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Laufberichte

Valencia Marathon: Un Maratón de Oro

 

 

Links parallel zur Startaufstellung geht es hinter den Hochhäusern vorbei. Hinter jedem Gebäude weist ein Schild nach rechts zum Startblock. Judith und ich sind mit unserer Zielzeit von sub 4 im vorletzten von sieben Startblocks eingeteilt. Hier gibt es dann nochmals viele Toilettenhäuschen. Pünktlich zum offiziellen Beginn verlasse ich ein solches und zehn Minuten später geht es über die Startlinie.

Zuschauermassen begleiten uns auf dem nächsten Kilometer. Meine schlechte Laune ist wie weggeblasen. Wir kommen in die Nähe des Meeres. In der C/ de la Reina schöne kleine Häuschen und schon viel Betrieb. Dann schwenken wir auf eine lange Gerade durch das riesige Universitätsgebiet. Drei etwas öde Kilometer, Gegenverkehr, die 3:45-Pacer kommen entgegen. Judith müsste irgendwo vor mir sein, doch ich sehe sie nicht. Alle fünf Kilometer gibt es Verpflegung. Ich fliege dahin, habe einen guten Tag erwischt.

 

 

Die Führenden kommen uns bei Kilometer 9 entgegen, liegen also 10 Kilometer vor mir. Na ja, sie sind auch 10 Minuten früher gestartet. Geleitet werden wir heute von einer goldenen Linie am Boden.

Eine große 10-km-Schleife steht an. Wohnblöcke, viele Zuschauer. Im Plan war von 154 „animation points“ die Rede. Und sehr viele davon werde ich auch wahrnehmen. Hier stehen also die Valencianer und feuern uns an. Dazu sind sie von Plakaten mit der Aufschrift „Corre a animar!“ schließlich auch aufgefordert worden. „A pont Angel Custodi“, zur Schutzengelbrücke, sind wir unterwegs. Viel zu sehen gibt es auch: „So schmeckt Bayern“ steht auf einem Erdinger-Weißbier-Festzelt. Ich singe „Feliz Navidad“, auch wenn es noch ein Weilchen bis Weihnachten hin ist, aber das fügt sich gut in den Laufrhythmus. Der Pasodoble-Schlager „Valencia“ passt eher für die Zeit nach dem Lauf:

Valencia, deine Augen
glüh’n und saugen
mir die Seele aus dem Leib.
Valencia, deine Lippen
sind die Klippen
meines Lebens, holdes Weib.
Valencia, deine Hände
sprechen Bände,
deine Stimme lockt und lacht.
Du Schönste aller Rosen,
lass doch kosen
den Matrosen eine Nacht

Richtig gut hat der Veranstalter die Lautsprecher positioniert. Immer dort, wo nicht so viele Zuschauer stehen, beflügelt uns rockige Musik und verhilft mir zu ungeahnten Kilometerschnitten von knapp über 5 Minuten.

Plakate mahnen dazu, Plastikwasserflaschen nicht ins Meer zu werfen. Links eine kleine Laubenkolonie. Wenn ich mir das Infoschild recht zusammenreime, besteht hier die Möglichkeit ein Stück Land zu besetzen, solange nur biologische Baustoffe verwendet werden.

Wir kommen in eine Straße mit vielen Orangenbäumchen. Vielleicht hat die Südfrucht gleich mehrere Trommelgruppen zum Tragen orangefarbener Leibchen inspiriert. Denn irgendwie kann es sich nicht immer um dieselben Musikanten handeln, denen wir unterwegs begegnen. Dazwischen Ensembles, welche die traditionsreiche „dolcaina i tabal“-Musik mit Flöten und Trommeln zu Gehör bringen.

 

 

Die Mädels vom Tennisclub Valencia winken mit ihren Schlägern. Viel spannender sind jedoch die Vertreter der „Fallas“ genannten Clubs, von denen wir schon einige gesehen haben. Sie wirken auf den ersten Blick wie ein Karnevalsverein, der den Köln-Marathon verpasst hat. Fallas (dt. „Fackeln“) heißen auch die traditionellen valencianischen Feierlichkeiten rund um den St.-Josefs-Tag am 19. März. Auf deren Höhepunkt werden mehr als 300 große Figuren aus Holz und Pappmaché verbrannt, an denen die in den erwähnten Vereinen organisierten Bewohner lange gebastelt haben. So wird das Ende des Winters besiegelt. Nur die jeweils schönste Figur bleibt erhalten und kann künftig im „Museo Fallero“ besichtigt werden. Die Fallas-Mitglieder sind das ganze Jahr über mit verschiedenen Aktionen unterwegs, auch um Geld für ihr nicht gerade preisgünstiges Hobby zu beschaffen. In bunten Kostümen feuern sie heute die Läufer und nicht zuletzt die Sportler aus den eigenen Reihen an, für die es eine Extra-Wertung gibt.

Zwischen vielen Fahnen von Valencia sehe ich eine deutsche Flagge und höre prompt ein „Auf geht’s Andreas“. Der Vorname steht samt Landesfarbe auf der Startnummer und wird von den Zuschauern oft bemüht. So macht es Spaß.

Halligalli an den Jardines de Real, einer Gartenanlage samt Königsschloss. Zuschauerspalier. Anscheinend kommen wir hier später noch mal vorbei. Der FC Valencia begrüßt uns mit Fanbus und Stadion bei km 17. Kenner hätten bei km 13 wahrscheinlich das Stadion von UD Levante ausfindig gemacht. Vermutlich gehört es in Spanien zum guten Ton, beim Marathon an den Fußballstadien der großen Vereine entlangzulaufen, so auch in Madrid, Barcelona und Málaga.

Wie durch ein Wunder sehe ich Judith auf einmal vor mir. Das nenne ich Glück. Vor lauter Spaß an der Stimmung hatte ich das Aufholen schon fast vergessen. Nun eile ich davon. Zurück zum Meer. Bei Kilometer 22 kann man einige Yachten im Hafenbecken sehen, das war es dann allerdings mit den „ozeanischen Gefühlen“.

Nun geht es 5 km am Turia Park entlang, dem oben erwähnten ehemaligen Fluss. Links wieder die Ciudad de las Artes y de las Ciencias. Klar, dass hier viele Zuschauer stehen. Ein enges Spalier erfordert höchste Aufmerksamkeit. Wieder am königlichen Park vorbei. Wir queren den Turia-Park auf einer flachen Brücke, das heißt ohne Anstieg. Bis hier ist der Lauf nahezu flach. Rechts das nördliche Stadttor Torres de Serranos mit zwei fünfeckigen Türmen, den Torres de Quart im Westen recht ähnlich und besonders am Abend von außen wegen der Größe und Beleuchtung sehr beeindruckend. Da mussten Feinde schon viel Mut haben, hier anzugreifen.

Eine Altstadtdurchquerung steht auf dem Programm. Prachtallee de la Paz mit Blick auf den Turm Santa Catalina. An der Plaza de la Reina rechts die Kathedrale, errichtet im 13. Jahrhundert auf den Grundmauern einer arabischen Moschee. Das ursprünglich gotische Bauwerk vereinigt nach mehreren Umbauten unterschiedliche Stile und ist Aufbewahrungsort des Kelchs, den Jesus Christus beim letzten Abendmahl benutzt haben soll und der auch als „Heiliger Gral“ bezeichnet wird. Weiter zur Plaza del Ayuntamiento mit dem großen Rathaus. Rechts eine Truppe, bei der es Schinken gibt. Die Schweinefüße hängen hier in vielen Metzgereien und werden dann in einer entsprechenden Halterung zerlegt. Ein solcher Schinken kann über 200 Euro kosten. Auf der Plaza hat der Freizeitpark „Wonderland“ eine Showgruppe aufgeboten. Eine rassige Spanierin hängt lächelnd in den Seilen. Weiter zum schönen Nordbahnhof.

 

 

Nun steht uns eine 10-km-Schleife bevor, bis wir bei km 39 in entgegengesetzter Richtung nochmals herkommen. Eine Ausfall-Avenida bringt uns Richtung Nord-Westen. Zuschauer und Trommelgruppen, einmal nicht in Orange, sondern in Schwarz, bis auf den roten Kussmund einer Trommlerin.

Man glaubt es kaum, aber bis km 32 geht es leicht bergauf und ab 35 dann wieder nach unten. Judith läuft mir grüßend davon. Mir bleiben 61,5 Minuten für die letzten 10 Kilometer. Schön, dass jetzt auch noch die Sonne herauskommt. Leider wirkt sich das oft negativ auf meine Geschwindigkeit aus.

"Bioparc", der Zoo von Valencia,  macht mit Afrika-Flair und Trommlern auf sich aufmerksam. Es wird wieder innerstädtischer. Der Liter Benzin kostet hier 10 Cent weniger als in Deutschland, wie ich der Anzeige an einer Tankstelle entnehmen kann. Es riecht nach frischem Teer. Tiefschwarzer Boden unter uns. Das nächste Orange ist bei einer Truppe mit Kochmützen zu sehen. Irgendwie herrscht hier viel karnevalistischer Trubel. Mir gelingt es nicht mehr, einen Kilometerschnitt  unter 6:15 zu halten. Das darf doch nicht wahr sein. Ich kämpfe. Auf einmal werde ich von vielen Mitstreitern überholt.

Der Nordbahnhof ist erreicht, dahinter die große Stierkampfarena. Abends leuchtet in jedem Bogen ein Licht, fast so schön wie am Colosseum in Rom beim Kreuzweg zu Ostern. Die letzte Verpflegungsstelle: Wie immer mit Wasserflaschen in 300ml-Größe, Iso-Getränk und seit km 25 auch getrockneten Aprikosen. Bananen sucht man im Land des größten europäischen Produzenten vergeblich, heute zumindest. Dafür gab es bei km 18 und 29 Enervit-Gel. Und natürlich auch immer fünf WC-Häuschen sowie Helfer, die verhärteten Waden mit heilendem Spray zu Leibe rücken. Also weiter. Die Puerta del Mar ist kurz vor km 40 erreicht. Nun am Turia-Park entlang Richtung Meer. Hier bin ich frühmorgens schon entlanggegangen.

 

 

„Fran“ steht auf dem Shirt des Läufers vor mir. Er kämpft auch, ich hänge mich dran. Links der Palau de Musica. Sieht eher wie ein Gewächshaus aus. Das Spalier der Zuschauer wird immer schmaler. Hauen und Stechen ist angesagt. Fran und ich gehören zur mittleren Tempogruppe. Er leistet die Führungsarbeit. 5:57 für km 41. Jetzt ist eine Zeit unter 4 Stunden so gut wie sicher, ich muss mich irgendwo um 60 Sekunden verrechnet haben. Endlich Absperrgitter.

"Valencia City of running" ist dort eingestanzt. Und das stimmt: Eine Broschüre weist für jeden Monat mehrere Laufveranstaltungen in der Stadt aus. 50 sind es pro Jahr. Kurz vor dem dem Opern- und Kulturhaus Palau de les Arts Reina Sofía, für mich das beeindruckendste Gebäude der Anlage, werden wir nach links geleitet. Und es geht in das Turia-Bett hinunter und durch das Blau der Brunnen hindurch. Vor uns ein Bogen mit der Aufschrift „Finish“. Vielleicht gilt der für die 10k-Läufer, wir jedoch haben noch eine Rechts-links-Kombi zu bewältigen, bevor wir die letzten 200 Meter über eine eigens errichtet Brücke dem Ziel entgegenlaufen.

Die Tribünen auf beiden Seiten sind dicht besetzt. Endspurt: 3:59:00 hört sich doch gut an. Judith war 2:21 Minuten schneller, musste also nicht lange auf mich warten. 635 Finisher lagen zwischen uns – Wahnsinn. Nachdem sich ein leichtes Schwindelgefühl gelegt hat, würde ich gerne noch ein paar deutschsprachige Teilnehmer fotografieren. Aber die sind ja dünn gesät oder schon auf und davon.

Ein Wermutstropfen könnte die Zeitnahme sein: In Spanien werden Bruttozeiten für die Bestenlisten verwendet. So passiert es relativ oft, dass jemand trotz schnellerer Nettozeit hinter langsameren Läufern rangiert, weil er am Ende des Startblocks stand. Auch die Zwischenzeiten alle 5 km werden ab erstem Startschuss gerechnet. Und mir fehlt noch die Darstellung, wie sich meine Platzierung an jeder Zeitnahme entwickelt hat.

Die Medaille ist dem Anlass entsprechend golden und sehr schwer. Sie ist oben rund und endet unten in einem V, das vermutlich für Valencia steht. Wir nehmen eine Tüte mit Zielverpflegung und einem Finisher-Handtuch in Empfang. Darin auch ein Netz Clementinen mit einem Label des Goldmarathons. Alkoholfreies Radler gibt es bis zum Abwinken. Weißbier wäre mir jetzt eigentlich lieber, aber man ist ja nicht daheim...

Die in goldene Umhänge gekleidete Finisher-Schar gibt dem Ganzen einen würdigen Abschluss. Eine Gruppe aus Stuttgart-Feuerbach, die wir vor einem halben Jahr in Linz getroffen haben, sehen wir bei der Beutelabholung. Wir bekommen von einem freundlichen Herrn unser Gepäck und gleich noch gute Wünsche dazu. Einige Damen stehen mit den Besenwagen zum Saubermachen bereit. Die Suche nach einem Bus bringt kein Ergebnis. Aber es sind ja nur knapp fünf Kilometer zum Hostal. Die schaffen wir notfalls auf einem Bein!

 

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Fazit:


Ein großer, internationaler Stadtmarathon mit Altstadtdurchquerung, aber ca.10 Kilometer ohne Flair und leider – wohl wegen des Windes - ohne Streckenteil am Mittelmeer.

Keine Staffeln, dafür paralleler 10-km-Wettbewerb, mit dem man sich nicht in die Quere kommt. Ein Halbmarathon (Gold Label) findet Ende Oktober statt.

Ziemlich flacher Kurs (ca. 30-45 m), daher für Rekorde geeignet, aber auch etwas windanfällig.

Sehr viele Zuschauer an weiten Teilen der Strecke. In puncto Stimmung kann man im weltweiten Vergleich locker mithalten. Laut Veranstalter 154 Animation Points. Nach meiner Einschätzung damit an Position 1 in Spanien, knapp vor Madrid.

Die Busanreise zum Start- und Zielbereich „Ciudad de las Artes y las Ciencias“ war für mich eine völlige Katastrophe. Wie Mitteilungen in den sogenannten sozialen Medien zu entnehmen ist, waren auch andere Teilnehmer irritiert. Vorher genau prüfen oder mit dem Taxi anreisen.

Perfekte Informationen vom Veranstalter auf  Spanisch und Englisch, im Internet und als Broschüre in der Startertüte.

Viele Start- und Zielgeschenke, u.a. Laufshirt, Finisher-Handtuch, Pröbchen, Paella-Party am Samstagmittag.

 Valencia ist eine schöne Stadt, die touristisch (zumindest in dieser Jahreszeit) noch nicht überlaufen ist.

Der Valencia Marathon ist ein großer internationaler Event. Die Stadt feiert die Läuferinnen und Läufer. Nehmt die Medaille mit zum Sightseeing und ihr werdet es erleben.

 

Siegerinnen Frauen:

1 AIYABEI, VALARY JEMELI     2:24:48
2 KIPROP, NANCY JEPSKOSGEI    2:25:13    
3 CHERENET, BETELHEM MOGES 2:26:11

Alle drei Erstplatzierten haben den Valencia-Marathon-Rekord unterboten, der seit 2015 bei 2:26:57 lag. Valary Aiyabei schaffte außerdem die beste Marathonzeit, die auf spanischem Boden von einer Frau gelaufen wurde.
    
Sieger Männer:

1 KIPCHIRCHIR, VICTOR    2:07:39
2 YEGON, GILBERT KOLLUM    2:08:04
3 KIRUI, PETER CHERUIYOT    2:08:12    

15.842 Finisher

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