Jetzt ist es schon dreizehn Jahre her, dass ich mit meiner Familie Urlaub in Bulgarien machte und dort Konny und Ralf kennenlernte. Sie leben in Venne in der Gemeinde Ostercappeln im Landkreis Osnabrück. Schon seit damals besuchen wir uns in unregelmäßigen Abständen gegenseitig. Die 650 Kilometer Entfernung taten unserer Freundschaft bis heute keinen Abbruch.
So war schon seit dem Frühjahr geplant, dass wir dieses Jahr mal wieder zu unseren niedersächsischen Freunden fahren und natürlich machte ich mich auch wieder auf die Suche nach einem passenden Marathon. Und was soll ich sagen … Als wäre ich an der Planung beteiligt gewesen, gab`s in der Nachbargemeinde Bissendorf doch tatsächlich eine Laufveranstaltung.
Beim Osnabrücker Land Marathon werden neben dem Marathon selbst, ein Halbmarathon, sowie ein 10- und 5-Kilometer-Lauf angeboten. Auch als Staffel kann der Marathon absolviert werden. Klar, ich entschied mich für den Marathon, nur die Finisherzahlen der letzten Jahre ließen mich etwas zweifeln. Etwa fünzig Marathonläufer kamen im Ziel an, mal mehr, mal weniger. Da sagt man bei uns in Bayern ummara Fufzig. Das möchte ich nur für den Fall anmerken, dass sich auch Konny und Ralf meinen Bericht durchlesen, sie werden den Hinweis verstehen. Zurück zum O-L-M, wie er in Kurzform auch genannt wird, er geht über drei Runden à 14 Kilometer, die vom Veranstalter als hügelig bezeichnet werden. Angaben über die zu absolvierenden Höhenmeter sind in der Ausschreibung aber nicht zu finden, jedoch für mich als Bayer auch kaum vorstellbar, dass diese erwähnenswert sind.
Natürlich stehe ich am 24. August mal wieder überpünktlich am Schulzentrum in Bissendorf und berappe die 18 Euro Startgeld. Ich kann mich gar nicht erinnern, jemals einen günstigeren Marathon gelaufen zu sein. Ein nettes Mädel bietet mir auch noch ein Laufshirt an, das ich für einen zusätzlichen Obolus erwerben kann. Eigentlich hab ich ja den Schrank voll, aber es ist ja ein Jubiläumsmarathon – zum 10-mal findet der O-L-M schon statt – und es ist auch gleichzeitig der letzte wie ich erfahren musste. Na dann, nehm ich mir halt eins mit nach Hause. Zudem ist hier ja alles für einen guten Zweck. Organisator ist der „Arbeitskreis Sucht“. Solange die nichts gegen die Laufsucht unternehmen, habe ich nichts dagegen und mache noch ein paar Euros locker.
Pünktlich um 15:45 Uhr stehe ich mit den anderen Mitstreitern am Start. Ist zwar eine etwas ungewohnte Zeit für einen Marathon, doch wir haben Glück. 25 Grad waren es bei der Anfahrt, doch mit uns Läufern stehen auch die ersten Wolken am Start und so wird es doch recht angenehm, was die Temperatur angeht. Die Läufer sind aber den Wolken zahlenmäßig kaum überlegen. Ich glaube mich erinnern zu können, dass der Sprecher 89 Läufer am Start begrüßte.
Direkt vom Schulzentrum aus geht es nun los. Auf Asphalt laufen wir einen ersten sanften Anstieg rund einen Kilometer nach Osten, biegen danach gleich wieder nach rechts ab und sanft geht es wieder hinunter. Wenn man das hier als hügelig bezeichnet, denke ich mir, ist alles in Ordnung. Dennoch lasse ich Vorsicht walten. Wer weiß, was noch kommt.
Immer wieder kommen wir durch kleine Höfe, die kaum als Ortschaften zu bezeichnen sind, aber die Landschaft ist toll. Nicht so eben wie ich mir vorgestellt hatte, aber auch nicht wirklich hüglig, wie`s in der Ausschreibung steht.
Ich komme auf den ersten paar Kilometern mit Peter Orth ins Gespräch. Er ist in der AK 70 unterwegs und absolviert seinen 117`ten Marathon. Er hat viel zu erzählen und wartet auch immer wieder geduldig, wenn ich mal wieder ein Foto machen muss. So sind wir schnell und ohne unnötige Längen bei Kilometer 6 angekommen. Nun laufen wir über eine rund zweihundert Meter lange Baumallee auf das Schloss Ledenburg zu. Touristisch gesehen ist das Highlight des Marathons.
Das Schloss Ledenburg wurde im 15. Jahrhundert nach der Zerstörung der Holter Burg unter dem Namen „Neue Burg Holte“ errichtet. Da es später die Familie Leden als Residenz nutzte, kam es auch zum heutigen Namen Schloß Ledenburg. Heute besteht das Schloß aus zwei Hauptflügeln und einem vorgebautem Turm. Die ganze Anlage ist von Schlossgräben umgeben. Den westlichen Schlossgraben passieren wir also bei Kilometer 6 und haben einen schönen Blick auf das Schloss.
Nach ein paar Metern auf einem Forstweg nähern wir uns der Ortschaft Nemden. Dort treffen wir auch auf die ersten Zuschauer. Ich schätze, es dürften etwa zehn bis fünfzehn gewesen sein. Doch wir Läufer danken artig und so schlängeln wir und kreuz und quer durch Nemden, bis wir dieses auf einem weiteren Feldweg wieder verlassen.
Wir sind so etwa bei Kilometer 8 angekommen und mich begleiten plötzlich ein paar Fahrradfahrer. „War macht ihr denn da?“, will einer wissen. „Laufen“, erklärte ich ihm und er gibt anerkennend zurück: „Ihr seid sehr sportlich!“ – „Nein, bekloppt!“, meine ich schmunzelnd. „Wieso – wie weit lauft ihr denn?“, will der Senior auf dem Fahrrad wissen. „So ummaro (da war es wieder) 42 Kilometer, aber wir sind noch frisch und erst 8 Kilometer gelaufen“, erkläre ich. „Ihr seid doch bekloppt!“, entgegnet er. – „Sage ich doch!“, so meine Antwort.
Weiter geht`s über Feldwege und auf schmalen Teerstraßen bis nach Himbergen, einem kleinen Ortsteil von Bissendorf. Dort treffen wir auf weitere Lauffreunde, die uns anfeuern. Ein Anwohner hat sogar eine Dusche für uns aufgebaut, die bei der ersten Runde von einigen Läufern dankbar angenommen wird. Eine Gruppe Jugendlicher hat es sich am Ortsende bequem gemacht und sorgt für ordentliche Stimmung.
Wir sind nahezu unbemerkt bei Kilometer 11 angekommen und sind nun schon auf dem Rückweg in Richtung Bissendorf. Dort passieren wir noch einen Park mit einem schön angelegten See und einer Sportanlage und ehe wir uns versehen, ist die erste Runde auch schon beendet.
Nun stecke ich erst mal meine Kamera weg, habe ich doch schon alles fotografiert und will sie nur noch bei besonderen Gegebenheiten auspacken. Nach etwa 16 Kilometern treffen wir dann auf die Halbmarathonis, die nach uns gestartet sind und zuerst eine etwa 7 Kilometer lange Runde zu absolvieren haben. Ob beabsichtigt oder fnicht, die Halbmarathonis laufen in etwa unser Tempo, so dass es nicht zu gewagten Überholmanövern oder irgendwelchen Behinderungen kommt. So ist es auf der zweiten Runde auch noch nicht zu eintönig, da man stets Läufer um sich hat.
Ohne große Anstrengung ist die zweite Runde beendet und es geht in die dritte. Immerhin haben wir nun schon 28 Kilometer hinter uns und ich bin noch erstaunlich frisch. Wohl auch, weil sich dank der Bewölkung und der untergehenden Sonne die Temperatur angenehm gesenkt hat. Da ich ja nun weiß, was mich noch erwartet, kann ich mein Tempo den Gegebenheiten gut anpassen.
Obwohl ich nur noch vereinzelt auf Mitläufer treffe, kommt es vielleicht gerade deshalb immer wieder zu Gesprächen, was die Zeit doch schnell vergehen läßt. Schwere Beine sind da schnell vergessen. Die letzten Kilometer teile ich mir mit Hans-Jürgen Artz. Wir tauschen uns über vergangene Marathons und die Motivation, es immer wieder zu tun, aus. So erreichen wir relativ schnell und entspannt das Ziel. Meine Frau Silke erwartet mich schon und schießt zur Erinnerung noch ein paar gemeinsame Fotos von Hans-Jürgen und mir.
Jetzt könnte ich den O-L-M ja wirklich empfehlen, aber es ist ja, wie gesagt, die letzte Veranstaltung. Der Organisator will sich eine Auszeit nehmen. Aber bereits 2015 plant er ein neues Format. Ob dieses nun Osnabrücker Land Marathon heißen wird, oder nicht, entzieht sich meiner Kenntnis. Er plant jedoch den 80-prozentigen Straßenanteil zu minimieren und möglichst viel Wald- und Wiesenwege einzubauen. Sollte es soweit sein und wieder ein Besuch bei unseren preußischen Freunden anstehen, werde ich mir die neue Stecke mit Sicherheit anschauen. Vielleicht kommen dann auch ein paar Höhenmeter mehr zusammen, dann laut meiner Uhr waren es nur 263. Das schaffe ich bei mir zu Hause, wenn`s sein muss, auch auf wenigen Kilometern. Und sollte es dem Veranstalter nicht gelingen, könnte er die Streckenbeschreibung ja von hüglig in eben bis leicht wellig ändern.
Ich werde den Osnabrücker Land Marathon jedenfalls in guter Erinnerung behalten.