Tief verschneiter Kölner Autobahnring. Warnung vor Geisterfahrer. Ausfahrt Pulheim, es ist wie im Film: Mein Auto rutscht bei roter Ampel in die Kreuzung, glücklicherweise niemand sonst weit und breit. Vor einer hohen Mauer versuche ich meinen Puls zu normalisieren.
Hinter der Mauer ein mysteriöses, wegeloses Gebiet, der Orrer Busch, der eine Rheinschlinge aus grauer Vorzeit überwuchert. Ein undurchdringliches Naturschutzgebiet mit alten Mühlen, Wasserburgen und verfallenen Höfen. Von der eiszeitlichen Abbruchkante fällt der Puhlheimer Bach in diesen Altarm, bildet die “Großen Laache” und versickert ohne Wiederkehr. Driftblöcke neben der Mauer, richtig große Steine, die einst auf den Eisschollen des Rheines hierher transportiert wurden. Aus Sibirien schlängelt sich die Leitung der WINGAS durch dieses Gebiet. Die Reifen drehen durch. Eiszeit.
Vor dem Geschwister-Scholl-Gymnasium kaum Leute, am Starttor völlige Ruhe. Wäre da nicht der Moderator Jochen Heringhausen. “Joe, welche Strecke läufst du?” “Ich mach´ heut nur Fotos”, lache ich ins Mikrofon. 15 Minuten später wird sich meine spaßig gemeinte Aussage leider bewahrheiten.
Was im Schulgebäude geboten wird, haut mich vom Hocker: Kaffee, Kuchen, Berge von belegten Brötchen, Glühwein, Bier und Würstchen und eine Siegerbühne voller Sektpullen. Der Hauptsponsor, die GVG (der hiesige Gasversorger), hat eine Kinderbetreuung eingerichtet. Die Kölner wissen, wie man Party macht.
Hatten wir Robert beim Zagora Marathon vor drei Wochen noch dauernd suchen müssen, hier entdecke ich ihn gleich bei der Nachmeldung. Er hat sich spontan für den Pulheimer Staffellauf entschieden, nachdem er meinen Bericht der letzten Woche vom Mörfeldener Staffellauf gelesen hat. Hier in Pulheim sind schon 50 Einzelkämpfer gemeldet und etwa 1500 Staffelläufer.
36 Euro für die Nachmeldung. Hätte er doch 10 Minuten damit gewartet. In diesem Moment fährt ein Polizeiauto vor der Schule vor. Schule und Polizeiauto können einfach keine glückliche Verbindung eingehen, so war das schon zu meiner Zeit, als Klassenkameraden noch Zeitungsartikel über mich sammelten. So ist das auch noch heute:
“Der Pulheimer Staffelmarathon kann so nicht stattfinden!”
Ziemlich bedeppert stehen wir nun da rum. Die 5 km Laufstrecke führt ein Stück an der Landstraße entlang, zwar auf dem Radweg, doch der ist nicht gesichert durch eine Leitplanke. So könnten Autos in die Laufgemeinde rutschen. Da muss ich lachen. Feiern können die hier in Köln, aber nicht Autofahren. Dass ich über die Ampel gerutscht bin, lag ja eindeutig am Rückenwind.
Die Laufstrecke wird verändert und verkürzt auf maximal 15 Kilometer, der Start verschoben. Auch der vom ehemaligen 5 km-Lauf. Die Strecke ist nun nicht mehr vermessen, der Champion Chip eigentlich nutzlos. Ds gibt keine Wertung, aber einen Fun-Lauf. Viele Läufer packen ihre Sachen und fahren sogleich nachhause. Wer soll denn nun die ganzen Brötchen essen? Dem einen sein Leid….. Die Preise von Kuchen, Würsten, Kaffee und Bier fallen. Die sind clever, die Kölner! Dirk auch, seine Laufkameradinnen werden ihn nach Hause fahren.
Niemand ist wirklich böse über die Absage, die meisten wollten eh nur ein bisschen laufen und dabei Spaß haben. So wird halt sehr viel gelacht, während uns die Schneeflocken um die Ohren sausen. Runde um Runde - eigentlich sollten wir drei laufen, aber wer kann bei dieser Kälte noch zählen?
Dirk und ich laufen die gesperrte Originalstrecke entlang der Landstraße. Ich will unbedingt einen Marathon laufen. Eine Verpflegungsstelle finde ich an der Tankstelle. Zwei, dreimal ist das o.k., aber bei der fünften Runde saut uns der Schneepflug ein. Die Strecke ist jetzt nicht mehr zu belaufen, schmutzige schwarze Eisklumpen garnieren den nicht geräumten Radweg. Dazu kommt ein vom Wind gepeitschter nasser Regen, der von den Autos unangenehm verwirbelt wird.
Von den etwa 50 Marathonläufern sind nicht viele erschienen. Die Gestarteten sind irgendwann froh, den Lauf beenden zu können, denn es ist kalt und der Regen wird heftiger.
Glücklicherweise werden wir von netten Streckenanwohnern “aufgeglüht”. Ein Polizeiwagen mit Blaulicht macht den Besenwagen, danach geht nichts mehr. Die Helfer versammeln sich “bei uns” in der Garage und “glühen” mit. Es werden Lieder gesungen und geschunkelt.
Es war eine gute Entscheidung, den Lauf abzusagen, denn langsam versinkt Pulheim unter einer Eisschicht. Bis zum Zielbereich, dem abgebauten, können wir noch laufen. Aber es ist glatt, sehr glatt. Und ich bin schon wieder Letzter! Wie letzte Woche, diesmal aber gut gelaunt. Es ist eine andere Zeit, es ist Eiszeit.