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Laufberichte

Dichtertraum zu Fuß

18.06.06

„Dies ist eine Gegend wie ein Dichtertraum, ...

 

... und die üppigste Phantasie kann nichts schöneres erdenken als dieses Tal, das sich bald öffnet, bald schließt, bald blüht, bald öde ist, bald lacht, bald schreckt.“
 
So beschreibt Heinrich von Kleist  Vielfalt und Gegensätze des Mittelrheintals zwischen Mainz und Koblenz, das er als schönste Landschaft Deutschlands bezeichnet. Auf dem letzten Teilstück konnten Läufer und Skater jetzt zum zweiten Mal ihren Sinnen freien Lauf lassen. Und das taten sie auch. Ich jedoch nicht, da das rechte Schienbein nach Biel eine Zwangspause verlangte. Und so konnte ich nur Eindrücke am Start, in Boppard und im Ziel sammeln.

 

Auf dem Weg zur Ausgabe der restlichen Startnummern merkt man sofort: Es ist längst nicht so „voll“ wie vor einem Jahr: Die Skater sind schon unterwegs. Und wieder traumhaftes Wetter wie vor einem Jahr, aufgrund der um eine Stunde vorgezogenen Startzeit nur ein paar Grad kühler.

 

Der erste, den ich treffe, ist Hugh Hunter aus Remagen, der Schotte im Rock. Letzte Woche noch war er beim Hunderter in Biel. Er ist mit seinem Ergebnis (13:32:33,4) überhaupt nicht zufrieden. O.k., haken wir das Thema Biel ab und schauen nach vorn. Hugh finisht in 4:39:05. Biel „abhaken“ ist doch wohl nicht so einfach.

 

Dann kommt mir Frank Nicklisch aus Neuwied entgegen. Er ist auch die 100 km in Biel gelaufen (11:48:42,8), im Gegensatz zu Hugh aber zufrieden, auch wenn er dort einen unfreiwilligen Boxenstopp einlegen musste. Er „läuft“ erst seit 3 Jahren, Biel war sein 11. Marathon/Ultra.  Er scheint ganz gut regeneriert und kommt mit 4:11:21 h ins Ziel. 

 

Am Mittelrhein gibt es auch Ersttäter. Einer von ihnen ist Markus Welsch, der sich mit 8 langen Läufen gut vorbereitet hat. Er hält eine Zeit um die 4 Stunden für möglich,  finisht dann in 4:48:15. Hitzezuschlag.

 

Hans Grollius von Spiridon Frankfurt beweist Größe. Er zieht an einer Zigarette, steht aber dazu. Aufhören ist momentan nicht drin. Er kommt in Koblenz an in 5:40:03.

 

Bernd Wünsche aus Nistertal startet seinen 4. Marathon. Auch er ist nicht der typische Marathonläufer, da er ein paar Kilos zu viel mit sich herumschleppt. Er will den Lauf genießen und langsam laufen. Letztes Jahr hat er auch teilgenommen und gefinisht. Später berichtet er enttäuscht, dass die Marathonleitung ihn schon nach 10 km aus dem Rennen genommen hat, weil er zu langsam war. Was tut er, nachdem der Besenwagen vorbeigefahren ist? Er läuft weiter! Die kommenden Versorgungsstellen sind zwar schon abgebaut, aber er wird überall noch verpflegt. Nach 3:30 h läuft er in Boppard ein. Dort ist die Zeitmessung schon abgebaut. Immerhin, ein Halbmarathon ist ein vernünftiger Abschluss. Den Rest legt er mit dem Zug nach Koblenz zurück. Es war für ihn ein Wohlfühllauf. Und nächstes Jahr ist er wieder dabei.

 

Auf dem Weg zum Starterfeld sehe ich jetzt von hinten noch zwei in „Kerry-Gold“-Anzügen. Das können nur Claudia Weber und Thomas Wenning sein, die seit ihrer Irlandquerung im Frühjahr ein Faible für dieses Land gewonnen haben. Richtig, sie sind es. Heute laufen sie als Pacer für 4:30 h.

 

Pünktlich um 8.30 Uhr wird das Läuferfeld dann mit den besten Wünschen der Weinkönigin und des Bürgermeisters von einer historischen Kanone in Bewegung gesetzt. Es sollte wieder ein sehr schöner, aber auch sehr schweißtreibender Lauf werden.

 

Auf dem Rückweg zum Parkplatz sehe ich Familie Grimm mitten auf der leeren B 9 auf Campingstühlen sitzen. Sie wohnen in Oberwesel, haben mit dem Marathonlauf nichts am Hut, genießen es aber, einmal im Jahr auf der Bundesstraße  frühstücken zu können.

 

Auf dem Weg nach Koblenz mache ich in Boppard noch einmal Halt. Nur wenige Minuten, nachdem ich die Strecke erreicht habe, läuft mir die Spitze des Feldes schon entgegen.  Trotz der Hitze ist keine Spur von Anstrengung in den Gesichtern nach dem Überschreiten der Halbmarathonstrecke zu erkennen. Ganz vorn liegen der Lokalmatador und Vorjahressieger Uwe Hondsdorf und der Marokkaner Brahim Chalgoum mit 1:16:02 bzw. 1:16:09. Es folgen Frederique de Coninck mit 1:16:38, Marco Diehl mit 1:18:40, Frederik Lauff mit 1:18:41, Felix Rothe mit 1:19:49 und Mario Müller mit 1:20:38.

 

Während Uwe Hondsdorf wieder sourverän den Sieg erringt (2:35:00), bricht der Marokkaner ein und wird nur 115. in 3:28.07. Auch Frederique de Coninck muss Federn lassen, erzielt aber noch einen guten 6. Platz in 2:48:47. Frederik Lauff (2:39:20), Marco Diehl (2:39:59), Felix Rothe (2:44:29) und Mario Müller (2:45.09) trotzen der Hitze mit einer konstanten Leistung und belegen die Plätze 2 bis 5.

 

Als ich das Deutsche Eck In Koblenz erreiche, laufen die Halbmarathonis ein. Nicht wenigen sieht man an, dass sie alles gegeben haben. Aber das Rote Kreuz im Zieleinlauf beobachtet genau und ist zur Stelle, bevor jemand zusammenbricht. Als dann die ersten Marathonis die Zielgerade erreichen, müssen sie weichen.

 

Wie wurde der 2. Mittelrheinmarathon von den Läufer/innen beurteilt? Es gab kaum Kritik. Organisation und insbesondere Verpflegungsstände wurden gelobt. Christoph Ibold (3:06:31) knapp: „Die Züge waren nicht zu voll, die Hitze war nicht ganz so schlimm wie im letzten Jahr, an den Verpflegungsständen wurden den Läufern dieses Mal die Getränke gereicht. Der 2. Mittelrheinmarathon – rundum gut.“

 

Für Thomas Reuter (3:14:28) war es der 7. Marathon insgesamt und der erste in diesem Jahr. Da bei der Hitze eine neue Bestzeit nicht drin war, wurde es ein Genusslauf und trotzdem sein zweitschnellster Marathon. Nur die km-Schilder seien auf den ersten 10 km nicht immer richtig gesetzt gewesen, alles andere: perfekt.

 

Für Arnd Zinnhardt aus Kelkheim (3:19:06) war es der dritte Marathon und zugleich der schönste. Ingo Kureck (3:16:51) hatte ebenfalls nur Lob für die Organisatoren parat. Wenn es noch etwas zu verbessern gäbe, dann wäre es eine Überdachung ab km 20. O-Ton: „Es war sehr heiß. So etwa bei km 25 frisst sich der Teer ins Hirn.“ Ja, das Mittelrheintal schreckt manchmal, wusste ja schon Heinrich von Kleist.

 


Fazit:  Der Mittelrheinmarathon ist trotz ebener Strecke unter Hitze nicht einfach zu laufen, aber dennoch ein attraktiver Lauf in einer der schönsten Gegenden Deutschlands. Und mein persönliches Fazit:  Schwerer als ihn zu laufen ist es ihn nicht zu laufen!

 

Informationen: Mittelrhein-Marathon
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