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Laufberichte

Einfach Kult – der New York Marathon 2010

07.11.10

Aber genug des Geunkes: Denn auch das perfekte Organisieren von Großveranstaltungen scheint  etwas zu sein, was den Amis in die Wiege gelegt ist. Erst einmal bis zur Startnummernausgabe durchgedrungen geht alles wie am Schnürchen. An der ersten Station  gibt es die Startnummer, an der nächsten folgt ein Check des an die Startnummer gehefteten personalisierten  “D-Tags”. Erstmals erfolgt 2010 die Zeitmessung nicht (mehr) über den Champion-Chip, sondern mittels eines gleichfalls am Schuh zu befestigenden Plastikstreifens, „D-Tag“ genannt, für den es auch die schöne deutsche Wortkreation „Radiofrequenz-Identifikationsaufkleber“ gibt. Bis man das Ziel erreicht, wird damit sage und schreibe 28 Mal bei Überlaufen der Sensorenmatte die Zwischenzeit erfasst. Freunde exzessiver ex post-Laufanalysen können es sich also ersparen, während des Laufs permanent ihre Polar-Garmin-Suunto zu bearbeiten.   

Zuletzt bekomme ich mein „Goody Bag“ mit Teilnehmershirt und diversen Sponsorengaben. Dieser ist gleichzeitig der offizielle und einzig zugelassene Kleiderbeutel am Lauftag. Dass er durchsichtig ist, wundert mich angesichts der US-amerikanischen Sicherheitsneurose nicht. So bepackt werden wir in die riesige Shopping-Area von Asics entlassen. Der japanische Branchenprimus in Sachen Laufsportequipment erhält hier die exklusive Möglichkeit, sein gesamtes Sortiment unter dem NYM-Label unter die Läuferschar zu bringen. Und die ist startnummerneuphorisiert ausgesprochen in Kauflaune. Die Warteschlangen sind trotz zahllosen Kassen enorm. Jenseits des Asics-Reichs ist aber noch genug Platz für die eigentliche Messe. Hier dürfen sich auch all die anderen einschlägigen Anbieter der Laufindustrie präsentieren. An einem Stand kann man sich zum Pace anmelden, wobei der Zugläufer-Service interessanterweise nur für Läufer, die 3:30 oder langsamer unterwegs sein wollen, angeboten wird. Wer Energieriegel liebt, kann sich häppchenweise durch das ganze Sortiment durchfuttern und mit allerlei hochenergetischen Powerdrinks nachspülen. Danach ist  mir jedenfalls erst einmal nach einem fetten Burger zumute.

Ein weiterer Fixpunkt des vormarathonsichen Eventkalenders ist traditionell der sogenannte Internationale Freundschaftslauf am Samstagmorgen vor dem Marathon. Er führt vom UNO-Gebäude am East River quer durch Midtown Manhattan zum Marathon-Ziel im Central Park. Die etwa 4 km werden ohne Zeitnahme als reiner Spaßlauf und entsprechend gemütlich absolviert. Viele Teilnehmer sind bunt oder in ihren Nationalfarben, bisweilen auch recht schräg oder schrill ge- bzw. verkleidet. Man könnte die Veranstaltung auch als Karnevalsumzug im Laufschritt bezeichnen. Da ich zu denen gehöre, die sich vor einem Marathon ein striktes  „no go“ verordnen, was beim Sightseeing in New York allerdings nicht so ganz einfach ist,  schaue ich mir das Spektakel zumindest als Zaungast im Zielbereich an. Und ich werde nicht enttäuscht. Ein ausgelassenes Treiben empfängt mich hier, Fotos werden geschossen, Trikots werden getauscht und im Sinne des Friendshipgedanken nationenübergreifend gescherzt und kommuniziert. 

Die Pastaparty, “Marathon Eve Experience” genannt, findet am Samstag ab Mittag den ganzen Tag in einem großen Zelt auf dem Gelände der „Tavern on the Green“ im Central Park, gleich neben dem morgigen Zieleinlauf, statt. Um den Ansturm etwas zu steuern, steht auf der Einladungskarte, die wir mit dem Goody Bag erhalten, wann man geladen ist. Als ich gegen 18.30 Uhr einlaufe und die wartende dichte Menschenschlange unbestimmbarer Läge sehe, bin schon geneigt, das Weite zu suchen. Aber ich bleibe dann doch. Zum Glück. Denn zum einen löst sich der Pulk schneller als befürchtet auf, zum anderen ist hier im Sinne des Wortes “Party” angesagt. Eine Liveband heizt vor dem Zelt schon einmal stimmungsmäßig ein. Die ausgelassene Stimmung setzt sich im Zelt fort. Die Helfer an der perfekt organisierten Essensausgabe, junge Mädels ebenso wie runde schwarze Bilderbuch-Mummies, sind in Bestlaune. Es rockt durch den Saal. Salat und dreierlei Gerichte - Lasage, Nudeln mit Gemüse, Reis mit Hühnchen - stehen zur Auswahl, und zwar “all you can eat”. Selbst die Geschmacksnerven werden nicht enttäuscht. Die runden Tische sind mit Tischdecken und Blumen dekoriert. Das hat richtig Stil. Während ich noch mit meinem Salatberg kämpfe, sehe und höre ich durch das teilweise durchsichtige Zeltdach das große Feuerwerk, das - gleichfalls traditionell - das vormarathonische Programm abschließt. 

 

Warten auf den Start

 

In New York Marathon zu laufen heißt auch zu nachtschlafender Zeit aus den Federn gerissen zu werden. Schon früh am Morgen will der Veranstalter seine Laufschäflein gesammelt und geordnet wissen, um einen reibungslosen Start zu gewährleisten.

Für mich heißt es jedenfalls: 4.30 Uhr Weckerklingeln,  5.00 Uhr Frühstück – immerhin hat sich mein Hotel auf die Läufer eingestellt -, 5:45 Uhr Abholung durch den Shuttlebus vor dem Hotel. Wer nicht mit einem Veranstalter reist, bekommt schon mit den Startunterlagen eine genaue Info, wann und von wo er welchen Shuttlebus nehmen muss. Sonderwünsche sind ausgeschlossen. Die Organisation ist straff, effizient, erfolgsorientiert. Nichts wird dem Zufall überlassen.

Das Ziel aller Shuttlebusse an diesem Morgen ist Fort Wadsworth auf Staten Island. Bis 1994 war das Fort eine der größten Militäreinrichtungen der USA, sogar mit einer bis ins 17.Jh. reichenden Historie. Jetzt liegt das Gelände mehr oder weniger brach und bietet ausreichend Raum für Massenaufläufe wie heute. 

Gegen 6:30 Uhr erreicht mein Bus sein Ziel. Noch gut drei Stunden sind es für mich bis zum Start. Über drei Stunden, die ich irgendwie “totschlagen” muss. Der Himmel verspricht zwar für heute traumhaften Sonnenschein, aber im Moment bewegen sich die Temperaturen noch im frostigen unteren einstelligen Bereich, zudem pfeift ein eisiges Lüftlein. Dementsprechend mehrschichtig eingepackt sind die Ankommenden.

Auf dem Gelände geht es zu wie in einem Ameisenhaufen. Aber wie dort ist auch hier das Chaos nur ein scheinbares. Jedenfalls erfolgen die Startplatzzuordnung und der Ablauf des Starts nach einem ausgeklügelten, quasi mehrdimensionalen System. Gestartet wird zeitversetzt in drei „Waves“ von je 15.000 Startern. Die erste Welle mit den Schnellsten startet um 9.40 Uhr, die weiteren folgen im Halbstundentakt um 10.10 und 10.40 Uhr. Welcher Welle man angehört, hängt von der bei der Anmeldung angegebenen Bestzeit ab. Innerhalb jeder Wave gibt es drei räumlich getrennte Startblöcke (blau, orange, grün), jeder Block wiederum teilt sich in sieben „Corrals“ (Wartezonen). In der Summe wird das Läuferheer damit auf 3 x 3 x 7 = 63 Corrals verteilt. Alles klar? Auf der Startnummer findet man die komplette Information hierzu: Aufgedruckt ist die zugeteilte Wave, die Aufdruckfarbe kennzeichnet den Startblock, die beiden ersten Ziffern der Startnummer stehen für den zugewiesenen Corral. Nur hinfinden muss man noch. Und das auch noch rechtzeitig, sonst wird man in die nächste Wave verbannt. Doch weisen zahlreiche Schilder den Weg, sodass das Auffinden des zugewiesenen Startblocks und -Corrals in dem verwinkelten Gelände keine wirkliche Hürde ist.

 
 

Informationen: New York City Marathon
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