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Laufberichte

Die unbekannte Schöne

 

Erstaunt stellte ich bei meiner Laufplanung Anfang des Jahres fest, dass es in Niederbayern nicht nur den Thermenmarthon in Bad Füssing gibt. Im rund fünfzig Kilometer entfernten – und somit für mich sogar näher gelegenen – Thurmansbang sollte heuer bereits zum dreizehnten Mal der Dreiburgenland Marathon über die Bühne gehen.

Dass dieser Landschaftsmarathon offensichtlich nicht nur mir unbekannt war, ließen die Teilnehmerzahlen der letzten Jahre erkennen. Meist nur etwas über dreißig Teilnehmer, in den Spitzen knapp über sechzig, das spricht nicht gerade für den Bekanntheitsgrad dieses Laufes. Aber ich bin neugierig und trage den Termin schon früh im Jahr in meinen Laufkalender ein.

Thurmansbang ist ein 2.000-Seelen-Dorf im südlichen Bayerischen Wald. Es gehört zur Gemeinde Freyung-Grafenau und liegt rund dreißig Kilometer nördlich der Dreiflüssestadt Passau, die erst im vergangenen Jahr wieder durch ein Jahrhunderthochwasser in die Schlagzeilen geriet. Thurmansbang selbst ist aber wohl eher den Motorradfahrern bekannt. Seit 1988 findet alljährlich Europas größtes Winter-Biker-Treffen in Loh bei Solla, einem Gemeindeteil von Thurmansbang statt. Über 5000 hartgesottene Biker aus ganz Europa finden alljährlich so den Weg nach Thurmansbang. Vielleicht ist dem ein oder anderen von euch im Februar auf dem Weg zum Thermenmarathon schon mal die ungewöhnlich hohe Dichte von Bikern auf der Autobahn aufgefallen. Die sind sicher alle auf dem Weg zum Elefantentreffen, so heißt diese Veranstaltung. Namensgeber war übrigens der Gründer Ernst Leverkus, der das Treffen eigentlich für Eigner der bekannten Zündapp KS 601-Gespanne, die im Volksmund auch als „Grüne Elefanten“ bekannt sind, organisiert hatte.

Doch dieses Wochenende sind wir nicht zum Biken in Thurmansbang. Ich schon gar nicht, ich besitze weder ein Motorrad, noch die dafür erforderliche Fahrerlaubnis. Ich will laufen. Veranstalter des Dreiburgenland Marathons ist Ludwig Schürger, Besitzer des gleichnamigen Wellnesshotels im Ort. Start und Ziel befinden sich gleich direkt gegenüber dem Hotel und sind somit leicht zu finden. Im Hotel hat man nach dem Lauf auch die Möglichkeit zu Duschen, auch eine Entspannungsmassage ist mit im Startgeld enthalten. Doch so weit sind wir noch nicht. Erst mal müssen wir uns die Starnummern holen. Im Startbereich finden wir eine Doppelgarage. Die linke Garage ist für die bereits gemeldeten, die rechte Garage für die Nachmelder. Praktisch. Ich bin heute mit Bernie Manhard und Jan Kiwior von unserem Team TOMJ hier. Bernie und ich sind schon vorangemeldet und haben in kürzester Zeit unsere Startunterlagen in der Hand. Jan muss nachmelden, braucht aber nur unbedeutend länger. Alles ist hier sehr entspannt und locker. Die Mädels an der Startnummernausgabe sind freundlich, besser kann ein Marathonmorgen doch nicht beginnen.

Da wir schon frühzeitig angereist sind, nutzen wir die Zeit noch für eine kurze Runde durch den Ort. Auffällig ist die Freundlichkeit der Thurmansbanger. Immer ein Lächeln im Gesicht und ein freundliches „Guten Morgen“, egal wen wir treffen. Man spürt, man ist  willkommen. Auf dem Rückweg zum Startbereich treffen wir auch gleich auf Ludwig Schürger und wir kommen kurz mit ihm ins Gespräch. Er erzählt, dass er selbst leidenschaftlicher Läufer sei und die ganzjährig ausgeschilderte Strecke des Marathons regelmäßig laufen würde. Das sind dann 21 Kilometer, denn der Marathon hat zwei Runden. Gesundheitlich war es vor Jahren wohl nicht zu gut um ihn bestellt und ein Arzt riet ihm zum Sport und so begann er zu laufen. Heute ist Ludwig topfit und in mehreren Sportarten aktiv. Er bietet zusammen mit seinem Wellness-Hotel nicht nur Wanderungen, sondern auch Ski-Schuh-Touren und Ballonfahrten an. Aus den Worten von Ludwig hört man zu jeder Sekunde die Begeisterung für den Sport und auch den Stolz, dass seine Veranstaltung, der Dreiburgenland Marathon bereits in die dreizehnte Runde geht.

Um zehn Uhr ist es dann so weit. Immerhin 36 Marathonis haben sich am Start eingefunden und bekommen noch eine kurze Einweisung. Ein Teil der Strecke soll nämlich auf einer Staatsstraße verlaufen, die für den Verkehr nicht gesperrt ist. Dafür sind Warnschilder angebracht, die die Autofahrer auf die Läufer hinweisen.

Dann ist es soweit und los geht`s. Thurmannsbang und die einzigen Zuschauer haben wir bereits nach rund fünfhundert Metern hinter uns gelassen.  Bernie und ich schiessen unsere ersten Fotos  und müssen feststellen, dass wir schon das Schlusslicht der 36 Läufer bilden. Aber erst gilt es mal auf dem nächsten Kilometer die ersten einhundert Höhenmeter dieses Laufs zu überwinden. Auf einer Teerstraße geht es in den Wald und das stetig bergan, so dass man relativ schnell warmgelaufen ist. Das Feld hat sich hier schon relativ auseinandergezogen. Die meisten Teilnehmer sind doch eher ambitionierte Marathonläufer und laufen um Platz und Sieg.

Oben angekommen, mündet die Teerstraße in einen breiten Waldweg, der die nächsten Kilometer sachte bergab führt. Es ist ein Traum, hier zu laufen. Der Mischwald zeigt sich hier von seiner schönsten Frühlingsseite, das Laub bedeckt und polstert die Waldwege … einfach nur schön. Also laufen lassen und genießen. Als wir unten ankommen, verlassen wir den Wald für ein kurzes Stück und haben sattgrüne Wiesen neben uns. Kurz darauf biegen wir auf dem Feldweg nach links ab, um uns dem nächsten Waldstück zu nähern. Bäume mit rosa und weißen Blüten säumen den Weg. Ich treffe hier auch wieder mit Bernie zusammen. Er war sich anfangs nicht sicher, ob er aufgrund seiner Achilles-Sehnen-Probleme beide Runden laufen sollte. Zu schön sind Wetter und andschaft, als dass er im Ziel zwei Stunden auf Jan und mich warten wollte. Sein Entschluss beide Runden zu laufen, ist schnell gefällt. Im Wald angekommen, gibt es den nächsten Anstieß zu bewältigen.

Ein kurzes Stück durch den Wald, dann ist Altfaltern erreicht. Wir befinden uns mittlerweile bereits im Passauer Landkreis. Das Örtchen Altfaltern haben wir schnell hinter uns gelassen und wir machen uns auf Richtung Schadham, das wir nur touchieren. Weiter geht`s in Richtung Kollnberg. Nun laufen wir weiter auf der Staatsstraße, die laut unserer Einweisung am Start auf der linken Straßenseite zu belaufen ist, da ja diese für den Verkehr nicht gesperrt ist. Die Verkehrsteilnehmer haben sich aber offensichtlich auf den Lauf eingestellt. Sie nehmen ausnahmslos Rücksicht.

Die Strecke ist nun nicht einfach zu laufen. Wer sich nämlich eine gerade Staatsstraße vorstellt, der liegt falsch. Die Straße schlängelt sich in permanentem auf und ab durch Landschaft. Rechts von uns sieht man kurz die Englburg. Sie liegt weithin sichtbar auf einem Bergrücken und ist unter anderem Namensgeber des Dreiburgenlandes.  Die anderen beiden Namensgeber, die Burg Fürstenstein und die Saldenburg bekommt man während des Laufs nicht zu Gesicht. Nach einer Verpflegungsstelle in Loderhof, einer weiteren kleinen Ortschaft, nähern wir uns dem Museumsdorf Bayerischer Wald.

Das Museumsdorf umfasst ein Gelände von etwa fünfundzwanzig Hektar Land. Hier können rund 150 Gebäude aus den Jahren 1580 bis 1850 besichtigt werden. Auch 60.000 Objekte sind in der dazugehörigen volkstümlichen Sammlung ausgestellt. Wir laufen direkt am Gelände des größten Freilichtmuseums in Europa vorbei und können einige Blicke ins Dorf werfen. Heute hat das Dorf nach der Winterpause den ersten Tag wieder geöffnet, doch trotz der moderaten sechs Euro Eintrittsgeld habe ich keine Zeit, mir den Blick in ein Stück bayerischer Zeitgeschichte zu gönnen. Schade eigentlich, aber ich bin ja schließlich auch zum Laufen hier. 

Vorbei am Museumsdorf müssen wir die Straßenseite wechseln. Durch eine Unterführung unter der Staatsstraße hindurch, ein paar Treppenstufen hoch und schon sind es nur noch ein paar hundert Meter und wir haben den Dreiburgenlandsee erreicht. Der See ist wunderschön gelegen und wir legen die ersten paar Meter auf einem Wanderweg rund um den See zurück. Ein wohl künstlich angelegter Sandstrand ist im Sommer sicherlich ein Magnet für junge Familien und ihre Kinder. Etwas weiter passieren wir das Hinweisschild auf einen Barfußpfad. Hier kann man, natürlich mit blanken Füßen, die natürlichen Untergründe am eigenen Leib erfahren. Schon ein paar Schritte weiter erreichen wir die nächste der gut ausgestatteten Verpflegungsstellen an der Bründl-Kapelle. Hier kann man Heilwasser schöpfen, das vor allem Augenleiden lindern soll. Da ich die schöne Umgebung aber ohne Probleme wahrnehmen kann, entscheide ich mich für einen Becher Cola und laufe weiter.

Auf dem weiteren Verlauf der Strecke über Eggenreuth zurück in Richtung Thurmansbang gibt es noch eine paar Anstiege zu überstehen, wobei ich immer mehr Walker überhole, die auch Teil des Dreiburgenland Marathons sind. Die Spitze der eine Stunde nach uns gestarteten Halbmarathonis kann mich bis Thurmansbang nicht einholen und so ordne ich mich nach Erreichen des Zielbogens vor dem Wellnesshotels Schürger auf die linke Spur ein und beginne meine zweite und letzte Runde.

Bernie ist zu diesem Zeitpunkt noch bei mir, wir haben wohl nur noch zwei Mitläuferinnen hinter uns. Die Temperatur hat inzwischen lauffreundliche 13  Grad erreicht und nur gelegentlich verdecken ein paar harmlose Wolken die Sonne. Nun weiß ja jetzt, was kommt und die Bilder sind gemacht. Ich stecke meine Kamera weg und konzentriere mich voll auf`s Laufen. Ab und zu kann ich Bernie noch hinter mir entdecken, später muss ich ihn ziehen lassen und auch die bis dahin vorletzte Läuferin kann ich nicht halten. Immerhin bin ich noch nicht letzter.

Kurz vor Thurmansbang springt mir plötzlich Bernie vor die Füße. „Da rechts ist eine Hütte, da musst Du hin“, ruft er mir zu. Ich verstehe nur Bahnhof. Als ich auf Höhe der Hütte ankomme, sehe ich eine Gruppe Jugendlicher, die dort den Grill angeworfen hatten. Bernie hatte sich wohl mal schnell selbst eingeladen. „Komm doch rüber“, rufen sie mir zu, „Dein Kumpel hat Dir noch einen Schluck Bier übergelassen“. Zu verlockend ist die Idee, doch ich muss dankend ablehnen. Ein Blick zurück verrät mir, dass die Läuferin mit der roten Laterne gefährlich nahe kommt. Auch wenn mir Platzierungen und Zeiten wirklich egal sind, letzter wollte ich dann doch nicht werden. So habe ich auf den letzten Kilometern wirklich noch zu ackern.

Ich bin 35er bei einem Marathon. So eine gute Platzierung hatte ich noch nie erreicht, was aber nur aufgrund der 36 Teilnehmer möglich ist. Im Ziel erwarten mich Jan und Bernie, doch nach einem kurzen Abklatschen flüchte ich erst mal in die angrenzende Wiese, wo ich mich erst mal ablegen und erholen muss. Der Kampf auf den letzten Kilometern gegen Margit hatte mich doch ganz schön angestrengt. Als ich wieder bei Kräften bin, gratulierte ich ihr zum Finish. Sie erzählt, dass sie mich schon die ganzen letzten Kilometer beobachtet hätte und dass ihr klar war, dass ich zu kämpfen hatte, da sie meine ständigen Blicke über die Schulter bemerkt hatte. Eigentlich wollte sie mich noch einholen. Wieder einmal zeigt sich, wie toll Marathon ist. Man läuft mal miteinander, mal gegeneinander und egal wie es ausgeht, am Ende sind alle stolz, nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf die Mitläufer. Welcher Sport hat das zu bieten?

Ein abschließendes Fazit? Der Dreiburgenland Marathon ist ein toller Landschaftslauf mit einer anspruchsvollen Stecke. Rund 950 Höhenmeter haben Bernie und ich auf der Uhr. Die wenigen Teilnehmer am Marathon werden der liebevoll betreuten Veranstaltung eigentlich nicht gerecht, aber allzu viele Teilnehmer würden dem Lauf möglicherweise den Charme nehmen. Allerdings ist festzustellen, dass viele Marathonis Tempo machen, da wegen der geringen Teilnehmerzahl gute Platzierungen winken, was mir bekanntermaßen nicht wichtig ist.

 Ach ja, ich wurde Dritter in der Altersklasse M40 ….

 

Informationen: Dreiburgenland-Marathon
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