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Laufberichte

Not born to follow

 

Es gibt Marathons, da fahre ich immer wieder gerne hin, weil einfach alles passt. Die Strecke, die Stadt, die Organisation und natürlich meine schönen Erinnerungen daran. Der Mailand City Marathon ist so einer. Gut, dass auch alle paar Jahre die Strecke modifiziert wird, da wird es nicht langweilig.

So sitzen Judith und ich also am Samstagnachmittag im Flieger nach Mailand. Im Bordmagazin gibt es einen Artikel über Penelope Cruz und danach doch wirklich einen Bericht über den zweifachen Gewinner des New York Marathons, Orlando Pizzolato (1985: 2:11:34). Er gibt Tipps zur Vorbereitung des Rennens. Ist doch ein netter Beginn eines schönen Laufwochenendes.

Mailand hat drei Flughäfen (Malpensa, Linate und Orio sul Serio in Bergamo). Wir nehmen von Malpensa aus den Bus, empfehlen würde ich aber aus heutiger Sicht den bequemeren Zug, mit dem man  auch Staus vermeidet. Die Marathonmesse befindet sich zum zweiten Mal im Palazzo Lombardia, einem neuen Hochauskomplex mit überdachtem Innenhof und Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach. Für den eiligen Läufer. Zu Fuß vom Hauptbahnhof aber auch leicht zu erreichen.

Ohne Wartezeit bekommen wir unsere Unterlagen. Eine Kopie des Gesundheitszeugnisses wird ungesehen eingesammelt. Bitte ein offizielles Formular von italienischen Marathonseiten verwenden. In der Startertüte ist u. a. ein Laufshirt mit dem netten Aufdruck: „I wasn't born to follow„,“ frei nach dem Song von Bon Jovi. Auf das Hemd kann man auch noch seinen Namen drucken lassen. Außerdem zwei Energietütchen, eine Dose Thunfisch (fettarm) und eine berühmte deutsche Handsalbe.  Eine Pasta-Party gibt es auch. Die Messestände betreiben meist die  Sponsoren und anderen Marathonveranstalter. Sportausrüstung ist eher Mangelware.

Wir steigen im offiziellen Marathonhotel gleich in der Nähe ab. Man läuft einigen Topläufern über den Weg, die hier auch untergebracht sind. Und dann früh ins Bett. Leider hört man noch viel Unterhaltung aus den Nebenzimmern. Auch die Elite geht also erst nach 23:00 Uhr schlafen. 

Der Marathon startet beim neuen Messegelände im Norden der Stadt. Mit der U-Bahn ist man in zwanzig Minuten da. Im Infoheft sind auch die Abfahrtszeiten verzeichnet. Die Bahn fährt nur alle 15 Minuten. Ein Tagesticket gibt es mit den Startunterlagen. Da haben wir wieder einiges gespart.

Zum Start muss man nun nur noch das ganze Messegelände durchqueren. Zwei Bars sind schon  geöffnet. Wie schon öfter erwähnt, trinkt der Italiener vor einem Marathon gerne noch einen starken Espresso.

Auch im Startbereich ist alles gut organisiert. Umkleiden kann man sich in einem Parkhaus, vor Regen geschützt und unterhalten von lauter afrikanischer Trommelmusik. Alles recht locker.

Wir lernen zwei deutsche Läuferinnen aus Braunschweig kennen. Sie haben auch schon viele Marathonreisen absolviert und hoffen, dass der Laufuntergrund hier ebener ist als in Florenz. Ich sage erst mal nichts. Wirklich toll finde ich die Nationalitäten-Farben auf den Startnummern. Gerade hier am Start macht es Spaß, zu sehen, wo die Läuferinnen und Läufer herkommen. Außerdem befindet sich auf der Startnummer ein Icon der Charity-Organisation, der man einen Teil seiner Startgebühr zukommen lässt.

Der Startschuss erfolgt aus einer echten, alten Kanone. Die Nationalhymne, zuvor gespielt von einer Militärkapelle, ist in unserem Startblock kaum zu hören. Und dann geht’s los.

Die ersten Kilometer würde ich nicht als richtigen Hit bezeichnen. Typisch italienische Vorstadt. Viele Löcher im Teer. Die beiden Mädels „aus Deutschland“, wie auf ihrem T-Shirt steht,  laufen in schwarzer Hose, rotem Tüllröckchen und gelbem Hemd. Ich habe erstmals auf meinen Aufnäher „Ciao Italia – Andreas from Munich“ verzichtet. Schuld ist die überregionale Münchner Tageszeitung, die immer wieder  über antideutsche Stimmung im südlichen Ausland berichtet. Hier waren solche Befürchtungen aber völlig unbegründet.  Jedoch fällt auf, dass manche Preise durch die Krise stark angezogen haben: So kostet die Tageskarte für den öffentlichen Nahverkehr jetzt 4,50 statt wie vor zwei Jahren 3,- €.

Es geht durch die Lohei. Wenigstens sind hier die Wiesen schon viel grüner als bei uns zu Hause. So kann man gut sein Tempo finden oder wie ich einen Laufchip am Boden. Hier wird das Modell Streichholzschachtel an der Startnummer verwendet, gesichert mit einem Bürogummi. Das gibt es in Italien häufiger und ich habe noch nie gehört, dass so ein Chip abfallen kann. Also, ängstliche Läufer: Chip am besten noch mal mit Tesafilm festkleben. Tut mir leid für den Läufer, der seinen Chip und seine Wertung verloren hat.

Judith und ich laufen im Pulk der 4:00-h-Pacer. Bei km 7 linker Hand ein großer Park (Bosco in Citta). Rechts einige Leute mit Grillgut, die hoffen, dass die Läuferkolonne bald vorbeigezogen ist. Eine Agip-Tankstelle, inzwischen umbenannt in Eni. Der feuerspeiende Hund sieht mit seinen sechs Beinen so aus, als könne er gut Marathon laufen. Bei km 9 kommen wir an einem britischen Militärfriedhof vorbei. Außerdem überholen uns die ersten Handbiker.

In der nächsten Ortschaft endlich mal etwas Stimmung. Kurz danach riecht es stark nach Pferd. Hier befinden sich einige Rennbahnen. Sehen kann man davon leider nichts, überall Mauern. Und jetzt fällt der Blick auch auf viele Vorstadthochhäuser. Deren Bewohner schlafen wohl noch.

Unsere Pace-Maker machen viel Stimmung. Alessio vom Laufverein Gorgonzola, einer Stadt im Osten Mailands, fordert auch immer wieder die Zuschauer auf, jetzt mal für die 4-Stundenläufer zu applaudieren. Dazwischen unterhält er die Läuferinnen und Läufer mit Marathonquiz und Tipps zum Laufen. Leider nur auf Italienisch, obwohl er ein amerikanisches  Käppi trägt. Wer also etwas mehr Spaß haben will, muss in Italien unbedingt bei einer Pace-Maker-Truppe mitlaufen.

Nächstes Highlight: Wir sind im Stadtteil San Siro und kommen am berühmten Giuseppe Meazza Stadion vorbei. Wirklich ein großer Kasten. Beim Lauf 2007 tauchte das Stadion aus dem Nebel auf, das war wirklich imposant. Aber so wie heute ist mir das Wetter lieber. Kein Regen und gerade noch kühl genug.

Wir kommen zur Galopprennbahn San Siro. Ich versuche, das größte Metallpferd der Welt abzulichten, gestaltet nach einem Vorbild von Leonardo da Vinci. Ein Vordach ist im Weg. Die Skulptur sieht in echt sowieso größer aus. Im Jahr 1999 nach Plänen von Leonardo da Vinci gegossen, 15 Tonnen schwer und 7,2 Meter hoch. Danach die erste Staffel-Wechselstelle. Im Moment wird noch gewartet, da die Staffelläufer 40 Minuten nach uns starteten. Beeindruckend die Länge der Wechselstelle: Muss wohl ein ganzer Kilometer sein.

Man wollte mit der Anzahl der Staffeln ins Guinness-Buch der Rekorde kommen, hat aber mit 2004 den aktuellen Höchststand von 2373 verfehlt. Und wo wurde der erreicht? Natürlich in Österreich, anno 2010 in Wien. Na ja, vielleicht klappt es dann im nächsten Jahr.

Apropos Verpflegungsstellen: Alles ist sehr gut organisiert: Wasser in Halbliterflaschen. Bananen und anderes Obst, dann leckeres Iso. Dazwischen Schwammstellen, an denen es auch Wasserflaschen gibt. Toilettenhäuschen findet man auch an einigen Stellen. Und schöne Pappelalleen.

Wer auf den nächsten zwei Kilometern nach rechts schaut, sieht den Monte Stella, einen Park mit einem kleinen Hügel. Von dort oben hat man einen schönen Blick auf die Stadt und oft auch auf die Alpen (Metrostation: QT8).

Durch eine tiefe Straßenunterführung queren wir die Viale Serra. Früher durften wir oben laufen und damit kann ich jetzt nicht mehr vermelden, dass der Mailand-Marathon brettleben ist. Aber die Höhenunterschiede bleiben wirklich sehr gering. Wir sind jetzt am Gelände der Stadt-Messe angekommen und endlich wird das Umfeld auch urbaner.

Völlig ungewohnt: Nirgends wird gehupt. Heute ist nämlich auch autofreier Sonntag (Domenic Aspasso) in Mailand. Leider fahren auch keine Straßenbahnen und O-Busse. Und das passiert mir als großen Straßenbahnfan. Hier fahren noch viele Wagen aus den 1920er Jahren. Auf dem Piazza Piazzale Damiano Chiesa ist wie bei unserem letzten Lauf der Gottesdienst zu Ende. Viele Milanesi feuern uns an. „Danke - Grazie“ Da freut sich auch der Zuschauer. Manchmal wird mir auch ein „Bittäschän“ zurückgerufen.

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Informationen: Milano Marathon
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