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Laufberichte

Beaujolais Marathon

17.11.12

Le Beaujolais nouveau est arrivé

 

Da ich ein großer Freund von Berg-Marathons bin, passt so ein relativ flacher Marathon eigentlich nicht in mein Beuteschema. Als aber einige Lauffreunde Ende 2011 ankündigen, dass sie zum Beaujolais Marathon reisen wollen, muss ich nicht lange überlegen. Einmal durch die Weinberge zu laufen und dabei die Chance haben, den „frisch eingetroffenen Beaujolais“ (der Leitspruch der Veranstaltung mit Rahmenprogramm lautet „Le Beaujolais nouveau est arrivé“) zu probieren, klingt doch verlockend.

Zu einem gut organisierten Marathon gehört natürlich eine Pastaparty am Vorabend. Vor zehn Jahren fand die noch ganz familiär in einem Weinkeller statt. Aufgrund der Größe, die der Lauf erreicht hat, geht das nicht mehr. Die Party findet deshalb in der Messehalle von Villefranche-sur-Saône statt. Alles beginnt ganz harmlos. Die Platzwahl ist kein Problem, da wir früh dran sind. Auf den Tischen stehen zwar Wasserflaschen, aber nur Weingläser. Hmm... na mal schau'n.

Noch bevor es die Vorspeise gibt, kommt die kostümierte Bedienung und füllt jedem, der sich nicht explizit zur Wehr setzt, das Glas mit einer roten Flüssigkeit und stellt zur Sicherheit weiteren Nachschub auf den Tisch. Nachdem sich die Halle einigermaßen gefüllt hat, nimmt eine quirlige Französin das Mikrophon in die Hand, mischt sich unter die Gäste und versucht etwas Stimmung in die Halle zu bringen. Offensichtlich weiß sie was sie tut. Die Pasta gerät schnell in den Hintergrund der Veranstaltung. Während einige noch mit der Hauptspeise beschäftigt sind, stehen andere schon auf ihren Plastik-Stühlen, klatschen im Takt mit oder schwenken ihre Serviette hoch über dem Kopf eifrig hin und her. Mit dem Austeilen des Nachtischs füllt sich der Platz vor der Bühne. Die Atmosphäre erinnert eher an ein Volksfest als an ein Vorabend-Carboloading. Und die wollen morgen alle Marathon laufen?

Tatsächlich wollen nicht alle Marathonlaufen. Neben dem Marathon gibt es einen Halben und einen 12 Km-Lauf. Beide Kurzstrecken waren lange vor dem Anmeldeschluss ausverkauft. Auch beim Marathon sind am Freitag keine Nachmeldungen mehr möglich. 3.400 Startplätze für den 12er, 3.050 für den Halben und 1.750 Starter für den Marathon gibt der Veranstalter auf seiner Homepage an. Ein Plus von knapp 30% gegenüber 2011.

Der Zeitplan begünstigt die Vorabendparty, zumindest für die Kurzstreckler. Start für die Marathonis ist um 10:30 Uhr im gut 25 Kilometer entfernte Fleurie. Für Halbmarathonis geht es erst drei Stunden später, also um 13:30 Uhr, im nur 5 Kilometer entfernten Arnas los. Sie laufen zunächst einen 10 Km langen Bogen und erreichen dann wieder ihren Startort. Um 15 Uhr müssen sie von dieser Schleife zurück sein, d.h. ihnen bleiben 1:30 h für die ersten 10 Km, sonst kommen sie unter die Räder des Zeitlimits.

Auf diesem Bogen treffen die Halbmarathon- und die Marathonstrecke, die weiter aus dem Norden kommt, zusammen. Für die Halbmarathonläufer ist dieser Punkt etwa Km 7, bei den Marathonis Km 28. Das Zeitlimit für die Marathonläufer ist ebenfalls 15 Uhr und somit identisch mit dem der Halbmarathonläufer. Für sie heißt das 31 Km in 4:30 h schaffen.

Jetzt kommt der große Trick bei der Sache: Der 12 Km-Lauf startet wie der Halbmarathon in Arnas, und zwar um 15 Uhr. Folglich entsprechen Startort und Startzeit des 12 Km Laufs dem Zeitlimit von Halbmarathon und Marathon. Zum Entzerren des Felds laufen die 12er jedoch zu Beginn einen kleinen Bogen und treffen bei Kilometer 4 wieder auf die Strecke von halbem und ganzem Marathon, sodass die letzten Kilometer für sämtliche Strecken identisch sind, und für alle das Zeitlimit von 16:30 Uhr im Ziel in Villefranche gilt. Kompliziert? Wenn man's mal verstanden hat ...

Für uns Marathon-Läufer geht’s also am Samstagmorgen früh raus, während der Rest noch schläft. Frühstück ist um 7 Uhr, und kurz nach 8 Uhr begeben wir uns zum Bahnhof von wo uns ein gratis Linienbus zum Messegelände bringen soll. Rund um den Bahnhof stehen schon Ordner in blauen Orga-Jacken und winken uns Richtung Bus. Nicht einmal halb voll fährt er ab. Am Messegelände ist schon deutlich mehr los. Beim Blick auf die Schlange entfährt dem ein oder anderen ein Stöhnen. Sie ist schätzungsweise 30m lang, aber bekanntlich stehen Läufer voller Vorfreude auf ihren Lauf nicht brav in Zweireihen.

Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns an das Knäuel anzuhängen. Schnell kommen weitere, und wir sind mittendrin. Zu meiner Überraschung geht es beeindruckend schnell vorwärts. Zwei Busse stehen hintereinander, davor jeweils ein Ordner, der das Ticket für den Shuttlebus einsammelt. Dieses musste bei der Anmeldung für 3 Euro gebucht werden. Die Busfahrer sitzen gelangweilt auf ihren Plätzen und harren der Dinge. Als beide Busse voll sind, schließen sich die Türen und weg sind sie. Kaum haben sie sich davon bewegt, rücken zwei weitere Busse nach. Die Schlange der Busse reicht bis hinter die Halle. Keine Ahnung, wie viele Busse da noch in Reserve stehen, aber sicher noch einige. Beeindruckende Organisation. Die einzige Frage, die bleibt, wo verstauen die Ordner auf die Schnelle den Berg an ca. 20x10cm großen Tickets?

Unsere Busfahrerin hat massive Schwierigkeiten, den Parkplatz des Messegeländes zu verlassen. In der Rechtskurve steht ein Fahrzeug und die Straße ist in der Mitte durch ein Schild begrenzt. Als es ihr im vierten oder fünften Anlauf endlich gelingt, wird das mit tosendem Applaus quittiert. Die Stimmung ist schon wieder ziemlich gut und ausgelassen. Nur einer meiner Mitläufer, Bernhard, der hier seinen ersten Marathon wagt, gibt sich auf der Fahrt etwas besorgt: „Wir sind aber mittlerweile schon mehr als 40 Kilometer gefahren, oder?“

Direkt am Busausstieg in Fleurie ist ein Tisch mit Wein platziert. Aus praktischen Gründen jedoch nur mit Plastikbechern. Wer möchte, kann hier morgens um 9 Uhr schon die Weinprobe beginnen. Ein paar Meter weiter ist die Turnhalle und daneben ein großes abgeerntetes Weintraubenfeld. Die verbliebenen hölzernen Stummel, die aus dem Boden ragen, bieten der stattlichen Zahl von Toilettenverweigerern maximal Sichtschutz bis Kniehöhe.

In der Turnhalle bereiten sich die Läufer auf den Marathon vor. Im Wesentlichen bedeutet das, die normalen Klamotten gegen Laufkluft oder gegen ein zum Laufen mehr oder weniger gut geeignetes Kostüm eintauschen, sowie sich in die Toilettenschlange einreihen und sich an den Ständen mit Wasser, Wein, Baguette, Käse und so weiter eindecken. Der französische Moderator weist mehrfach darauf hin, den Sack für den Kleidertransport rechtzeitig abzugeben und erzählt stolz, dass Läufer aus 27 Nationen gemeldet sind. Dankenswerterweise übernimmt ab und an ein zweiter Sprecher, der die wichtigsten Infos noch einmal auf Englisch wiederholt.

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