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Laufberichte

Gaul Günter

07.06.14

Bilder werden nachgeliefert. Die Red.

 

Heute ist mein Tag - ich habe Ekkehart Steuck überholt! Das kommt nicht all zu oft vor, weil Ekki fast 10 Jahre älter ist als ich, damit auch zehn Jahre mehr trainieren konnte und außerdem fast 500 Marathons mehr auf dem Buckel, oder besser gesagt - in den Beinen hat. Und das wird auch so schnell nicht wieder vorkommen. Denke ich mir, als ich so an ihm vorbeifahre, auf der B6 Richtung Bad Harzburg…  

Auch beim Empfang der Startunterlagen bin ich der Erste. Drei Stunden vor dem Start – das muss eigentlich nicht sein. Die Helfer sind noch bei der Vorbereitung, ich bin ihr Übungsobjekt: Die Unterlagen für den Marathon gibt es dort. Ach nein, dort… Ich hätte gesagt, warte die Zeit ab, bis wir fertig sind.

Mein frühes Erscheinen sichert mir einen VIP-Parkplatz, unmittelbar am Start. Dort kämpfe ich im Auto mit Shirt, Startnummer und Sicherheitsnadeln. Und mit dem Schweiß. Und stelle fest, dass ich schon wieder gegen Ekki verloren habe. Der parkt vor mir, holt einen Klappstuhl aus dem Kofferraum und macht einen auf Urlaub!

10.10 Uhr starten wir Marathonläufer. Weil die Startzeit 10 Uhr schon für die Halbmarathonis vergeben ist. Ist ja auch egal, denn wenn ich mal ehrlich sein will, sind wir hier alle fehl am Platz. Hier starten normalerweise Pferde! Rassige Vollblüter – und nicht so etwas wie ich…

Normalerweise wird hier auch gewettet. Ihr solltet auf die „54“ setzen, auf Gaul Günter. Vielleicht nicht auf Sieg, aber auf Platz. Gut, wenn ihr in meiner bisherigen Laufstatistik blättert, das Risiko ist hoch. Aber wer nicht wagt, auch nicht gewinnt…

Übrigens, wer richtige Pferde sehen und richtiges Geld verlieren will: Vom 19. – 27. Juli findet hier die 135. Bad Harzburger Galopprennwoche statt.

Vom Start unterhalb der Tribüne müssen wir eine Runde durch das Rennbahngelände galoppieren. Dann kommt einer der wenigen Asphaltabschnitte, ein leichter Anstieg. Und nach reichlich einem Kilometer die erste Getränkestelle. Ich greife zu, der Wetterbericht hat es mir empfohlen.

Wie im vergangenen Jahr bin ich auch heute wieder mit meinem Freund Bernd Neumann unterwegs. Er hat im vergangenen Jahr den Laufbericht geschrieben. Heute bin ich dran, man kann nicht immer Glück haben.

Bis etwa Kilometer drei ist das ein ganz normaler Marathon. Auf fast ebenen Weg geht es durch den Wald, die Welt könnte so schön sein. Aber wer sich unten am Start die Höhengrafik angesehen hat, weiß, was er ohnehin schon wusste – wir sind im Harz. Daher nennt sich das Ding auch Berglauf. Und so gleicht die Grafik einer Fieberkurve. Ist aber Gott sei Dank keine, denn wäre es eine, würde wohl die Diagnose lauten: Patient tot! 1100 Höhenmeter, verteilt auf zwei Runden, warten auf uns.

Mit kleinen Unterbrechungen spielen wir von Kilometer 3 bis etwa Kilometer 8 Wandertag. Eine Schande ist das nicht, wir machen ja nur das, was vom 13. bis 18. August hier zu einer Massenepidemie werden wird. Denn dann ist Bad Harzburg zentraler Veranstaltungsort für den 114. Deutschen Wandertag. 

Ich sollte vielleicht auch mal ein Wörtchen zum Wetter verlieren. Und da mir sonst nichts einfällt, was ich den Organisatoren dieses Laufes in die Schuhe schieben kann – das Wetter haben sie nicht im Griff. Im vergangenen Jahr Regen, Wind und Kälte. Wenn man Sauwetter schreiben dürfte, ich würde diesen Begriff benutzen. Und dieses Jahr? Die Sonne und Temperatur beglücken uns so, wie man es sich für den Urlaub am Meer wünschen würde. Aber nicht für einen Marathon! 

Als wir die Anstiege hinter uns haben, steht eigentlich schon fest, dass all jene, die auf einen Gesamtsieg von Gaul Günter gesetzt haben, ihre Kohle abschreiben können. Trotzdem werde ich immer schneller. Bernd, der etwas angeschlagen in den Lauf ging, bleibt zurück. Normalerweise würde ich auf ihn warten. Normalerweise – aber heute nicht, da ziehe ich durch. Warum? Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich hätte ich bei dieser intensiven Sonneneinstrahlung eine Mütze aufsetzen sollen…

Von Kilometer 8 bis etwa Kilometer 15 geht es fast nur bergab. Und zu überholen gibt es auch was. An einer Verpflegungsstelle eine Läuferin, kurz danach einen Läufer. Ich dachte, das sei gut für die Platzierung. Umso größer die Enttäuschung, als ich an der Startnummer feststelle, dass es Halbmarathonis sind.

Läufer schimpfen bekanntlich gern auf Anstiege. Ich auch. Aber irgendwann sehne ich mich heute danach, dass es endlich mal wieder bergauf geht. Nach diesem kilometerlangen Wahnsinn bergab. Das rechte Knie droht mit Generalstreik, der Rücken begibt sich in einen Warnstreik. Aber den kenne ich, der will  nur seine Tablette.
 
Als ich auf den Beginn der Runde zwei zulaufe, beide Runden sind identisch, befinde ich mich laut schon erwähnter Höhen-Fieberkurve eigentlich im Wohlfühlbereich. Dem eigenen Befinden nach bin ich jedoch schon tot – nichts geht mehr. Ich habe das Kunststück fertiggebracht, mich bergab kaputt zu laufen. Ja klar, ihr wisst das, bergab soll man besser einen Gang rausnehmen. Darauf braucht ihr aber nicht Stolz zu sein – gewusst habe ich das auch. Aber lauft mal stundenlang ohne Mütze in praller Sonne…

Panik kommt in mir auf, als ich hinter mir zwei Läufer sehe. Das geht doch gar nicht, nach diesem Sprint bergab. Wer dort schneller war als ich, der muss abgekürzt haben! Haben die Beiden aber nicht, die haben ja nicht mal eine Startnummer. Die laufen nur so durch den Wald. Und da sie keine Rennpferde sind,  kann ich sie wunderbar als Zugpferde nutzen.

Der Bereich zwischen Kilometer 17 und 23 zieht sich. Es bieten sich einige schöne Blicke auf Bad Harzburg und Umgebung, man läuft auf schmalen Pfaden, befestigten Waldwegen, ein kurzes Stück geht es ganz steil hinunter. Abwechslungsreich, eigentlich nichts zu meckern, außer eben, dass es einfach nicht vorwärts geht. Warum auch immer.

Da beide Runden identisch sind, könnte ich hier meinen Streckenbericht beenden. Alles wie gehabt. Wär da nicht diese Wegschleife an einem abgeholzten Waldstück zu Beginn des Anstiegs. Ich schaue zurück und was sehe ich, keine 500 Meter hinter mir – meinen Freund Bernd! Eh, ich war schnell – und nun hat er mich fast wieder ein. Ist die Welt böse…

Doch plötzlich ein Erfolgserlebnis. Was sehen meine Adleraugen vor mir – einen Läufer! Das kann keiner mehr von diesen Halbmarathonis sein, den hole ich mir, eine Platzverbesserung ist greifbar nah. War greifbar nah. Denn an der nächsten Verpflegungsstelle sitzt er gemütlich auf dem Gartenstuhl und teilt mir mit: Für mich ist Schluss! Schade, für uns beide…

Verpflegungsstellen sind ausreichend vorhanden. Gut, ausreichend wär bei dieser Hitze eine Verpflegungsstelle pro Kilometer – meint mein Durstgefühl. Aber das wäre wohl etwas unrealistisch. Ich mache den Fehler, dass ich immer wieder zu viel trinke und danach mit dem Iso- oder Colabauch nicht in die Gänge komme.

Als ich füllungsbedingt wieder mal ein Stück gehen muss, treffe ich auf Heinrich Schütte. „Auch kaputt“, frage ich ihn. „Nein“, antwortet er, „Ich habe mir eine Zeit unter 6 Stunden vorgenommen, das schaffe ich noch.“ Du schon, denke ich…

Wir kommen ins Gespräch. Er ist ja bekanntlich der Organisator des Marienburg-Marathons, der im vergangenen Jahr erstmals stattfand und viel Zuspruch fand. Am 22. November gibt es die zweite Auflage. Könnte man ja mal mitlaufen, da ist es mit Sicherheit nicht so heiß wie heute…
Ich mache noch ein Foto: Heinrich Schütte vor dem höchsten Berg des Harzes, dem Brocken. Vor einem Jahr war er nicht zu sehen. Der Brocken, meine ich, Schütte war auch schon dabei…

Durch unser Gespräch habe ich ganz vergessen, dass wir verfolgt werden. Und prompt bekommen wir Besuch von hinten. Es ist aber nicht Bernd, wie befürchtet, es  ist Helga Backhaus, die da angetrabt kommt. Und mir etwas erzählt, was mir bekannt vorkommt: Unter 6 Stunden ist noch möglich. Dann sagt sie, wenn wir es nicht schaffen, ist es auch nicht schlimm. So etwas darf man aber zu mir nicht sagen. Denn wenn es nicht schlimm ist, später anzukommen, warum soll ich mich dann anstrengen?

„Marienburg-Schütte“ verlässt uns, ab sofort heißt das Stück: Helga und Günter allein im Wald. Helga läuft langsamer als ich, so falsch ist das nicht, wir hätten uns schon in der ersten Runde treffen sollen. Wir bleiben zusammen bis zum Ziel.

Nein, bis kurz vor dem Ziel. Da gebe ich nochmal so richtig Gas, will vor Helga am Zielstrich sein. So ein Heini, wird die denken. Bald zehn Kilometer keucht er neben mir her, und kurz vor dem Ziel macht er einen auf Rennpferd – dieser Angeber. So war es aber nicht. Ich wollte sie nur vor dem Zieleinlauf fotografieren.

Natürlich muss noch ein Foto sein: Helga mit Medaille. Aber als ich mich dann mit meinem ersten Bier auf einer Bank niederlasse, werde ich stutzig. Hier fehlt was – die haben mir keine Medaille gegeben. Ich hätte nicht gedacht, dass ich nach der Anstrengung noch so schnell von der Bank aufspringen kann…

Ich muss noch etwas gestehen. Auch auf die Gefahr hin, dass dem Bad Harzburger Bergmarathon im kommenden Jahr der Biersponsor abspringt. Drei große Becher Bier habe ich in mich geschüttet, alkoholfrei, versteht sich… Das dritte Bier mit Bernd, dem die Hitze gar nicht bekommen ist. Aber wie zu erwarten keins mit Ekki, da der zu diesem Zeitpunkt schon wieder auf der B6 unterwegs war….

Zum Schluss noch ein Hinweis für alle, die zu geizig waren, auf Gaul Günter zu setzen. Der Gaul war absolute Spitze! Ich bekomme doch tatsächlich noch eine Urkunde – Platz zwei in der Altersklasse 60. Ich bin einfach gut. Will aber auch nicht ausschließen, dass ich davon profitiert habe, das so manche Läufergattin meiner Altersklasse zu ihrem Mann gesagt hat: Pfingsten bleibst du mir zuhause!


Marathonsieger

Männer

1     Kühlmann, Thomas                         NSV Wernigerode                           2:49:48

2     Schwarzbach, Dirk                          TSV Kirchdorf                                2:51:05

3     Hesse, Jörn                                      Delligser SC                                    3:03:17
        
Frauen

1     Mikolajski, Katrin                           VfL Tegel Berlin                             4:16:24

3     Liebenehm, Frauke                         ASC Ulm / Neuulm 2011                4:29:14

4     Schröter, Ilka                                                                                           4:35:25                                  
 

 
         
   

 

 

 

Informationen: Bad Harzburger Bergmarathon
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