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Laufberichte

Lass keinen Trail im Leben aus

 

Am Bahnhof Kranebitten sind wir fast unten, wir biegen ab zum Ortsdurchlauf. Plötzlich fehlen mir im Ort die Markierungen und ich bin unsicher, ob ich nicht eine Abzweigung verpasst habe. Eine ganze Handvoll Trailer ist dem Esel gefolgt und ist jetzt genauso verunsichert wie ich. Eine Mitstreiterin meint, wir müssen auf alle Fälle weiter abwärts zum Inn. Nach 200 Metern kommen uns von oben wieder Läufer entgegen. Wir sind mit einem kleinen Umweg wieder auf der Strecke und wenig später an VP2 (km 12) am Ende der Runway des Flughafens von Innsbruck.

Cut-off  ist 10:30 Uhr, da braucht sich niemand Sorgen machen, das ist easy zu schaffen. Weiter geht’s für uns durch‘s Inntal, um auf die gegenüberliegende Seite zu gelangen. Ein Schotterweg führt uns direkt am Inn entlang. Nach unterqueren der Inntalautobahn gelangen wir nach Völs.

 

 


Zweiter Aufstieg


Vollkommen anders präsentiert sich der zweite Aufstieg. Nach dem Ortsdurchlauf von Völs führt die Strecke meist auf Forstwegen und Asphaltstraßen mit mäßiger Steigung hoch über den Velleberg nach Birgitz wo mitten im Ort die nächste Labestelle (km 18,5) auf uns wartet.

Dann wird es wieder rustikaler. Direkt nach Ortsende geht es auf den Akademikersteig. Über 1,5 km führt der äußerst wurzelige Steig an einem Hang durch den Wald. Auch wenn uns das Schild „Begehen des Steigs auf eigene Gefahr“ einen riskanten Weg einreden will, viel mehr als über Wurzeln zu stolpern kann man hier nicht.

Am Waldrand geht es einige Kilometer in der prallen Sonne über Felder und Wiesen weiter, bis wir kurz vor dem Nattersee wieder in den Wald eintauchen, wo erneut tolle Single-Trails auf uns warten. Beim letzten Anstieg hat sich eine Fankurve aufgebaut und feuert uns kräftig an.

Dann geht’s rein in den Zieleinlaufkanal am Natterersee. Die K25er sind hier fertig und werden anschließend zurück nach Innsbruck transportiert. Im Gegenzug werden die Teilnehmer am Trailmarathon, der um 12:30 Uhr gestartet wird, hierher gebracht. Dementsprechend viel ist los.

Kaum bin ich am Verpflegungsstand, werde ich schon von Susannerl und Lionheart mit seinem markanten Hut begrüßt. Sie haben noch eine gute Stunde Zeit bis zum Start des K42. Ich verliere bei dem Gewusel vollkommen die Orientierung, laufe nach dem Verpflegen einfach geradeaus weiter. Nach hundert Metern machen mich die fehlenden Markierungen doch stutzig und ich mache kehrt. An der VP werde ich dann aufgeklärt, ich muss wieder in den Einlaufkanal zurück, von wo ich hergekommen bin.



Vollkommen einsam ziehe ich weiter, das Feld der K65-Teilnehmer ist weit auseinandergezogen. Höchste Aufmerksamkeit erfordern die nächsten Kilometer. Viele Trails und schmale Waldwege warten auf uns, aber auch mit den Markierungen habe ich manchmal Probleme. Ich versuche mich gerade anhand des Kartenmaterials, das uns ausgehändigt wurde,  zu orientieren, als eine Läuferin auf mich aufläuft und meint: „Wir sind richtig“. Ok, dann weiter, es geht meist abwärts bis in die Sillschlucht.


Unter, neben und über Inntal- und Brennerautobahn


Die Sill entspringt oben in der Nähe des Brenners und fließt unter der Brennerautobahn nach Innsbruck. Der Eingang zur Schlucht ist am Fuße des Bergisel. Über eine Stahlbrücke gelangen wir in die ungezähmte, landschaftliche Romantik des Gebirgsflusses. Hier treffe ich dann endlich auch wieder auf weitere Läufer. Die Teilnehmer des K85 folgen schon länger dem Lauf der Sill von ihrem höchsten Punkt herunter und treffen hier wieder mit uns zusammen. Die Schlucht war Zeuge der blutigen Schlachten des Tiroler Volksaufstands von 1809 mit Freiheitskämpfer Andreas Hofer gegen die bayerisch-französischen Truppen.
Wegen einer Autobahnbaustelle handeln wir uns einen kleinen Umweg ein. Über hohe Stufen müssen wir aufsteigen, um das Hindernis zu umgehen. Auf dem Bergiselplateau passieren wir das Tiroler Kaiserjägermuseum mit Andreas-Hofer-Galerie und -Denkmal. An der Enthüllung des Monuments nahm seinerzeit Kaiser Franz Joseph I. höchst persönlich teil.

Dann wird’s unübersichtlich. Wir sind nicht weit vom Autobahn-Knoten Innsbruck-Mitte, wo sich die Inntal- und die Brennerautobahn teilen. Mal geht es über die Brennerautobahn, anschließend über, entlang und erneut über die Inntalautobahn, bevor wir nochmals die „Strada del Sole“ Richtung Bozen überqueren. Zwischendrin liegt unsere 5. Versorgungsstelle (km 32). Das Angebot ist wieder reichlich Unter anderem stehen auch ein großer Topf mit Kartoffelsuppe und eine schöne Kuchenauswahl bereit. Hier gibt es auch einen Cut-Off zu beachten: Großzügige 6 Stunden, ich habe genügend Luft, muss mir deswegen keinen Stress machen.



Es geht hinauf Richtung Lanser Kopf. Der dritte Auf- und Abstieg bietet wieder viel Abwechslung und ein breites Spektrum an ständig wechselnden Untergründen. Wurzeltrails, Waldwege, Forststraßen, Teerabschnitte und sogar ein Stück am Bahndamm entlang.

Nach 3 km passieren wir das alte Bahnwärterhaus und die Station „Tantegert“ oder Igler, wie die Linie 6 der Innsbrucker Mittelgebirgsbahn bezeichnet wird. Die 8,3 km lange Strecke beginnt am Fuße des Bergisel und führt bis zum Ortseingang von Igls, von wo aus man einen wunderschönen und uneingeschränkten Panoramablick über das Inntal, die Nordkette bis hin zu den Gletschern der Stubaier Alpen hat.

Kurz vor dem Fairways des Golfclub Innsbruck-Igls werde ich vom Führenden des K42 überholt. Dann geht’s wieder, meist in offenem Geländer, runter vom Berg. Ab Aldrans füllt sich dann auch endlich wieder unsere Laufstrecke, die schnellen Marathonis werden mehr und mehr. Nach dem Ortsdurchlauf geht’s an der Seitenlinie, oder auch mal etwas im Spielfeld wegen Platzmangel durch das Jugendspiel des SV Aldrans. Finde ich witzig. Am Ortseingang von Ampass stehen 42 km auf dem Tacho.


 


Altstadttour


Nach 48 km erreichen wir Hall in Tirol. Mit seinen mittelalterlichen Gebäuden zählt der Ort zu den schönsten Städten Österreichs. Durch die Salzgewinnung und der landesfürstlichen Münzstädte war Hall früher ein bedeutender Wirtschaftsplatz. Eine überdachte Brücke über den Inn führt uns in die Altstadt. Wir laufen direkt auf das Haller Wahrzeichen, den Münzerturm zu, wo im Innenhof von Burg Hasegg eine Versorgungsstation aufgebaut ist. Ich bin ziemlich ausgedürstet, es ist warm und mein Wasser ist schon seit einiger Zeit aufgebraucht. Auch hier gibt’s am Angebot nix zu meckern. Ach ja, das Zeitlimit: Vergesst es, 9 Stunden für 48 km beim K65 sind nicht wirklich ein Problem.

Die Burg diente im Mittelalter als Münzstätte, heute sind das Stadtmuseum und das Museum der Münztechnik untergebracht. Zum Anlass der Olympischen Winterspiele 1976 in Innsbruck wurde eine 100-Schilling-Gedenkmünze produziert. Im Museum befindet sich auch ein Nachbau der ersten Münzprägemaschine, die im Mittelalter als technische Sensation galt und mit der täglich rund 4000 Münzen geprägt werden konnten. Der Haller Taler genoss sogar Weltruhm.

Weiter geht es auf den urbanen Trails der Haller Altstadt, durch Unterführungen, enge Gassen, über Treppenanstiege, Hausdurchquerungen und vorbei an eindrucksvollen Bauten. Das Jesuitenkolleg wurde 1571 von Erzherzogin Magdalena gegründet. Nach seiner jüngsten Restaurierung besitzt es einen der schönsten barocken Innenhöfe Tirols. Schick ist die grauweiße Fassade, sie entspricht dem Originalbefund von 1680. Am Guarinoni Haus kann man ein wundervolles Mosaik bewundern. Ja, auch das macht richtig Spaß.



Beinahe zwei Kilometer dauert die beeindruckende Führung durch die Altstadt, dann wird’s wieder „normal“. Wir müssen durch das gesamte Inntal, um wieder zur Nordkette zu gelangen, wo unsere Tour am Morgen begann. Die komplette Durchquerung zieht sich über 4 km hin, wobei es doch meistens leicht bergauf geht. So sind wir praktisch bereits mittendrin in der 4. Bergetappe. Mittlerweile sind die Teilnehmer des K85, K65 und K42 beieinander, gut zu erkennen an den unterschiedlichen Farben der Startnummern. Um 16:30 Uhr wird zudem noch die kürzeste Distanz, der K15 Rookie-Trailrun in der Altstatt von Hall gestartet.


4. Bergabschnitt


Vor der Marienbasilika von Absam hat sich eine Gesellschaft eingefunden, unser Weg führt mitten durch die Feierlichkeiten. Das Gläschen Sekt wäre vielleicht auch nicht schlecht gewesen. Für uns gibt es einen Kilometer weiter am Ortsrand von Thaur (km 54) die 8. Nachschubmöglichkeit.

Auf Forststraßen geht es weiter, die Steilheit nimmt jetzt wieder spürbar zu. Gemessen an alpinen Verhältnissen sind die Anstiege aber eher unspektakulär und auch oft noch laufend gut zu bewältigen. Unsere letzte VP erwartet uns am Rechenhof bei km 60. Direkt im Anschluss erfolgt eine Streckentrennung. Für die Teilnehmer des K42 und K85 geht es nach rechts noch etwas weiter, auf einem anderen Weg bis zur Arzler Alm hinauf, sie haben somit bis ins Ziel noch 1,4 km mehr vor sich.

Ein geschotterter Weg führt uns auf den höchsten Punktes der 4. Bergbesteigung. Steil geht es hinunter nach Innsbruck. Die finalen drei Kilometer wechseln sich in ihrer Beschaffenheit mit Schotter, Waldwegen, Trails und Teerstraßen schön ab. Kurz unterhalb der Bergstation der Hungerburgbahn passieren wir noch das denkmalgeschützte Stampfbeton-Viadukt der alten Bergbahn und treffen wieder auf den Abschnitt, den es heute Morgen rauf ging. Über Alpenzoo, Innsteg und am Rennweg entlang geht es ins Ziel in die Trailcity.



Ich habe mir mein Rennen optimal eingeteilt, mein Zeitplan und auch meinen Zeitenziel sind locker aufgegangen und so komme ich heute ungewöhnlich entspannt ins Ziel. Bunt gemischt treffen nach und nach die Finisher des K42, K65 und K85 im Ziel ein. Vor dem Verpflegungsstand in der Sonne kann man es gut aushalten. Delikate Tiroler Schmankerl, wie Ziegenkäse und Salami sind bereit gestellt. Dazu kommt noch das beliebte bayrische Alkoholfreie. Zwei Becher davon gehen nach dem langen Tag runter wie Öl.

 

 

Medaillen gibt es beim IATF nicht, aber vor der Bühne kann sich jeder sein Finisher-Geschenk in Form einer Kupfermünze mit geprägtem Veranstalterlogo selber klopfen. Ob die Vorrichtung dafür von der Alten Münze aus Hall in Tirol kommt? Ich könnte es mir gut vorstellen und würde natürlich optimal passen.



Mein Fazit:


Tolle Veranstaltung in einer außergewöhnlich schönen Stadt und Umgebung. Meinen ersten Stopp in Innsbruck habe ich nicht bereut. Die abwechslungsreichen Strecken würde ich fast als familienfreundlich bezeichnen und sind dazu mit Zeitlimits versehen, die auch langsamere Läufer jederzeit bewältigen können. Wirklich technisch schwierige Abschnitte sind eigentlich kaum dabei und die Anstiege sind auch nicht allzu steil und somit problemlos zu bewältigen. Ich persönlich würde mir wünschen, dass mehr Teilnehmer für die beiden Langstrecken K65 und K85 zugelassen würden, die Strecke könnte das locker vertragen und man wäre besonders auf den mittleren Abschnitten nicht so einsam unterwegs.

„Nutze jede Veranstaltung, lass keinen Trail im Leben aus“. Beim Innsbruck Alpine Trailrun Festival sollte man unbedingt einmal am Start gewesen sein. Aber denkt daran: Frühzeitig anmelden, bereits bei seiner 2. Auflage waren die Läufe vorzeitig ausgebucht.

 

Einen weiteren Laufbericht (vom K85)
gibt es auf Trailrunning.de

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Informationen: Innsbruck Alpine Trailrun Festival
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