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Laufberichte

Überwältigende Kulisse

28.11.04
Autor: Klaus Duwe

Der Zieleinlauf ist wahrlich imposant: links der Dom, rechts die Galleria Vittorio Emanuele.

 

Mailand ist mit ca. 1,2 Mio Einwohnern die zweitgrößte Stadt in Italien. Sie ist Hauptstadt der Provinz Mailand und der Region Lombardei. Mailand ist weltbekannt für Mode und Design, ist Italiens Zentrum für Wirtschaft und der Medien und gilt deshalb auch als heimliche Hauptstadt. 

 

Der Mailänder Dom ist das Wahrzeichen der Stadt und gleichzeitig das bedeutendste Werk der gotischen Baukunst in Italien. Im Jahr 1386 wurde mit dem Bau begonnen und über 5 Jahrhunderte an dem majestätischen Bauwerk aus weißem Marmor gearbeitet. Insgesamt thronen 3.400 Statuen auf den Spitzen des Domes. Den höchsten Punkt des Domes bildet die Madonnina. Das ist eine 4 m große goldene Statue in 108,50 m Höhe. Auf das Dach des Domes führt eine Treppe und ein Fahrstuhl. Der Ausblick von dort über die Stadt, in die Po-Ebene und zu den Alpen ist atemberaubend.

 

Weltruf genießt die Mailänder Scala. Das 1776 fertig gestellte Opernhaus wurde gerade über 2 ½ Jahre total renoviert und soll noch in diesem Jahr wieder feierlich eröffnet werden. Neben vielen Bauwerken beheimatet Mailand auch Kunstwerke von unschätzbarem Wert. Das bekanntest ist wohl Leonardo da Vincis Fresko „Das Abendmahl“, das in der Kirche Santa Maria delle Grazie zu bewundern ist.

 

Natürlich spielt in einer so traditionsreichen Metropole der Sport eine große Rolle. In Monza, etwas nördlich von Mailand, geht alljährlich der „Große Preis von Italien“ über die Runden. Und wie es sich für die heimliche Hauptstadt gehört, spielen mit Inter Mailand und dem AC gleich zwei Vereine in der höchsten italienischen Fußball-Liga. Das San Siro Stadion, bereits 1927 erbaut und zur WM 1990 total erneuert, ist ein echtes architektonisches Highlight.

 

Wenn wir schon beim Sport sind: gelaufen wird auch in Mailand. Und zwar Marathon. Der Mailänder Kurs ist flach, hat lange Geraden und ist deshalb immer gut für schnelle Zeiten. Der Sieger muss hier regelmäßig unter 2:10, die Siegerin unter 2:30 laufen. Nach Teilnehmern gerechnet, ist der Mailänder Marathon die Nummer 2 in Italien. In diesem Jahr sind 4858 LäuferInnen gemeldet. Vielleicht hat man sich nach dem überraschenden Olympiasieg von Stefano Baldini mehr ausgerechnet. Aber mit dem Firenze Marathon hat man an diesem Wochenende starke Konkurrenz.

 

Zum zweiten Mal hat man sich dafür entschieden, vor dem Hauptbahnhof zu starten. Die Ankunft der Marathonis ist auf dem Domplatz. Dazwischen liegen 42 sehr abwechselungsreiche Kilometer.

 

Um 9.25 Uhr (geplant war 9:15) wird mit lautem Knall der Lauf auf der Via Pasini gestartet. Es dauert ein paar Minuten, und die Letzten haben das Startportal passiert. Nach der Porta Venezia geht es auf die Viale Caldara, eine 4-spurige Straße, die heute erst die diese Richtung, später in der Gegenrichtung für den Verkehr gesperrt ist. Für viele Teilnehmer an Stadtmarathons mag dies selbstverständlich sein. In Mailand ist es das nicht. Denn viele Kreuzungen sind nur „verkehrsberuhigt“, das heißt, der Verkehr wird angehalten und sobald das Läuferfeld eine Lücke lässt, gibt die Polizei die Kreuzung für den Verkehr frei, um ihn aber sofort wieder anzuhalten, wenn auch nur ein Läufer über die Kreuzung will. Das laute Hupkonzert an jeder Kreuzung zeugt vom Unmut der Verkehrsteilnehmer und ist nicht als Anfeuerung gedacht. 

 

Links die Porta Romana, gleich darauf rechts die Porta Ticinese, dann rechts ab auf die Via Carducci und wenig später links Richtung Messegelände, das wir bei km 10 erreichen. Auf der Via Boccaccio sind wir zuvor ganz in der Nähe der Kirche Santa Maria delle Grazie vorbeigelaufen, wo „Das letztes Abendmahl“ von Leonado da Vinci zu bewundern ist.

 

Es folgt der für mich schönste Streckenabschnitt. Auf dem Corso Sempione laufen wir Richtung Siegesbogen (Arco della Pace). Schon von weitem erkennen wir im Dunst das in Erinnerung an den Europäischen Frieden 1815 errichtete Bauwerk.

 

Ich bin jetzt 1 ¼ Stunden unterwegs und genau 12,5 km gelaufen. Auf der Gegenseite sehe ich das Läuferfeld, das zu diesem Zeitpunkt ungefähr 4 km vor mir liegt. Es geht rechts ab zum Parco Sempione, der beliebtesten Grünanlage in Mailand. Viele Jogger machen hier ihren Frühsport. Manche schütteln beim Anblick der teilweise schon recht abgekämpft aussehenden Läufer den Kopf, andere rufen Aufmunterndes zu.

 

Gleich sehen wir rechts die imposante Mauern und Rundtürme vom Castello Sforzesco. Im 14. Jh. wurde von Galeazzo II. Visconti diese gewaltige Verteidigungsburg erbaut. Der 70 m hohe Uhrturm (Torre di Filarete) befindet sich in der Mitte der Fassade. In den Innenhof gelangt man durch zwei Tore, die mit mächtigen Zugbrücken gesichert sind. Das Castello dient heute als Kunstmuseum.

 

Noch immer laufen wir entlang der Parkanlage, jetzt vorbei an der Arena Civica (1807) und gleich sind wir 4 km gelaufen und erreichen jetzt die Stelle vor dem Siegesbogen, wo wir in Gegenrichtung die letzten LäuferInnen des Feldes sehen, dicht gefolgt vom „Besenwagen“ mit Blaulicht. Die Strecke führt uns jetzt Richtung Hauptbahnhof, wir überqueren die Straße, auf der wir heute früh gestartet sind. Nichts erinnert mehr an das große Spektakel beim Start. Und schon haben wir die Halbdistanz erreicht. Etliche Läufer steigen hier aus. Den zufriedenen  entnehme ich, dass es sich um einen von  geplanten Ausstieg handelt. 

 

Links geht es auf den Corso Buonos Aires, eine weihnachtlich geschmückte Geschäftsstraße, die jetzt am Sonntag kurz vor der Mittagszeit dicht bevölkert ist. Alle Geschäfte haben geöffnet, die Straßencafés sind trotz der mäßigen Temperaturen (ca 10 °) gut besucht.

 

Jetzt geht es auf einen ungefähr 10 km langen Streckenabschnitt, der nicht viel für’s Auge hergibt. Es geht immer geradeaus, rechts und links Wohn- und Geschäftshäuser, davor dicht an dicht geparkte Autos. Ein typisches Bild, wie wir es aus vielen Großstädten kennen. Auch von Zuschauern ist auf der ganzen Strecke nicht viel zu sehen. Eigentlich enttäuschend für das Land des Olympiasiegers.

 

Bei km 35 km wird es besser. Wir kennen die Strecke schon. Es ist die vierspurige Straße, die jetzt in der anderen Richtung gesperrt ist. Wieder das Gehupe, das wir einfach als Anfeuerung auslegen und immer wieder der spannende Moment, wenn wir auf eine dicht befahrende Kreuzung zulaufen und plötzlich für uns alles frei ist und wir ungehindert passieren können. Ein Genuss der besonderen Art.

 

Wieder passieren wir die Porta Romana,  jetzt sind es 37 km. Dann geht es links ab auf den Corso Venezia, vorbei am Piazza San Babila und dann auf die lange Zielgerade, den Dom schon deutlich vor uns. Jetzt kommt auch so was wie Stimmung auf. Viele Mailänder beklatschen uns „kleine Baldinis“ und freuen sich mit uns über unseren Sieg. Mit einem Redeschwall ohne Unterbrechung werden die Finisher vom Speaker begrüßt. Der Zieleinlauf ist wahrlich imposant: links der Dom, rechts die Galleria Vittorio Emanuele.

 

Der Domplatz gleicht einem großen Zeltlager. Hier gibt es die Medaille, der Chip wird abgemacht und dann sind da die Verpflegungsstände mit Getränken aller Art, Obst, Gebäck usw. Gleich dahinter sind die Fahrzeuge mit den Bekleidungssäcken. Es sind zwar Zelte zum Umkleiden aufgebaut, aber dort geht es ziemlich eng zu. Das meiste spielt sich doch im Freien ab. Heute kein Problem, es scheint die Sonne.

 

Auch gestern Abend herrschte hier prächtige Stimmung bei der Pasta-Party. In einem Zelt hat  "Autogrill“  (Italienreisende kennen diese Gastronomiekette von vielen Autobahnraststätten) ein Buffet aufgebaut, wie ich es bei Marathonveranstaltungen noch nicht erlebt habe. Alles echt italienisch: die Nudeln al dente, die Saucen hervorragend, der Kuchen zum Nachtisch vom Besten. Und das alles bis zum Abwinken.

 

Rahmenprogramm:

Startunterlagen gibt es am Piazza Duomo, dort sind auch ein paar Informations- und Verkaufsstände der Sponsoren aufgebaut. Hier ist auch das Zelt für die Pasta Party eingerichtet. Vom Hauptbahnhof ist der Piazza Duomo in gut 10 Minuten mit der Metro 3 erreichbar.

 

Auszeichnung:

Medaille und sehr schönes Funktions-Shirt

 

Logistik:

Startgelände mit Metro gut erreichbar. Kleiderabgabe in unmittelbarer Nähe. Café und Snaks können im Bahnhof gekauft werden, sonstige Getränke gibt’s gratis vom Sponsor.

 

Zeitnahme:

Kostenloser Leihchip, Zwischenzeiten alle 5 km

 

Verpflegung:

alle 5 km Getränke (Wasser, Iso), Bananen und Schwämme.

 

Zuschauer:

spärlich, außer bei Start und Ziel ist kaum jemand zu sehen.

 

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