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Laufberichte

Dahoam is dahoam

 

Mitt´n durch d´Mitt´n („Geradewegs durch das Stadtzentrum“)

 

Ein tosender Empfang wird uns vor dem Tor bereitet. Dichte Zuschauertrauben machen den Platz zum Stimmungs-Hot-Spot. Die schmale Sendlinger Straße, der wir nun folgen, ist ohne Zweifel eine der stimmungsvollsten Einkaufsstraßen im Stadtzentrum, mit vielen kleinen Geschäften und längst nicht so lärmig und rummelig wie die zentrale Fußgängerzone. Ein besonderes Kleinod. Die inmitten der Bürgerhäuser eingekesselte Asamkirche.

Am Horizont prangt schon der Rathausturm. Und in dessen Richtung geht es schnurstracks weiter. Kurz hinter km 31 erreichen wir den Marienplatz. Der Mittelpunkt der historischen Altstadt ist täglicher Aufmarschplatz für Bataillone von Touristen. Vor allem um 11 und um 12 Uhr mittags wird es eng, wenn das Glockenspiel inmitten der neugotischen Prachtfassade des monumentalen Neuen Rathauses erklingt. Die kitschig schöne Kulisse ist für neuschwansteinsüchtige Touristen das wohl beliebteste Fotomotiv der Stadt. Gleich gegenüber darf man auch Münchens größte Bausünde bewundern. Noch heute aufregen kann ich mich, wie man jenen potthässlichen Betonklotz genehmigen konnte, den der Kaufhof vor über 40 Jahren errichten durfte und der seitdem das Herz Münchens verschandelt.

Aber für langes Blickeschweifen haben die wenigsten Läufer Zeit und Muße. Von Zuschauerrufen beflügelt galoppieren sie über den Platz, hinein in die rechts am Rathaus vorbei führende Dienerstraße. Gegenüber dem Marienhof hinter dem Rathaus sehen wir Münchens berühmtesten Feinkostladen: Dallmayr. Das Interieur ist tatsächlich so verspielt und schön wie in der Werbung. In der Werbung sieht man allerdings nicht, dass das Geschäft allzeit proppenvoll von prasswütigen Besuchern ist.

Ein hochherrschaftlicher Platz öffnet sich vor uns: Der Max-Joseph-Platz. Hinter erhabenen, riesigen Säulenkolonnen erhebt sich mächtig die Bayerische Staatsoper, daneben schließt sich sogleich die weitläufige Residenz der bayerischen Kurfürsten, Herzöge und Könige an. Vor lauter Prachtfassaden weiß man gar nicht recht, wo man hinschauen soll. Kurz darauf weitet sich der Blick vor Neuem. Wir stehen am Odeonsplatz. Eingerahmt von der luftigen Feldherrnhalle mit den wachenden bayerischen Riesenlöwen, der barocken Theatinerkirche und dem Hofgarten beginnt hier, nach 32 km, die prächtige Ludwigstraße.

 

So wos von schee …. („Einfach nur wunderschön“)

 

Der Blick gen Norden würde jeder italienischen Metropole zur Ehre gereichen. Ein Palazzo reiht sich an den anderen. Die schlanken Türme der Ludwigskirche und das Siegestor inmitten der Straße ragen daraus empor. Mehrere oberste bayerische Gerichte, die Deutsche Bundesbank und natürlich und vor allem die Ludwig- Maximilians-Universität (LMU) residieren hier. Es ist ein wahrlich erhabenes Gefühl, über den weiten Asphalt dieser Straße sozusagen laufend zu flanieren.

Kurz vor der Staatsbibliothek werden wir allerdings abrupt nach links gelotst. Über die Theresienstraße geht es hinein in die Maxvorstadt, jenen Teil Schwabings, der sich direkt hinter der LMU erstreckt. Für mich ist dies der lebens- und liebenswerteste Stadtteil Münchens. Nun ja, ohne Zweifel bin ich voreingenommen, habe ich doch hier einst fast drei Jahre gelebt und komme seitdem auch wieder gerne her. Das Areal, wo lokal- und kneipenmäßig „der Bär abgeht“, schrammen wir aber nur am Rande. Immerhin liegt Münchens beste Eisdiele am Weg: das winzige Ballabeni. Sauteuer und saugut, im Sommer ein Blockbuster im Sinne des Wortes.

Läuferisch durchstreifen wir nun den Teil der Maxvorstadt, der sozusagen Münchens Kulturnabel darstellt: Das Museumsquartier. Über die Jahrzehnte immer mehr ausgedehnt hat sich dieser Bezirk. Alte und Neue Pinakothek, Pinakothek der Moderne und die Sammlung Brandhorst sind die großen Publikumsrenner, aber es gibt noch viel mehr. In deren Hallen findet man reichlich bedeutsame Kunst aus vielen Jahrhunderten und auch solches, was man heute so für Kunst hält, etwa das Gekrakel eines Cy Twombly.

Kreuz und quer geht es durch diesen Bezirk, was noch mehr Spaß machen würde, wenn meine Beine etwas lauffreudiger wären. Ein weiteres Highlight ist ohne Zweifel die Querung des Königsplatzes mit seinem hellenistisch inspirierten tempelartigen Gebäudeensemble. Vor den Propyläen ist eine riesige Bühne aufgebaut und alles für das große „Flüchtlingshelferdanksagungskonzert“ heute Abend vorbereitet. Im Moment werden gerade die Kunstnebelgebläse getestet.

Nach diesem musealen Ausflug geht es via Theresienstraße zurück zur Ludwigstraße. Viel läuferischen Gegenverkehr dürfen wir auf dem Weg dorthin erleben und es ist für mich ein beruhiges Gefühl, dass ich nun zu denen gehöre, die sich verabschieden und nicht mehr zu denen, die gerade ankommen.

 

Servus Leo! („Sei gegrüßt / auf Wiedersehen, Leopoldstraße“)

 

Ein weiteres Mal darf ich jenes Gefühl läuferischer Freiheit auf der ewig breiten Ludwigstraße auskosten. Rund um den Geschwister-Scholl-Platz reihen sich die palastartigen Hauptgebäude der LMU, die, verteilt auf die ganze Stadt, über 50.000 Studenten zu höheren Weihen verhilft oder es immerhin versucht.

Schnell näher rückt nun das aus der Ferne so kleine, von Nahem aber durchaus imposante Siegestor näher. Eine von Zahlreichen Musikgruppen entlang der Strecke legt sich für uns hier ins Zeug. Im Bayerischen und vor allem im Karibisch-Rhythmischen  liegt der Schwerpunkt der musikalischen Läufer- und Zuschauerbeschallung, keine schlechte Mischung. Jenseits des Siegestores setzt sich die Ludwigs- als Leopoldstraße fort. Statt der Palazzi drängt sich hier die Ausgehkultur hinter den dichten Baumreihen. Und man merkt jetzt auch: Die Schwabinger haben ausgeschlafen. Bei 37,5 km heißt es aber: Das war`s mit der Leo.  

 

Nix für Wuisler („Nichts für Jammerlappen/ Weicheier“)

 

Auf den letzten Kilometern laufen wir dieselbe Strecke wie auf den ersten, nur jetzt in umgekehrter Richtung. Durchbeißen heißt das Gebot der Stunde. So viele Marathons bin ich schon gelaufen, aber die letzten Kilometer haben es doch immer wieder in sich. Die nach wie vor dicht gestaffelten Getränkestellen sind umso mehr Orte des Kräftesammelns und ein gutes Alibi für ein Trinkpäuslein. Aus dem dichten Blätterwerk entlang der Franz-Josef- und der Elisabeth-Straße treten wir schließlich hinaus in die weite Grünlandschaft des Olympiageländes.

Die gigantischen Metallarme der Halterungen für das Stadiondach erspähe ich schon von Weitem und sie sind wie ein magischer, kraftspendender Leuchtturm in den grünen Weiten. Am Stadion vorbei laufen wir auf einstigem olympischem Kurs direkt dem sogenannten Marathontor entgegen. Eine Lightshow mit Diskokugeln illumiert den Weg durch das Tor hinein in das Oval der 70.000-Zuschauer-Arena. So viele sind natürlich nicht da. Aber die Stimmung und die Kulisse auf der letzten Runde durch das Stadionrund ist auch so einfach überwältigend.

 

G´schafft („Im Ziel“)

 

Man kann eigentlich gar nicht anders als dermaßen euphorisiert einen letzten Spurt hinzulegen und unter dem Zielbogen hindurch zu preschen. Hey, das war ein „saustarkes“ Finish! Mit einer schweren herzförmigen Medaille behängt und wärmefolienbepackt treibt es die Finisher rasch zum üppigen Zielbuffet. Weißbier und Brezen, Cappuccino und Kuchen, Obstiges fest oder als Smoothie, uns geht es richtig gut. Trotz der nicht unbedingt heimeligen Witterung bleiben viele länger im Stadion. Man muss einfach sagen: Dieser Stadioneinlauf ist etwas Einmaliges. Und dieser finale Eindruck gehört ohne Zweifel zu dem, was in der Erinnerung hängen bleibt.

Ganz objektiv und unvoreingenommen muss ich resümieren: München ist einfach die schönste Stadt der Welt. Ich will daraus zwar nicht gleich den eigentlich logischen Schluss ziehen: München hat auch den weltschönsten Marathon. Aber bei dem ausgereiften Streckenkonzept und der ausgezeichneten Organisation bietet München mehr denn je ein absolutes Marathon-Highlight. Wenn es an der Organisation eine Kleinigkeit auszusetzen gäbe, dann wäre das allenfalls der Sonnenfaktor. Daher, lieber Gernot (Weigl), binde beim nächsten Mal doch bitte noch etwas besser  Petrus ein, damit München beim Durchlaufen noch mehr strahlt und leuchtet.

 

Marathonsieger

 

Männer


1 Stelzle, Florian (GER)     LG Passau     02:29:59     
2 Mühlbauer, Hans (GER)     physio-coaching 02:32:13     
3 Browatzki, Björn (GER)     Victoria Park Harr 02:34:02

Frauen

1 Viellehner, Julia (GER)     TSV Altenmarkt/ALZ 02:40:28     
2 Weber, Andrea (AUT)     SV Reutte LA Raika 02:50:14     
3 Klein, Sandra (GER)     SG Wenden 02:53:41

5899 Finisher

123
 
 


 
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