ist es dann auch schon. Wenigstens nicht Letzter.

Wir plagen uns einsam in der Hitze zurück in Richtung Metzingen. Bei einem leichten Anstieg gibt ein verdorrter alter Baum ein klassisches Westernmotiv ab. Fehlt nur der Geier, der nach Beute Ausschau hält. Seltsam, auf welche Gedanken man kommt. Dann bekommen wir die Nachricht, dass die beiden Letzten in Bad Urach ausgestiegen sind und wir nun die Rote Laterne haben. 

 

 

Das wollen wir aber nicht auf uns sitzen lassen. Im (sehr begrenzten) Rahmen unserer Möglichkeiten legen wir eine Schippe drauf und können sage und schreibe fünf Plätze bis nach Metzingen gut machen. Auf der Zielgeraden machen Jan und ich dann sogar nochmal richtig Tempo. Das kommt bei den immer noch zahlreichen Zuschauern am Streckenrand gut an. Beim Ermstal Marathon wird eben auch noch die Leistung der Letzten gewürdigt.

Wir warten auf den letzten Finisher, der nicht nur mit Applaus, sondern auch mit Queen`s „We are the champions“ ins Ziel „getragen“ wird. Der strapaziöse, aber doch sehr schöne Tropenmarathon durch das Ermstal liegt hinter mir.

 
 

Marathonsieger

 

Männer

Schumacher, Richard    2:36:03     
Keinath, Peter    TSV 1896 Glems e.V.    2:45:34     
de Franceschi, Luigi    PT Reutlingen    2:52:53

Frauen

 Holzmann, Silke    SV Ohmenhausen    3:10:46     
 Förster, Basilia    Team ERDINGER Alkoholfrei3:23:04     
 Gabris, Ramona    tsv frickenhausen 3:40:48

 

Informationen: Ermstal-Marathon
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