Nach dem witterungsbedingten Abbruch des Swiss Irontrail (Pontresina–Chur) in der Nacht auf Samstag steht fest: Künftig ist für eine Teilnahme am längsten, härtesten und höchst gelegenen Ein-Etappen-Traillauf der Alpen eine Qualifikation vonnöten.
„Ich weiss nicht, ob ich nochmals den Mut habe, mich für den T201 anzumelden.“ Gleich wie Christine Gehmacher aus der Chiemsee-Gegend dürfte es im Zusammenhang mit dem Swiss Irontrail manchen Läufern ergehen. Die Topographie stellt allerhöchste Anforderungen an die Sportler, bei schwierigen äusseren Bedingungen wie am Wochenende scheint die Aufgabe nur für einen Bruchteil machbar. Sprich: Einige schienen bei der Premiere überfordert. Kurz nach Mitternacht, als das Rennen wegen des nasskalten Wetters und dichten Nebels abgebrochen wurde, hatten sie teilweise noch nicht einmal ein Viertel der – ebenfalls aus Wettergründen von 201 auf 154 Kilometer verkürzten – Strecke hinter sich. Gleichwohl waren sie bereits an ihre körperlichen (und psychischen) Grenzen gestossen.
Die Konsequenz: Nächstes Jahr darf am T201 – bei dem die Langsamsten drei Tage und zwei Nächte unterwegs sind – und am T141 (der ebenfalls abgebrochen wurde) nur noch starten, wer sich mittels eines adäquaten Systems dafür qualifiziert. Heuer hat sich nämlich herausgestellt, dass sich unter den Teilnehmern selbst Trail-Running-Einsteiger befanden. „Letztlich provozierten unerfahrene und ungenügend vorbereitete Läufer den Rennabbruch“, sagt OK-Präsident Andrea Tuffli. Geradezu wütend auf diese war Denise Zimmermann. „Die Teilnehmer sollten genauestens wissen, worauf sie sich einlassen“, sagte die zum Zeitpunkt des Wettkampfabbruchs führende Frau.
Das starke Leistungsgefälle im Feld war schon auf Fuorcla Surlej (2755 m ü. M.) unverkennbar. Dabei hatten die Läufer zu jenem Zeitpunkt erst elf von 154 Kilometern und 950 von total 8300 Steigungsmetern in den Beinen. Die folgenden neun Kilometer und knapp 1000 Meter Höhendifferenz hinunter nach St. Moritz Bad vergrösserten die ohnehin schon beträchtlichen Zeitabstände weiter, noch ausgeprägter der anschliessende, 14 Kilometer lange und mit 1348 Höhenmetern gespickte Aufstieg zum Piz Nair. Den auf 3022 Metern Meereshöhe gelegenen Kulminationspunkt des Swiss Irontrail erreichten indes längst nicht alle.
Anders die Schnellsten, die Bergün (1367 m ü. M.) – bis zum Zeitpunkt des Rennabbruchs der tiefste Punkt am Swiss Irontrail – längst passiert hatten. Der an der Spitze laufende Marco Gazzola (Claro) befand sich bereits bei der Ela-Hütte und wartete auf Adrian Brennwald (Aeugst am Albis), seinen ersten Verfolger. Gemeinsam machten sie sich nach zwei Fünfteln der Strecke auf den „Heimweg“. Den Entscheid der Rennleitung bedauerten sie zwar, nahmen ihn jedoch sportlich hin. „Das Wetter ist nun mal nicht änderbar“, so Gazzola. Auf die laut mehreren Läufern schlechte Streckenmarkierung angesprochen meinte der Tessiner: „Es reicht halt nicht, wenn man die Karte dabei hat; man muss sie auch lesen können.“
Egal ob ambitionierter Spitzenathlet oder exzellent trainierter Hobbyläufer: Nach dem stimmungsvollen Start auf der von vielen Zuschauern gesäumten und hiefür geeigneten Dorfstrasse in Pontresina sowie dem rund acht Stunden später erfolgten Wettkampfabbruch dürfte es vielen ergehen wie Daniel Zünd aus Egnach. „Wenn ich mich jetzt anmelden könnte, würde ich dies sofort tun.“ Oder Andreas Allwang aus München. „Ein Rennen so zu beenden ist unbefriedigend – also komme ich nächstes Jahr wieder.“ Wie wohltuend diese Worte für Andrea Tuffli und sein Organisationsteam sein müssen...
Das Teil-Abenteuer Swiss Irontrail ermöglichten den 520 Gestarteten des T201 und des T141 rund 300 Helfer. „Sie leisteten vor und nach dem Rennabbruch einen hervorragenden Job“, sagt Sabine Wieckhorst aus der Umgebung von Hamburg stellvertretend für zahlreiche Teilnehmenden. Dessen ist sich auch der Veranstaltungschef Andrea Tuffli bewusst. „Den vielen Ehrenamtlichen – speziell den Angehörigen der SAC-Sektionen Bernina, Piz Platta, Arosa und Chur – möchte ich einen besonderen Dank aussprechen. Ohne ihren grossartigen und kompetenten Einsatz sowie die spontane Hilfe mitten in der Nacht wäre es nicht möglich gewesen, die Extremsituation unfallfrei, innert nützlicher Frist und mit einer Ausnahme ohne Unterkühlungen zu meistern.“
Ebenfalls beispiellos agierten die Zuständigen der Gemeinde Pontresina. Nach der Startverschiebung am Freitag halfen sie spontan, im Zelt ein Happening mit Pasta-Party und Musik auf die Beine zu stellen. „So konnten wir die Zeit bis zum Rennbeginn würdevoll überbrücken“, so Tuffli. Nach Wettkampfabbruch öffnete die Gemeinde St. Moritz spontan das Tenniszentrum für die Unterbringung der Läufer.