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Laufberichte

Rauf und runter an der Förde

23.02.08

 Nee, eine Schönheit ist dieser Kiel-Marathon nicht. Und ich weiß auch bei meinem zweiten Start nicht, was mich diesmal geritten hat. Aber irgendwas muss dieser Lauf haben. Ich wiederhole mich, ich weiß - siehe meine Liebeserklärung hier an dieser Stelle vor zwei Jahren. Magische Anziehungskraft nennt man so etwas, glaube ich. Oder ich war in meinem Vorleben Seemann, Seehund, Klabautermann. Jedenfalls begrüßt mich der Norden so, wie man es als Südländer gemeinhin erwartet und wie ich es mir wünsche: mit leichtem Nieselregen und einem heftigen Wind, der über den Vorplatz des Hauptbahnhofs fegt. Ein Vorgeschmack auf den Marathon einen Tag später.

Für uns bahnfahrende Marathonis ist die Infrastruktur in Kiel beinahe ideal. Vom Bahnhof geht es gerade aus über eine Hafenbrücke zur günstigen Jugendherberge, die von einer Anhöhe aus einen tollen Blick auf die Stadt erlaubt. Herbergsvater Helmut Behnke ist immer noch ein begeisterter Marathonläufer, allerdings hat es noch nie für einen Start in seiner Wahlheimat Kiel gereicht. Den Grund für sein Fernbleiben ist mir Helmut bislang schuldig geblieben. Jedenfalls ist seine JH ein beliebter Treffpunkt für viele Teilnehmer des Marathons, vor allem beim Frühstück.

Und wie schon beim letzten Mal lerne ich interessante Menschen kennen, diesmal Sören aus München. So um die fünf Stunden will er laufen, und das bei seiner Premiere in Kiel. Oder Hans-Joachim Teegelbeckers aus Baden-Baden. Ein uriger Typ, ein   Querdenker, Künstler, vielleicht auch Lebenskünstler. Wohnt sogar bei mir um die Ecke, wusste aber bisher nichts von seiner  Laufleidenschaft. Beim Hornisgrinde-Marathon im  Nordschwarzwald sah ich ihn im Ziel mit Pinsel und Malblock, dachte noch: was ist das für einer? Auch in Kiel malt Hans-Joachim wieder. Irgendwie ein Exot. Nun kenne ich zumindest seinen Namen, das ist mal ein Anfang. Auf seine Lebensgeschichte bin ich gespannt, vielleicht mal mehr bei einem langen Lauf rund um Baden-Baden? Zuerst aber mal Kiel.


Selten einen Marathon erlebt, der so unaufgeregt und unauffällig über die Bühne geht. Der Laufclub "Power-Schnecken" organisiert das Event seit vielen Jahren, das Team wirkt entsprechend eingespielt. Immerhin ist es schon der 14. Kiel-Marathon. Die Nummernausgabe am Ostsee-Kai funktioniert reibungslos, der Kuchen ist noch selbst gebacken, das Startgeld im humanen Bereich. Das alles findet offenbar so geräuschlos statt, dass die Kieler wenig Notiz von der Veranstaltung nehmen. Das kann man bedauern, macht die Veranstaltung aber familiär und für meine Begriffe sympathisch. Kaum Zuschauer entlang der Strecke, dafür Spaziergänger, die auf der Hafenpromenade flanieren und immer mal wieder spontan Beifall spenden.

Am Start sind diesmal insgesamt 1700 Teilnehmer, verteilt auf 10 Kilometer, Halbmarathon und eben Marathon. Mit dabei ist auch wieder Horst Preisler, der seinen Rekord mit inzwischen 1541 gelaufenen Marathons in unglaubliche Höhen treibt. Ein Fernsehteam des NDR kümmert sich um Horst, stellt schlaue Fragen, bekommt weise Antworten. Wie lange er denn noch laufen wolle, fragt die Reporterin. „So lange, wie es Gott eben zulässt“, sagt Horst.

Aus Berlin ist Silke Stutzke angereist. Sie organisiert in diesem Jahr den Baltic-Run, ein Etappenlauf von Berlin nach Usedom. Ein kurzer Talk mit ihr und meine Ankündigung, mich anmelden zu wollen. Fünf Tage am Stück laufen ist eine feine Sache. Silke von der LG Nord wird am Ende übrigens Dritte bei den Frauen in 3 Stunden 41. Gut gemacht.

Ich will heute einfach nur locker laufen, Fotos machen, einen Tag vor dem Ultralauf von Lübeck nach Hamburg über 75 Kilometer nicht zu viel Kraft auf dem Asphalt lassen. Die Strecke in Kiel ist rasch beschrieben: es geht den Hafen rauf, immer entlang des Wassers, dann bei der Bundesmarine, an der Verpflegung, wieder zurück zu Start und Ziel am Ostsee-Kai. Eine 10-Kilometer-Pendelstrecke, teilweise mit ordentlich Gegenwind. Eigentlich für mich zum Weglaufen, so was mag ich überhaupt nicht. Aber in Kiel ist das anders. Schiffe gucken, Seehunden beim Plantschen zuschauen, die Gesichter der entgegenkommenden Läufer studieren - irgendwie muss das auf mich meditativ wirken. Jedenfalls nehme ich die Monotonie der Strecke kaum noch wahr, ich fühle mich wohl.

Und es bleibt Zeit für Plaudereien unterwegs. Michael Wichmann lerne ich so kennen, Feuerwehrmann und Box-Trainer aus Charlottenburg. Der war im Norden mal bei der Marine, besucht also quasi seine alte Heimat. Oder Stefan Voß, der Hamburger und Fan des FC Sankt Pauli. Sein Verein spielt an diesem Wochenende Unentschieden, der Aufstieg ist noch in weiter Ferne. So wie für manche das Marathon-Ziel. 

Nach etwas weniger als vier Stunden ist mein Kiel-Ausflug für dieses Jahr beendet: ein Foto noch vom freundlichen Helfer am letzten Wendepunkt schräg gegenüber vom Sex-Club, dann zurück zu Kaffee und Kuchen, Eintopf und Vollkornnudeln am Ostsee-Kai. Und während ich mich erhole, den Blick auf die Förde genieße, meine Waden vom Massageteam aus Damp kneten lasse, schießt mir ein Gedanke durch den Kopf: eigentlich könntest Du im nächsten Jahr hier wieder laufen. Denn dazu braucht es keine Schönheiten...      

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