Ein Highlight ganz besonderer Art bietet sich uns danach in Form einer leicht bekleideten Tanzgruppe. Klaus nutzt die Abwesenheit der Gattin und stürzt sich völlig selbstlos ins Getümmel. Für diese Ablenkung müssen wir aber postwendend büßen, denn die große Brücke Västerbron, die uns über die Långholmen auf „unsere“ Insel Kungsholmen bringt, beschert eine knackige Steigung. Die Aussicht von der Västerbron ist eine der schönsten der Stadt. Auf der rechten Seite liegt der Riddarfjärden (Wasserarm), der vom Rathaus und der Insel Riddarholmen eingerahmt ist. Links streckt sich die Stadtautobahn des Essingeleden über den See Mälaren. Im Wasser kann man Boote aller Größen und Arten erkennen. Beim Abstieg von der Brücke können wir es rollen lassen, bekommen von der grellen gelben Werbefarbe zwar Augenkrebs, dafür aber als Entschädigung Bananen. Ich habe mir nicht gemerkt, wo es jetzt genau was gab, aber das ist auch nebensächlich, denn die Verpflegung ist prima und völlig ausreichend.
Auf breiter Straße mit imposanten Bürgerhäusern ziehen wir am Südstrand von Kungsholmen in Richtung Rathaus entlang. Etwas, das ich gar nicht mag, damit aber relativ alleine stehe, sind die Wasserduschen, von denen jede Menge unterwegs angeboten und auch gerne genutzt werden. Nur halt nicht von mir, denn ich mag keine nasse Brille, Schuhe und Kamera. Hinter dem Rathaus steht schon zum zweiten Mal unser Fanblock und macht uns Beine, bevor wir auf die nächste Insel in den Stadtteil Norrmalm wechseln. Hier liegt der Hauptbahnhof und damit das neue Stadtzentrum. Heute wohnen ca. 70.000 Menschen in diesem Stadtteil und gut 140.000 arbeiten hier.
Auf dem 13. km über den Norra Bantorget begeben wir uns nun in die Nachbarschaft, in der Astrid Lindgren, die berühmte Autorin von Pippi Langstrumpf & Co., über 60 Jahre lang wohnte. Klasse ist weiterhin der Zuschauerzuspruch, über den wahrlich nicht gemeckert werden kann, ständig gibt es etwas Neues zu entdecken. Der nächste Kilometer bringt mit dem Vasastan wieder einen neuen Stadtteil. Der Vasapark war 1912 übrigens ein Trainingsgelände für die Olympioniken der Stockholmer Sommerspiele. Vor dem Anbruch des Fernsehzeitalters fanden hier außerdem öffentliche Wahldebatten statt, die die Volkmassen ähnlich einem Fußballmatch anzogen. Die Duelle zwischen Tage Erlander und Bertil Ohlin hatten laut Berichten rund 50.000 Zuschauer.
Die Band „Scoop“ in der prunkvollen Straße Karlavägen liefert satten Hardrock und amüsiert sich köstlich über einen hadbangenden Schwachkopf, der sich mit Kamera vor ihnen aufbaut. 15 km bin ich jetzt unterwegs, aber alleine, denn etwa bei km 7 habe ich Klaus im Getümmel verloren. Nach 16,6 km stehe ich unvermittelt vor der ehemaligen Startgeraden und hätte nur noch ein paar hundert Meter ins Stadion zu laufen, aber Pustekuchen: Rechts wird abgebogen und der 17. km ist der gleiche wie der erste. Nach gut 18 km gibt es wieder Neuland in Form einer langgezogenen Schleife nach Osten, „Füllkilometer“ würde man sagen, wenn man böse wäre. Vorbei an den Botschaften der USA, Deutschlands und Englands öffnen sich auf der linken Seite die enormen Grasflächen des Gärdet. Böse bin ich aber nicht, außerdem sind die km durchs Grüne eine willkommene Abwechslung. Hier kann man mal die Konkurrenz vor und hinter einem wie auf einer langen bunten Perlenschnur aufgereiht betrachten. Außerdem ist der Wechsel von einem Stadtkurs in die Natur und wieder zurück wirklich nett, ich erinnere mich da gerne z.B. an die Marathons in Augsburg oder Karlsruhe.
Halbzeit ist nach knapp zwei Stunden, aber die zweite Hälfte wird bestimmt noch einiges für mich in petto haben. Also gilt es, den Tag nicht vor dem Abend zu loben. Loben muß ich aus rein kulinarischer Sicht auch nicht die hier angebotenen Salzgurken, die ich aber wegen ihres lauffördernden Inhalts tapfer verdrücke. Unterwegs passieren wir mit dem Fernsehturm Kaknästornet das mit 155 Meter höchste Gebäude Stockholms. Mittlerweile habe ich meinen Klaus auf der Strecke wiedergefunden und befinde mich somit wieder unter Aufsicht. Am Ende der Insel Djugården, auf der wir jetzt unterwegs sind, wartet ein besonderes Schmankerl, das wir uns allerdings auf Anraten aus berufenem Munde bis morgen zum Auslaufen aufheben: Skansen. Co-Autorin Marianne Niemack aus der Schwiiiiez, bekennende Schweden- und insbesondere Stockholm-Fanatikerin, hat uns perfekt vorbereitet und dringend ans Herz gelegt, was wann zu erledigen ist. Der Skansen ist eine 1891 begonnene Art Freilichtmuseum mit dort wieder aufgebauten besonderen Gebäuden, die man überall im Land vor dem Verfall gerettet und hierher verbracht hat. Quasi ein Schweden im Kleinformat inkl. Tierpark und Vogelhaus. Höchst sehenswert, auch wenn wir heute noch daran vorbeilaufen.
In ständigem leichten Auf und Ab, die positiven Höhenmeter werden sich bis zum Ende auf knappe 160 summieren, geht es weiter. Z. B. am Vergnügungspark Gröna Lund, dem ABBA-Museum, dem Nordischen und als Höhepunkt dem Vasa-Museum. Nein, kein Knäckebrot! Die Vasa ist eine am Tag des Stapellaufs 1628 nach einer knappen Seemeile Fahrt mit Mann und Maus versunkene 69 m lange schwedische Galeone. Nach 333 Jahren im sauerstoffarmen Brackwasser wurde sie 1956 wiederentdeckt und 1959 in gut erhaltenem Zustand geborgen. Nach 17 Jahren der Imprägnierung wurde um sie nach der Restaurierung (98 % der Teile sind original!) eine 34 m hohe Halle gebaut. Ein Muß!