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Laufberichte

Die etwas andere Silberhochzeit

23.02.19 Kiel-Marathon
 

Nach einer mehrstündigen Zugfahrt am Vortag der bevorstehenden, großen Feier am Westufer der Kieler Innenförde bin Ich mit einem schnellen Satz aus dem ICE, recke und strecke mich und  kann endlich maritime Luft tanken.

Über zweitausend teils internationale Gäste sind zum morgigen Festtag angereist. Sie kommen aus Norwegen, Großbritannien, Frankreich, Holland und Bayern. Keiner muss Geschenke mitbringen - lediglich ein bisschen Kondition sind gefragt, um bis zum bitteren Ende durchfeiern zu können. Klingt nach Heidenspaß? Wurde uns Gästen so versprochen! Legeres Outfit soll im Übrigen genügen. Also hatte Ich vor der Anreise anstelle Krawatte, Hemd und Sakko lediglich Jogginghose, Shirt und weiße Socken in den Rucksack gestopft!

 

Küstenmensch im Geiste

 

Mensch Kiel, es tut gut, bei Euch im hohen Norden zu sein! Zwei Jahre sind nun schon wieder vergangen. Wer mich kennt, der weiß, dass es mich beinahe jährlich ans Meer zieht, und sei es auch nur für einen Tagestrip. In dieser noch jungen Laufsaison 2019 freue ich mich darüber, Teil eines großen Ereignisses zu werden, nämlich dem langjährigen Bestehen eines „Ehebündnisses“ beizuwohnen. Bei einem mittlerweile Vierteljahrhundert Partnerschaft kennt man sein Gegenüber ja schon ganz genau. Man hat bereits Freud und Leid miteinander geteilt, denn in dieser Zeit wird jede „Ehe“ ab und zu auf die Probe gestellt. Aber auch viele schöne Stunden sollte das Bündnis in dieser Zeit erlebt haben. Die Rede ist hier natürlich von der mittlerweile 25 jährigen Partnerschaft des Veranstalters „LG POWER-Schnecken Kiel e.V.“ mit dem Sponsor „famila“. Das Ergebnis ist der „famila Kiel-Marathon“.

 

Letzte Vorkehrungen am Vortag

 

Die passende Räumlichkeit für eine Veranstaltung dieser Größenordnung verdient natürlich eine besondere Lokalität, also habt ihr das komplette Kreuzfahrt-Terminal Ostseekai mit seinen 5000 m² im Herzen der Innenstadt gebucht. Respekt! Vom Kieler Hbf bis zum Ostseekai sind es schlappe anderthalb km zu Fuß. Man überquert lediglich die Kaistraße und flaniert nordwärts an der Kieler Innenförde vorbei. Als Ich ankomme, werden gerade letzte Vorbereitungen für das Großereignis getroffen. Das Erdgeschoss ist in zwei Abschnitte unterteilt: im hinteren Bereich befindet sich die Gepäckabgabe sowie Umkleide, im vorderen die Nummernausgabe, der Kuchen – und Messestand.

 

 

Auf der einen Seite wird gerade ein mobiles Sieger-Treppchen von „Zippels Läuferwelt“ aufgeblasen, während die Empfangsdamen schwer damit beschäftigt sind, nummerierte Behälter zusammen zu schieben und mit unzähligen Umschlägen zu befüllen. Da Ich da gerade so rumstehe, werde ich prompt nach meinem Namen gefragt und abgefertigt. Straff organisiert hier, die machen das halt nicht erst seit gestern. Jeder Gast bekommt zu Beginn der Feier eine Starter-Nummer mit seinem Vornamen. So kommt  man  während der Veranstaltungsdauer  leichter  ins Gespräch.  Am heutigen Vortag gibt es sogar eine Pasta-Verkostung.

Wer lieber Erbsensuppe mit Punsch trinkt, wird ebenfalls versorgt. Sogar ein Sanitätsdienst mit Arzt ist vor Ort. Dieser dürfte jedoch auf diejenigen ungehalten reagieren, die es mit dem Glühwein am Kuchenstand übertreiben. Meine Vorfreude steigt, aber noch ist es ja nicht so weit. Ich gönne mir daher noch einen Teller Nudeln und verbringe den restlichen Nachmittag an der sonnig- frischen Förde.

 

 

So klein ist doch die Welt!

 

„Na, was wirste heute laufen?“, werde ich von einem norwegischen Gast in der langen Schlange vor der Gepäckabgabe gefragt, während lautes, lebhaftes Stimmengewirr, Hektik und Trubel das gesamte Kreuzfahrtterminal erfüllt. In diesem dichten Passagieraufkommen hab ich gerade eher das Gefühl, als würde jeder umgehend auf den nächsten Ozeanriesen wollen. „Heut wollt ich‘s eigentlich ordentlich krachen lassen und abfeiern! Und Du?“. War wohl die richtige Antwort. Ich kassiere Lachen und Schulterklopfen.

Auf Festen wie diese ist die Welt klein, daher trifft man stets auf bekannte Gesichter. Als ich mich gerade so umschaue, pralle Ich fast mit dem Bräutigam zusammen – glaubte ich zunächst. Ist aber der Robert mit der Nummer 248, ganz in Herrenfrack und Zylinder gekleidet. Sein Markenzeichen! „Hast Dich für heute ja wieder herausgeputzt, Rob! Schön, Dich zu sehen!“. Er wirkt etwas hektisch, als sei er tatsächlich auf der Suche nach seiner Braut. Für eine kurze Umarmung und Selfie hat er aber dann doch noch etwas Zeit...schließlich laufen wir uns nicht allzu häufig über dem Weg.

Auch die Christel treffe Ich wieder. Sie strahlt über beide Ohren! Zuletzt sind wir uns bei der Brocken-Challenge Anfang Februar über den Weg gelaufen. Und endlich treffe Ich auch Sebastian Roß wieder. Soso, die bayerische Tracht, ebenfalls ein Markenzeichen von Ihm, hatte er wohl diesmal zuhause gelassen? Auf eine der vielen Festzelt-Garnituren entdecke ich die Cindy, die Ich schon öfters im Harz angetroffen hatte. „Ich überlege noch, ob Ich ne dünne oder dicke Jacke beim Laufen tragen soll..,“ antwortet Sie etwas gedankenverloren auf meinen fragenden Blick hin.

„Nimm was dünnes! Heute bleibt es ganztägig sonnig, und windig wird es auch kaum“, antworte Ich ihr. Ausnahmsweise werd Ich wohl damit Recht behalten. Dann blicke Ich auf die Uhr. „Oh, wir sollten langsam nach draußen, die Ansprache muss wohl schon begonnen haben!“

 

 


Gelungener Ablauf

 

Ich mische mich gemeinsam mit Cindy vor einem riesigen Start-Banner in die anwesende Hochzeitsgesellschaft - beidseitig flankiert von vielen, neugierigen Zuschauern. Wohl rechtzeitig, denn Moderator Hans-Erich Jungnickel, gänzlich in weiß gekleidet, hält gerade eine ausführliche Ansprache. Seine Themen: Begrüßung aller Gäste, Erneuerung des Ehegelübdes und ausgiebige Dankesbekundungen an alle beteiligten Sponsoren. Eine schöne Sache, denn auf diese Art und Weise lässt man die bisherigen Ehe- Jahre Revue passieren und alle Gäste an diesem Glück teilhaben. Danke, Hans-Erich!

Ich hatte beim Packen meiner Jogginghose ja schon so eine komische Vorahnung, dass man es hier bei einem Festmahl nicht belassen würde. Es ist exakt 10 Uhr 20, als man es knallen lässt...was aber so gar nicht nach Sektkorken klingt! Im Anschluss an die Rede wird nicht auf das Silberpaar angestoßen, stattdessen rennen die Gäste eilig davon! Ich hätte es ahnen müssen, hier wird tatsächlich gelaufen. Und es sah wohl auch gerade nicht danach aus, als hätte man im Cruise-Terminal ein leckeres Buffet eröffnet!

 

 

 

Die Zahl ist gefallen, die Seiten vergeben

 

Ok, denke Ich mir, folgst Du erst mal brav der übrigen Kieler Kavalkade, welche unermüdlich nordwärts den Hafen hinauf rennt. Kurze Zeit später biegt der noch dichte Läufer-Pulk rechtsseitig an der Uferpromenade ein, welche hier Kiellinie genannt wird. Diese zieht sich scheinbar endlos am Wasser entlang und macht erst beim Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. Ecke Feldstraße halt. Auf der Gegengeraden rennen uns bereits die ersten Läufer die Bude ein. Na, die sehen ja sehr glücklich aus, freuen die sich jetzt auf ein noch reichhaltiges Buffet?

Ich muss Euch jetzt wohl aufklären: damit bei der Feier keine Langeweile aufkommt, hat sich das silberne Hochzeitspaar etwas besonders sportliches einfallen lassen! Es soll die heutigen Feierlichkeiten enorm bereichern und für heitere Stimmung sorgen. Hand aufs Herz, denn nun kommt‘s Dicke: die Gästeliste wurde nicht nur nummerisch sortiert. Wer eine gelbe Nummer aus seinem Umschlag gezogen hat, darf als glücklicher Kurzstreckler bereits um 10 Uhr los eiern und kann schon nach 10 km im Ziel ein erstes Bierchen zischen. Ist das zu glauben? Alle Grün-Nummerierten brauchen sich erst um 11 Uhr 15 auf die Strecke begeben, laufen dann aber die doppelte Distanz. Zumindest hart, aber gerecht.

 

 

Ich blicke verstohlen hinüber zu Jens. Auf seiner Brust prangt eine ominös blaue 589. So wie bei Cindy und mir. Wie mir Jens vorhin noch erzählt hatte, seien er und sein Kumpel extra frühmorgens aus Berlin angereist, um bei dieser Hammerfeier dabei sein zu können. Die beiden sind wohl auch eben erst mit dem Auto angekommen. Typisch Berliner, die haben Kampfgeist. „Dann wollen wir mal bis in den Nachmittag hinein laufen, Jens. Du siehst doch noch fit aus. Wenn wir ankommen, ist das Buffet kalt“, ruf Ich rüber.

„Die ersten kriegen aber noch Eis!“, ruft er fröhlich grinsend zurück, eine Staubwolke hinter sich lassend. „Wenn Du die Junior-Distanz laufen würdest...“, denke Ich grinsend.

 

Unterwegs auf dem Strich

 

Die Doppelpunkt-Wendestrecke ist gut zehneinhalb km lang. Der Start- und Zielbereich liegt am Ostseekai. Von den über zweitausend Mitstreitern haben knapp dreihundert blau Nummerierte das ganz große Los des Tages gezogen, denn die dürfen auf der vollen Distanz vier Runden lang frische Seeluft schnuppern. Wer aufmerksam hinschaut, entdeckt entlang der Strecke sogar noch etwas: eine blaue Linie. Die hat man aber nicht eigens für uns auf die Straße gepinselt, sondern soll die Touristen zu Sehenswürdigkeiten wie zum Beispiel dem Schifffahrtsmuseum und zu Einkaufsmöglichkeiten leiten. Es ist der so genannte Küstenerlebnispfad von Kiel. Auf insgesamt 15 Stationen führt dieser an den Kieler Förden entlang und bietet viel maritime Stadtgeschichte. Die Meinungen der Kieler zu dem viele km langen, blauen Strich gehen jedoch auseinander. Die enen hätten sich wohl lieber dezente Fußabdrücke gewünscht, die anderen gar kleine blaue Schiffchen, was für Kieler Verhältnisse wohl deutlich ansprechender gewesen wäre. Sei es drum. Für mich als Hannoveraner ein eher normaler Anblick, bei uns ist es der „roten Faden“, der den gleichen Zweck erfüllt.

 

 

 

Viel zu hören, viel zu sehen

 

Ich beschließe, Cindy zu begleiten. Sie ist nämlich ausgesprochen talentiert darin, mir ununterbrochen ein Ohr abzukauen, während ich regelmäßig am Fotografieren bin. Wir sind ein tolles Team! Und zu sehen gibt es währenddessen auch noch reichlich: auffällig zunächst das Institut für Meeresforschung nebst Geomar-Aquarium. Im Außenbereich drehen mehrere Seehunde ihre Runden. Weiterhin führt die Strecke am Landeshaus Kiel und Sitz des Landtags vorbei, was vor gut 70 Jahren noch das Marinestationskommando war. Bis zum Hindenburgufer reihen sich mehrere Yacht-Clubs aneinander, bevor der Marinestützpunkt am Tirpitzhafen mit seinen großen, grauen Fregatten ins Sichtfeld kommt. Der Liegeplatz der betagten „Gorch Fock“ an der Tirpitzmole wird jedoch noch über ein Jahr leer bleiben. Grund sind andauernde Sanierungsarbeiten an dem mittlerweile maroden Segelschulschiff. Immerhin wird die „Eagle“, eines der vier Schwesternschiffe und Segelschulschiff der US Coast Guard, für einige Tage im Mai diesen Jahres Kiel besuchen.

Dann ist der nördliche Wendepunkt am Flandernbunker, einem Schutzbau zur Zeit des zweiten Weltkriegs, erreicht. Heute nicht nur Bunker, sondern auch Begegnungsstätte verschiedenster Veranstaltungen. Hier wartet der erste Verpflegungspunkt auf die Läufer, wo unter anderem die Klassiker Banane & Apfel sowie Tee, Iso und Wasser auf dem Speiseplan stehen.

Nun geht es den lieben langen Weg wieder zurück – laufend natürlich. Irgendwann dort, wo die Kiellinie wieder in den Düsternbrooker Weg mündet, unweit am Ostseekai, strömen uns scharenweise Halbmarathon- Läufer entgegen. Auf dem Bürgersteig Richtung Bahnhof geht es stetig geradeaus, vorbei an Ostsee- , Schweden- und Sartorikai. Auf der gegenüberliegenden Seite befinden sich die Laufhäuser im Kieler Stadtkern, dem Sündenkai. Nun ist auch schon der südliche Wendepunkt erreicht und die erste Runde geschafft.

 

Sekundenglück

 

Tatsächlich merke Ich gar nicht, wie die Zeit vergeht, während Cindy weiterhin viel zu erzählen weiß. Unter anderem schildert sie ihren ersten Triathlon derart packend, dass Ich mich nun motiviert fühle, im Folgejahr bei der Challenge Roth an den Start zu gehen. Zwischendurch klatsche ich auf der Gegengeraden mit Sebastian ab, der den Halben läuft, oder heize den wohl stets gut gelaunten Berliner Jens vom Team Lübeck Runner an. Runde um Runde füllt sich die Uferpromenade. In regelmäßigen Abständen zollen uns die Kieler Spaziergänger und Zuschauer Applaus. Die Euphorie, der Rausch, der Flow - ein schönes Gefühl, das antreibt, immer weiter nach vorne schiebt. Ich winke Cindy zu, weil mir in diesem Moment danach ist, die letzten zehn km etwas flotter zu beenden. Das versteht sie, lässt mich ziehen.

 

 

Ich lasse mich vom Rhythmus des einsamen Schlagzeugers an der Kiellinie antreiben, erlebe ein euphorisches Hochgefühl. Na so was, gerade kommt mir die Panzerknacker-Bande entgegen. Der Tag ist halt alles andere als gewöhnlich. Auf meiner letzten Runde blicke ich auch immer öfters aufs Meer. Gerade verabschiedet sich das Kreuzfahrtschiff Color-Magic zu einer 20-stündigen Überfahrt von Kiel nach Oslo.

Ich will nun Grönemeyer hören, setze meine Kopfhörer auf. In seinem Lied geht es um Momente wie diese, wo dein Herz überschwappt. Er singt von den einzigartigen, tausendstel Momenten, die man Sekundenglück nennt, während ich zusammen mit Christel die Ziellinie durchquere und die Zuschauer Beifall klatschen. Wir nehmen dankend unsere Medaille entgegen. Ein wundervoller, durchgehend sonniger Tag neigt sich dem Ende. Aber mein „Runner's High“ hält auch noch viele Stunden nach diesem tollen Stadt-Küsten-Lauf an. Ein wirklich gelungenes Jubiläum, lieber Sven Wüst! In fünf Jahren dann die Perlenhochzeit?


Marathonsieger

Männer

 

1 Knutzen, Jan SG akquinet Lemwerder 02:34:37
2 Wegener, Gerrit Die Laufpartner 02:38:58
3 Ekman, Mattias Apladalens LK 02:50:37

 

Frauen

1 Marquardt, Doris LAV Bonn Bad Godesberg 02:58:21
2 Brock, Katrine Magic Sport 02:59:59
3 Neidiger, Christiane Die Laufpartner 03:15:14

 

 

 

 

 

 

Informationen: Kiel-Marathon
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