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Laufberichte

Raubritter, finstere Mühlen und Gold im Tal

21.04.13
Autor: Joe Kelbel

Am  Roten Kreuz wurde es für die Kaufleute, die zur Messe nach Frankfurt reisten, äußerst gefährlich. Das Rote Sandstein-Kreuz markiert die ehemalige Zollstation zwischen den Herrschaftsgebieten der Reiffensteiner und der Hattsteiner Raubritter, die es nicht nur bei der Zollerhebung beließen.

Frankfurt schickte Strafexpeditionen in den Taunus, woraufhin sich die Reiffenberger und Hattsteiner mit den Kronberger Raubrittern verbündeten. In der Schlacht von Eschborn bereiteten die zahlenmäßig weit unterlegenen Raubrittern den Frankfurtern die größte Niederlage ihrer Geschichte.

“O Frankfurt! Frankfurt! Gedenke dieser Schlacht!” so steht es in der  Chronik.

An diesem Sonntag schauen die Frankfurter wieder hoch in den Taunus, denn es versammeln sich Kämpfer in der Hattsteinhalle in Schmitten Arnolshain, unterhalb der Burgen Reifenberg und Hattstein. Doch man will sich nicht mit den Frankfurtern messen, man will nur das schöne Weiltal bekannt machen. Also wird nach Norden gelaufen, weg von Frankfurt, hinein das frühlingshafte Tal der Weil, nur weg von der Großstadt.

Die Burg Reiffenstein mit seinen vier Meter dicken Mauern und der in den Fels gehauenen Pulverkammer ist sehenswert. Dafür in der JH Schmitten übernachten. Hattstein ist schon seit 400 Jahren zerstört und die Reste im Wald kaum noch sichtbar. Vom Parkplatz an der L3025, am Angelweiher, geht der Sängelbergweg hoch zu den kaum sichtbaren Resten der Ruine Hattstein, die 1467 von den Reiffenbergern zerstört wurde.

Oberhalb der Burg Reiffenstein  ist das Rote Kreuz (Einkehrmöglichkeit), 200 Meter weiter direkt am Limes und am römischen Feldbergkastell (kein Eintrittsgeld), dort auf einer lieblichen Wiese unterhalb des großen Feldberges, ist die Quelle der Weil.

Der Weg von der Quelle der Weil bis zur Mündung (47 km) bei Weilburg in die Lahn  führt durch eine einzigartige Kulturlandschaft, bietet knallharte Geschichte, grausige Schicksale, wundersame Geologie, und eine Natur, die endlich über ein von den Menschen zerschundenes Tal triumphiert. Meine Beschreibungen sind nur rudimentär, um Lesestoff für meine folgenden Weiltalläufe zu reservieren.

Es geht los. 9:30 Uhr, im Stadtteil Arnolshein in Schmitten, die Hattsteinhalle war leicht auffindbar, geht es abwärts durch Schmitten, wo man freundlicherweise extra für uns in der letzten Nacht dem Blitzer eine Mülltonne über die Linse gestülpt hat. Ich danke der Jugend aus Schmitten!

Oberhalb der  Fachwerkhäuser der Wingerfelsen, benannt nach dem Arzt, der die klimatische Eignung Schmittens zum Luftkurort erkannte. Der Felsen wäre einen Aufstieg wert und würde belohnt mit einem überwältigenden Blick hinauf zum Feldberg und der Burg Reifenstein, er wird aus Schiefer gebildet, Reste eines unbewohnten Urmeeres, dessen Algen glücklicherweise durch ihre Fotosynthese eisenhaltigen Überreste hinterließen.

Die Laufstrecke ist einfach, im Prinzip abwärts und schnell. Sehr viele Läufer sind zu warm angezogen. Oben in Schmitten hat es 3 Grad, im Ziel in Weilburg aber 20. 

Dorfweil ist ein vergessener Ort. Der Friedhof, an dem wir vorbeilaufen, hat noch viel Platz. Dann geht es hinauf in den lichten Wald, in dem die Buschwindröschen nun in voller Pracht leuchten.

Brombach erinnert mit dem Fachwerk der alten Brauerei an bessere Zeiten.
Luthereiche auf dem Platz.

Wir laufen durch einen kleinen Gebirgspass, der Jammerhecke. Der Name erinnert an den Winter 1709 (kleine Eiszeit), als Schulkinder der umliegenden Orte bei einem Schneesturm kurz vor Weihnachten erfroren. Grausam, denn die Eltern fanden ihre  Kinder erst im Frühjahr, aneinandergeklammert, halb verwest und von Wölfen angefressen, unter einer Dornenhecke.

Es geht ein wenig aufwärts, nach Hunoldstal, das bis 1950 tatsächlich Hundstall hieß. Ein Hinweis auf die Entstehungsgeschichte, die der Ort gerne vertuschen will. Rechts das alte Backhaus. Man denkt nach über die Menschen, die “Eisenprodukte” wie Nägel und Drähte wöchentlich die mehr als 42 km hinüber nach Frankfurt transportierten, um ein wenig Geld zu verdienen.

Mit dem Bau der Weiltalstraße (1860) kam ein wenig Wohlstand in die kleinen Dörfer des Tales.1886 kam die Weiltalbahn hinzu, die aber hauptsächlich zum Transport der Erze genutzt wurde. Eine Gegend voller Leid und Entbehrungen wird nun für den Tourismus erschlossen. Gelegenheit um eigenes, persönliches, Leid  im Spiegel der Geschichte zu nivellieren. Sehr viele Häuser in den frühlingshaft-melancholischen Dörfern entlang der Strecke stehen leer, erzählen Geschichten aus fernen Zeiten. Andere Häuser sind mit liebevollen Devotionalien dekoriert und laden freundlich zum Verweilen ein.

Nun geht es hinab in das Tal des Niebges-Baches zur 500 Jahre alten Landsteiner Mühle mit seinem “ApfelWeinBistrorant”. Man sagt, die Roten Mönche suchen noch nach ihrem vergrabenen Gold. Auch der Schinderhannes war hier, fand zwar das Geld der Müllersleute, konnte es aber wegen eines Zaubers nicht greifen.

Wechselstation für die Staffelläufer. Die meisten sind schon durch, ich bin heute sehr langsam.

Hinter den Bäumen die Ruinen des Wallfahrsortes Landstein. Im 16.Jahrhundert wurde der Ort aufgegeben, die Kirchenturmruine der Liebfrauenkirche ist sichtbar.

Fundamente der Kornmühle (15.Jahrh.). Die Wüstung ist ein schreckliches Mahnmal an Zeiten, in denen marodierende Soldaten weit aus dem Norden hier durchzogen.

An der Mappesmühle vorbei. Rechts, eine rostige Tür. Es ist der gesicherte Eingang zum Petrusstollen. Es gibt noch mindestens drei weitere Stollen, in denen einst die Menschen hart arbeiteten. Jetzt werden jährlich die Fledermäuse gezählt.

Über uns die Burgruine von Altweilnau (12.Jahrh.) mit dem Turm, der die Kornkammer Barbarossas bewachte: die Wetterau, Aussenposten der Staufer.

Ein Denkmal erinnert an die Bettelfrau, ein Waisenkind welches den Papiermüller heiraten wollte. Ob sie oder der Müller die Papiermühle in Brand steckte, um sich ihrer zu entledigen, man weiß es nicht. Jahrzehnte nach ihrer Haftentlassung fand man sie erfroren an der Weggabelung. 1976 wurde die Linde zu ihrem Gedenken gepflanzt.

Vorbei geht es an der Erbismühle (13.Jahrh.). ”Äußerlich verändert, großzügig erweitert, der Zeit angepasst”. Einzig die “Diner-Krimis” erinnern an die grausigen Vorkommnisse in ferner Zeit. Linker Hand Schloss Neuweilnau, es wurde innerhalb nur eines Jahres 1303 errichtet. Die Burgmauer stürzte bei dem Erdbeben von 1997 ein.

Wer nun nach links Richtung Cratzenbach abbiegt, der gelangt am Ende des reizvollen Tales (3 km) zum imposanten Fachwerkgebäude vom Eichelbacher Hof (16.Jahrh.). Mittwoch, Samstag und Sonntag gibt’s dort richtig gut zu futtern, im Winter schönes Kaminfeuer.

Oberhalb von Rod an der Weil befinden sich, wie überall auf Taunusgipfeln, Reste einer keltische Siedlung. Emmershausen ist erreicht, der Ort, an dem die 22 km-Läufer starteten. Die Mühle aus dem 16. Jahrh. ist verfallen, nachdem sie noch bis 1980 als Asylbewerberheim genutzt wurde. Wer sie erwerben möchte: 280.000 Euro soll der Komplex kosten. Der Staat würde 30% der Sanierungskosten übernehmen, die über 12 Jahre abschreibbar sind. Wäre auch für Uli Hoeneß ein Steuersparmodell.

Landgasthof Ziegelhütte, geöffnet ab 9 Uhr, ein Treffpunkt für Biker. Gerne würde ich einkehren, aber die Verpflegungsstationen bieten Apfelschorle, die die Firma Heil sponsert, und das prickelnde, kühle Getränk rangiert für mich bei der Marathonversorgung ganz, ganz oben. 

An der engsten Stelle des Weiltales, links am feuchten Hang, steht die urige Runkelsteiner Mühle, eine uralten Ölmühle, die in einem Zuge mit der nahen Elendsmühle genannt wird, doch ihre Geheimnisse in einem Felsenlabyrinth verbirgt.

Wir überqueren einige hölzerne Brücken mit Blick auf die felsengesäumte Weil, zaghaft blühen die Schlehenbüsche. Ein Holzschild weist auf die Audenschmiede hin. Ein Abstecher die wenigen Meter hinauf erscheint mir zu weit, doch da leuchten Blumen vor dem Gebäude, das einst zur Goldschmiedefirma Buderus gehörte und im 15.Jahrhundert errichtet wurde.

Weilmünster ist ein verträumter Ort, den der Marathon-Moderator aufhellt. Doch ich bin scharf auf Kebab. “Das Foto ist doch getürkt” sagt der Frühschopper, als er mich vor dem Spieß fotografiert. “Nein” sage ich, “das ist gegriecht”. Er hat es nicht verstanden, der Dionysosgast.

Der alte Bahnhof Weilmünster war oder ist wohl ein Gasthof, die Tür steht offen. Doch ich traue mich nicht hinein, alles ziemlich verwahrlost. Dabei möchte ich gerne diesen Lauf genießen, noch mal Pause machen. Ich bin mehr Tourist, weniger Läufer, will mit den Leuten reden und mehr über die Welt erfahren.

Basalt in einer Welt von Schiefer. Der Steinbruch ist schrecklich auf dieser Strecke, gehört aber dazu. Sammelbehälter für Regen, so wurde auf Beton geschrieben. Es ist ein Vulkankegel, der hier feuerlos den Schiefer durchbrochen hat. Quarze gaben Rohmaterial für Glasherstellung. Wir Läufer müssen damit leben, dass es noch schmutzige Industrie im Weiltal gibt.

Einige Wassergräben sind rechts im Tal sichtbar. Es sind die Reste der Wasserburg des Reichsrittersitzes Essershausen (Häuser bei den Eschen). Einige baufällige Häuser markieren den Eingang zum Ferdinandsstollen (2600 m lang)  kurz vor Essershausen.  Die Erze des Stollens Erzengel nördlich von Aulenhausen wurden hierher transportiert, durch  einen Schacht in den Stollen geworfen, um sie dann abzutransportieren. Ferdinandstollen wurde 1897 bis zur Grube Fritz verlängert, zu der wir nun gelangen.

Eine hohe Mauer bei Essershausen links der Strecke, ist die alte Seitenrampe der  Verladestation der Grube Fritz (1843-1950), einer Eisenerzgrube, die mehr als 300 Menschen beschäftigte. Ein kleiner, nicht gerade ansehnlicher Entwässerungsbach im Durchbruch der Mauer markiert die Stelle, an der das Sturzgerüst stand, von dem die unterirdische Grubenbahn das Erz auf die Wagons der Weiltalbahn schüttete.

Der weitere Weg führt uns über den jetzt lieblich begrünten Erzlagerplatz, wo eine Kleinfamilie die Krokusse bewundert.

Walter, Deutschlands fittester Briefträger, der mehr als 60 Hunderter auf seiner Habenseite hat, überholt mich. Es ist sein erster Marathon in diesem Jahr. Im nächsten Jahr geht er in Rente, dann werden wir mehr von ihm hören.

Hinter dem ehemaligen Bahnhof Freienfels sitzen lustige Menschen beim Dunkelbier vor einem alten Eisenbahnwagon. Meine Aufmerksamkeit gehört aber dem Bahnhofgebäude. Eine gute Wahl, denn Udo, der Chef, gibt einen aus. “Keiner ist so verückt, dass er nicht noch einen Verrückteren findet, der ihn versteht.” So stellen sich Kerstin und Udo bei www.bahnhof-freienfels.de vor, und während sich die “große Tochter” Tarjs Luna hinter dem Weizenbierglas versteckt und fragt, warum ich so verrückt bin, rufen Astrid und Karin mich unter die Riesenspinne für ein freudiges Foto. Die kleine Meriette-Charlotte turnt derweilen auf dem Stuhl rum und fragt, warum ich Bier trinke, wo direkt hier daneben die Verpflegungsstation mit der Apfelschorle ist. Entdeckungen, wie ich sie liebe. Deswegen laufe ich. Udo hat einen neuen Fan und marathon4you auch. Danke.

Bei Weilburg mündet die Weil in die Lahn. Der Eisenbahntunnel ist schon beeindruckend, aber einzigartig in Deutschland ist der Schiffstunnel mit seinen zwei Kuppelschleusen. Der Tunnel (195 m) durchbricht den Bergrücken von Weilburg, welcher in einer Lahnschleife mit zwei Wehren liegt. Höhenunterschied 4,65 m.  Inschrift über dem Tunnel auf lateinisch: Adolf Herzog von Nassau hat den Rücken des Berges durchstochen und den Schiffen geöffnet A.D.1847.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Lahn zur damaligen Zeit war enorm. Etwa 300 Eisenerzfrachter passierten pro Jahr die Schleuse, die nun kostenlos genutzt werden darf. Der Schleusenwärter kämpft gerade mit den riesigen Rädern, um eine Gruppe erheiterter Kanufahrer durchzubringen. Gleich dahinter der neue Straßentunnel, darunter das kostenlose Parkhaus.

Wir laufen entlang der imposanten, hohen Uferfront von Weilburg, an dessen Ende der Zielbogen sichtbar ist. Über uns, mit herrlichem Blick über die Lahnschleife, thronen die alten Häuser mit Restaurants und Biergärten, aufgereiht auf einer faszinierenden Mauer, darüber das Schloss, darunter frühlingshafte Steilgärten. Dort oben ist das höchste Stampflehmgebäude Deutschlands (vor 1836) zu bewundern. Weilburg wurde im Krieg nicht zerstört, die sagenhafte Architektur erklärt die Hotelpreise.

Viel Zeit habe ich mir genommen für diesen Lauf, doch um das Weiltal wirklich zu erleben, um Abstecher zu den urigen Mühlen und Ruinen machen zu können, dafür sollte man mindestens ein Wochenende mit dem Fahrrad reisen. Informationen dazu (Camping-Grillplätze usw.) findet man auf der Seite des Marathonveranstalters: naturpark-hochtaunus.de.

Nachricht an das Orgateam:

Vorbildliche Orga mit Luxus bei allem, das war Weltklasse. Was ich mir wünschen würde, wäre ein Ultra, der hineingeht in die alten Gemäuer, Mühlen und Ruinen, über die Wege der Schleuse, in die Tunnel. Ihr habt es drauf! Quält uns mit Spielereien in der Streckenführung (siehe Bericht vom GranDucale in Luxemburg). Jeder Stein, jedes Gebäude erzählt Geschichten, die erlaufen werden können. Jede Burg, jede alte Scheune, jede alte Mauer und jedes Verlies will ich einatmen, Erlebnis statt  Streckenrekorde. Euer Tal ist Gold wert.

Anreise zum Zielort:

Mit der Bahn nur Samstags möglich. Hotel 70-100 €, JH 22.
Am Sonntag fahren reichlich Shuttlebusse zum Startort Schmitten 7:25 Uhr bis 8:15, alle 10 Minuten. In Weilburg im Festzelt gut besuchte Pastaparty

Anreise zum Startort:

Bis Oberursel Hohemark, dann mit Taxi (12km), geklautem Fahrrad oder per Anhalter. Ab 8 Uhr fahren reichlich Läufer hoch nach Schmitten, Mitnahme garantiert!. JH in Schmitten ca 3 km von der Hattsteinhalle entfernt.

Startunterlagen:

Samstags in Weilburg, dort ist auch die Pastaparty und Biersehligkeit.
Sonntags in Schmitten. Shuttlebus Weilburg-Schmitten ist auch nutzbar, wenn man die Stnr erst in Schmitten abholt.
Chip in der Startnummer integriert
Kleiderbeutel incl Kabelbinder zum Transport nach Weilburg liegt bei

Strecke:

Abwärts mit happigen Anstiegen (+ 474 Hm)
Autofrei, sehr gute Absicherung bei Überquerungen der Strasse Weilburg-Schmitten.
Während des Laufes staut sich der Verkehr
Verpflegung alle 5 km, ab km 20 feste Nahrung
Sehr gute Überwachung durch  Ordner per Fahrrad, falls Läufer Probleme melden müssen.
Transport per Besenbus ab jedem VP möglich
Auch für Staffelläufer + 22 km-Läufer gibt es reichlich Schuttelbusse

Ziel:

Festzelt, auch für Begleitungen interessant. Parkmöglichkeiten notfalls im Parkhaus am Tunnel, kostenlos
Zeitlimnit 6 Std+
Beste Duschen, die ich je erlebt habe.

Startgeld:

35 € . T-shirt, Medaille, Shuttle, Pastaparty. Nachmeldungen Samstags(Weilburg)  u Sonntags (Schmitten) schnell u problemlos

Weiltal außerhalb Marathonzeit:

Busse  Weilburg-Schmitten-Weilburg. Mitnahme des Fahrrades möglich.
Wegweiser für Einkehrmöglichkeiten/Übernachtungen entlang der Strecke
Weitere  Tips von mir dann im nächsten Jahr.

 

Informationen: Weiltalweg-Marathon
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