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Laufberichte

Warmduscher am AquaAlpin Marathon

06.06.09

Mittlerweile hat sich die Hoffnungslücke am Himmel wieder geschlossen und es wird uns nach und nach wieder das geschickt, was die Natur nach dem trockenen Monat Mai so dringend braucht.  Das Rheinpark-Stadion kommt in Sicht und der Himmel weint darüber, dass die grünen Sichtschutzmatten vom Zaun entfernt werden können. Der FC Vaduz muss sich aus der obersten Schweizer Fußballliga (Achtung, Herr Steinbrück: auch beim Fußball und seinen Millionentransfers stecken die Schweiz und Liechtenstein unter einer Decke!) verabschieden, wobei dies kein Gang in die Zweitklassigkeit ist, denn diese Liga heißt in der hiesigen Sprache „Challenge League“. In dieser Liga sind die Clubs froh, wenn überhaupt noch jemand zuschaut.

Auch wir stellen uns bald dem „Challenge“. Unsere Herausforderung ist der steile Anstieg unmittelbar nach dem Passieren der Fußgängerzone in Vaduz. Pietro wird von seiner Familie versorgt und zahlreiche Zuschauer versorgen uns mit freundlich aufmunterndem Applaus, obwohl sie nebst dem Schirm auch noch Regenkleidung tragen müssen, um nicht doch noch nass zu werden. Das Rote Haus hat sein Leuchten verloren, dafür präsentiert sich bald darauf das Schloss nun ohne Gerüst.  Die Flagge ist nicht gehisst, der Fürst also nicht zuhause. Dafür trotzen auch hier einige seiner Untertanen dem Regen, um die Teilnehmer anzufeuern.

Das bisschen Aussicht hinunter ins Rheintal verschwindet immer mehr hinter dem Schleier des dichten Regens. Mit Ausnahme einer kurzen Passage beim Beginn des Anstiegs ist die Steigung moderat und erlaubt ein regelmäßiges Laufen. Schwierig wird es dort, wo wir auf einen Waldweg einbiegen. Es ist aber nicht die Steigung, sondern die fast apokalyptisch anmutende neblige Dunkelheit, aus welcher immer wieder kräftiger Donner zu vernehmen ist, welche meine Schritte etwas unsicherer werden lässt. Ich frage mich, ob dies einer der Wege ist, an welchen „Back To Earth“ bei der Komposition von „Mystic Ways“ gedacht haben?  Möglich wäre es, denn die beiden Brüder, die mit ihrer meditativen Weltmusik so manchem Zeitgenossen beim Abschalten helfen (ideal ist ein einsamer Waldlauf mit dieser Musik im Ohr), stammen von hier.

Im Feld ist es recht ruhig geworden, die Teilnehmer sind stark darauf konzentriert, mit dem strömenden Regen klarzukommen, welcher sich mit jedem Höhenmeter noch unangenehmer, weil noch kühler, anfühlt. Pietro und mich hindert es aber nicht, zu plaudern und zu scherzen, so wie wir das schon in Frauenfeld gemacht haben. 

In Triesenberg hat er seinen nächsten größeren Empfang. Ein prominenter Liechtensteiner, Skiass Marco Büchel, steht mit seiner Frau an der Strecke und feuert die Unentwegten an, die sich teilweise trotz den misslichen Wetteraussichten heute noch nachgemeldet haben. Klar, dass Pietro hier noch einen kurzen Schwatz hält und seinen Bekannten die Brille abgibt. Die Verhältnisse sind so, dass man mit Sehkraftverstärker nicht mehr sieht als ohne. Auch meiner Kamera geht es ähnlich. Nebel, Regen und schlechte Lichtverhältnisse machen es fast unmöglich, ein halbwegs scharfes Bild zu schießen.  Zum Glück höre ich noch gut und verstehe viele verschiedene Idiome, auch den Dialekt, der sich hier in dieser Walsersiedlung gehalten hat. Wer die freundlichen Helfer und Zuschauer hier versteht und es kräftemäßig bis ins Ziel schafft, ist für den Zermatt Marathon gerüstet und müsste dann nur noch am Jungfrau Marathon teilnehmen, und schon ist die Klassierung im Mountain-Marathon-Cup erreicht.

Auf Wegen, die den Umständen entsprechend immer noch angenehm zu laufen sind, geht es weiter hoch, in der Zwischenzeit schon viermal bestens  verpflegt, bis uns der Wanderwegweiser beim Weiler Silum bestätigt, dass wir seit dem Start 1000 Höhenmeter überwunden haben.  Noch rund siebzig Meter dazu und wir haben den ersten Kulminationspunkt erreicht.  Auf den nächsten drei Kilometern geht es wieder zweihundert Meter hinunter nach Steg. Was sich eigentlich als Abschnitt zum Rollen anbieten könnte, hat heute seine Tücken. Der Pfad ist schmierig, was einige aber nicht davon abhalten kann, mit vollem Schub abwärts zu preschen.

Wir nehmen es nicht nur aus Sicherheitsgründen gemächlicher. Obwohl wir es bis jetzt locker angegangen sind, merkt Pietro ab der Streckenhälfte, wie viel Energie wegen seiner Erkrankung auf der Strecke geblieben war.

Es regnet zwar immer noch und auch die Funktionsbekleidung kann nicht verhindern, dass die Kälte mehr und mehr in mich eindringt. Dafür gibt es jetzt einmal ein bisschen Aussicht. Links unter uns erstreckt sich Steg mit seinen Häusern, die wie Perlen  an einer Schnur aufgereiht sind. In der Tat sind sie der Familienschmuck. Von Pietro erfahre ich, dass diese Anordnung von der  Aufteilung der Grundstücke beim Erbgang herrührt.

Unten am See ist wieder ein vollständig ausgerüsteter Verpflegungsposten. Die Helfer versorgen uns nicht nur mit Getränken, Orangen, Bananen, Energie-Riegel und Brot, auch mentale Verpflegung wird in Form von Anerkennung und Aufmunterung gereicht. Dabei haben es diese Freiwilligen nicht leichter als wir, wir können uns in dieser nassen Kälte wenigstens mit Bewegung etwas warmhalten.

Wenig später erreichen wir den zweiten Cut Off Punkt. Hier endet nach 25 Kilometern auch der zum dritten Mal angebotene Halbmarathon Plus, eine ideale Strecke, um sich an das Abenteuer Bergmarathon heranzutasten. Wer über die ganze Strecke startet, aus irgendeinem Grund aber früher aussteigen will, kann dies hier tun und wird so in die Wertung aufgenommen. Es gibt einige, die zu optimistisch gekleidet an den Start gingen, auf ihren Zustand achteten und hier verantwortungsbewusst auf die Weiterführung des Marathons verzichten. Auch der Sieger auf der kurzen Distanz ist einer von den „Abbrechern“.

Beim Ziel des Halbmarathons überqueren wir die Straße nach Malbun. Eine Menschentraube harrt im Regen und in der Kälte aus und verabschiedet uns auf die nächsten siebzehn Kilometer.  Auf direktem Weg wären es nur noch rund drei Kilometer bis zum Ziel.

Während ich mit klammen Fingern die Kamera zu bedienen versuche, zieht Pietro schon mal weiter. Allerdings wird er bald wieder aufgehalten. Das hat man halt davon, wenn man links und rechts der Strecke immer wieder jemanden kennt. Und wenn niemand am Wegrand ist, mit dem wir ein paar Worte wechseln können, unterhalten wir uns miteinander. Jemand sieht uns plaudernd daherkommen und meint: „Super, dass ihr dazu noch Zeit und Energie habt!“  Es ist auch Taktik. Das Gespräch lenkt mich, der weniger warm gekleidet ist,  von der Kälte ab, während Pietro ein wenig davon abgelenkt wird, dass er die Energie nicht so richtig in seine Beine bekommt.

Ich stelle mir vor, wie idyllisch sich das Valorschtal bei schönem Wetter präsentiert und fasse jetzt schon den Vorsatz, hier nochmals an den Start zu gehen. Kurz bevor mit dem sanften Auf und Ab Schluss ist, kommt das erste Kilometerschild mit einer Drei vorne. Bevor wir zum Aufstieg zum höchsten Punkt der Strecke ansetzen, werden wir nochmals liebevoll verpflegt. Die Helfer entschuldigen sich mehrmals dafür, dass sie kein Energie-Gel mehr haben. Kein Problem - darauf kann ich gut verzichten, denn das Weißbrot schmeckt mir weitaus besser und gibt mir ein wohliges Gefühl im Magen. Ein mentales Kaminfeuer sozusagen.

Der folgende Abschnitt ist für mich sogar in diesem Wetter ein Genuss. Es ist diese Art von Landschaft an der Waldgrenze, die mich immer wieder in die Berge zieht. Schon als Kind fühlte ich mich an solchen Orten einfach wohl, ohne dass ich sagen könnte warum. Auf der Fahrstraße oben erwarten uns Alphornbläser, deren gekonntes Spiel uns richtig zu ihnen hinauf zieht. Auch ihnen winde ich ein Kränzchen; sicher ist es nicht einfach Alphorn zu spielen, wenn der Regen sich in kürzester Zeit als See im Instrument festsetzt.

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Informationen: LGT Alpin Marathon Liechtenstein
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