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Laufberichte

Heja Sverige!

31.05.14

Den meisten von Euch wird es wie mir ergehen: Die Schweden-Kenntnisse beschränken sich auf IKEA, Pippi Langstrumpf, den Michel aus Lönneberga (der im Original Emil heißt!) sowie Henning Mankells Kurt Wallander und sein Team der Polizei von Ystad, in Südschweden ostwärts von Malmö gelegen. Reichlich wenig, wenn man es genau besieht, dazu hochtheoretisch. Auch wenn man durch die vielen Filme über die Letztgenannten ein ungefähres Bild vor Augen hat, zumindest über das, was einem dort gezeigt wird.

Marathonläufer wie wir sind ja polyglott veranlagt und überall dort anzutreffen, wo sich eine 42 km lange Strecke und eine schöne Stadt oder prächtige Landschaft finden lassen. Stockholm bietet von all dem etwas. Der Marathon, für den knapp 22.000 Teilnehmer – darunter 900 Germanen - gemeldet haben, ist damit eine ganz große Nummer in Europa und der teilnehmerstärkste in Skandinavien. Wenn dann noch unsere Münchner Freunde Barbara und Klaus anfragen, ob uns das gefallen würde, gibt’s kein Halten mehr.

Bereits am Mittwoch schweben wir auf dem größten Stockholmer Flughafen Arlanda ein. Mit dem Bus (Flygbussarna) fahren wir für umgerechnet 11 € pro Nase in einer guten halben Stunde auf die Insel Kungsholmen, auf der unser Hotel liegt. Dies ist eine der 14 über 57 Brücken miteinander verbundenen Inseln, über die sich die schwedische Hauptstadt verteilt. Rund 870.000 Menschen und damit knapp 10 % der Nordeuropäer wohnen in dieser schönen Stadt, die vor etwa 750 Jahren gegründet wurde und seit langen Jahren von kriegerischen Auseinandersetzungen verschont geblieben ist.

 



Es bleibt viel Zeit vor dem Lauf, die reizvolle Landschaft zu entdecken. Allerdings empfängt uns die Stadt mit erfrischenden, windunterstützten acht Grad, glücklicherweise über null… Wenigstens der Folgetag bringt eitel Sonnenschein und etwas Wärme, um wiederum von Dauerregen abgelöst zu werden. So machen wir das Beste aus alldem, lernen die Altstadt (Gamla Stan, eine eigene Insel) und weitere schöne Ecken kennen. Ein (von mir normalerweise verhasster) 10 km-Morgenjog um unsere Insel Kungsholmen bringt Klaus und mir vor dem Frühstück wunderbare Eindrücke. Mit unserem Connect-Hotel haben wir zu erträglichem Tarif eine gute Wahl getroffen, es liegt ruhig, aber noch recht zentral. Gewöhnen müssen wir uns allerdings an die Preise: Je nachdem, was man nachfragt, liegen diese um 50 bis im Extremfall zu 100 % über unserem gewohnten Niveau. Rentiert hat sich in jedem Fall die 7 Tage-Nahverkehrskarte, mit der unbegrenzt sogar Fähren genutzt werden können.

 



Die Marathonmesse ist, an der Größe der Veranstaltung gemessen, recht klein. Einzig der Rundum-Laufversorger und Titelsponsor asics fährt sein komplettes Programm auf und versucht, dieses an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Ein live spielendes Duo versucht, tapfer gegen den Dauerregen anspielend und –singend, die Pastaparty aufzupeppen. Doch wir Sportler drängen uns im Zelt frierend um die wenigen Wärmepilze. Dafür ist der (kalte!) Nudelsalat wirklich lecker und mal etwas anderes, Knäckebrot und hervorragendes Wasser gibt’s dazu. Bei 25° sicherlich eine gute Wahl, bei 10° hätten wir uns allerdings gerne etwas Warmes einverleibt. Wir werfen noch einen Blick auf das nahegelegene Olympiastadion von 1912, neben dem morgen der Start und in dem der Zieleinlauf erfolgen wird, dann brauchen die Beine wenigstens ein paar Stunden Schonung, die wir ihnen im Hotel gönnen.

 



Der urlaubsfreundlich späte Start um 12 Uhr beschert uns einen anständigen Morgen nach ausreichendem Nachtschlaf und üppigem Frühstück zu sozialverträglicher Zeit. Wie bei einem Stadtmarathon üblich, wird der öffentliche Nahverkehr mit dem Transport tausender Läufer auf eine harte Probe gestellt, die er aber bravourös meistert. Auf dem Kunstrasen des Nebenplatzes des historischen Olympiastadions, auf dem schon die Marathonmesse stattgefunden hatte, ist auch die komplette Organisation disloziert. Unmittelbar davor filmt uns eine Drohne, die über dem Mittelstreifen der Straße gehalten wird und uns daher nicht gefährdet. Offensichtlich hat man den Kommentar auf M4Y gelesen und verinnerlicht, denn eine Läufergefährdung findet so nicht statt.

Nach kurzem Marsch durch die Botanik erreichen wir die Startaufstellung, die in mehreren Startblöcken erfolgt. Zwar soll Klaus erst in der zweiten Welle um 12:10 Uhr losdürfen, aber die Einlasskontrolle ist nur halbherzig, daher sind wir bei der ersten Hälfte dabei. 15° nenne ich eine optimale Temperatur, aber man hat uns den ganzen Tag lang Regen angedroht, der auch prompt zehn Minuten vor dem Start einsetzt. Der rührige Moderator hält die Stimmung hoch: „Da könnt Ihr mal sehen, was die Organisation alles für Euch auf die Beine gestellt hat. Sogar an eine kostenlose Dusche vor dem Start haben wir gedacht!“. Wir haben Glück, der Schauer läßt bald nach und sollte auch der einzige des Tages bleiben.

 



Nur 14 Tage nach dem Langen Kanten am Rennsteig steht mir der Sinn nach vergleichsweise gemütlichem Joggen, aber Klaus will gerne die vier Stunden packen. Nun ja, dann beiße ich also in den sauren Apfel und schaue mal, wie lange ich werde mithalten können. Die Laune ist gut und schon geht es auf der breiten Straße „Lidingövägen“ los. Gleich bin ich entsetzt, denn die massive Drohne schwebt genau über unseren Köpfen und würde im Fall des Absturzes mindestens etliche Verletzte hinterlassen. Dieses Risiko sind die zugegebenermaßen tollen Foto- und Filmsequenzen doch wirklich nicht wert. Es gibt aber auch schöne Erkenntnisse, nämlich vor allem den Zuschauerzuspruch, der dem Ereignis mehr als angemessen ist. Beidseits der Straße, in den Hängen und auch auf den Fußgängerbrücken drängen sich die Menschen. So schön das einsame Trailrunning ist, ein zuschauerintensiver Stadtmarathon hat ab und an auch etwas für sich.

Über uns erstrecken sich viele Sensoren eines Mautsystems. Die Schweden müssen nämlich zur Reduzierung des Individualverkehrs zahlen, wenn sie mit dem eigenen Wagen in die Innenstadt möchten, Ausländer hingegen nichts. Diesen Luxus gibt es beim Startgeld aber leider nicht. Links abbiegend nehmen wir eine riesige Allee, die wir beidseitig des breiten baumbestandenen Mittelstreifens nutzen können, so entzerrt sich das große Feld schnell, ohne daß aber jetzt schon richtig freies Laufen möglich wäre. Dafür sind wir doch zu viele. Kaum gestartet, zeigt sich das erste Mal die Sonne und heizt direkt auf.
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