Oben angekommen öffnet sich einem die nächste traumhafte Perspektive über das Mittelland und den Südhafen, in dem wir am Donnerstag angekommen sind. Wieder geht es einige Stufen hinab und – schwupp – wird es dunkel. Ein ganz besonderes Gefühl ist das Durcheilen des Tunnels am Funkturm, der uns immer weiter hinunter zum Unterland bringt. Es geht so steil abwärts, daß ich aufpassen muß, mich nicht zu überschlagen. Also Tempo herausnehmen und abbremsen. Oberschenkel und Knie jaulen. Ein sehr schöner bunter Anblick sind, wieder unten angekommen, die sog. Hummerbuden. Diese bunt bemalten, hölzernen Häuschen am Hafen sind ehemalige Wohn- und Werkstätten der Fischer in der ersten Phase des Wiederaufbaus. Die heutigen Nutzungsarten stehen meist im Zusammenhang mit dem Tourismus.
In der jetzt kommenden Phase mußte ich meiner Frau versprechen besonders aufzupassen. Die Mole, weit hinaus aufs Meer führend und als Wendestrecke zu laufen, ist zwar breit, aber ein Fehltritt hat selbst im unspektakulärsten Fall mindestens ein unfreiwilliges Vollbad zur Folge. Aber im Wasser dümpeln die Lebensretter, jederzeit bereit, Lebensmüde wieder aus dem Wasser zu zerren.
Am Wendepunkt erwartet uns wieder eine Verpflegungsstelle, schon von weitem am Hardrock wahrzunehmen. Viel zu schnell muß ich wieder weiter. Es folgt nach dem Verlassen der Mole der optisch unspektakulärste Teil über Industriegebiet (irgendwie müssen sie ja die 10,5 km zusammenbringen). Zurück am Südhafen geht es nochmals entlang der Hummerbuden. Die erste Runde ist in 57:30 min. geschafft!
Der Streckensprecher schickt mich auf die zweite. Der heißt übrigens letztmals Siegfried Konjack („Konni“) und wird ab dem kommenden Jahr von Volker Krajenski - mehrmaliger deutscher Meister im Ultralanglauf und Marathonläufer mit starken 2:18 Stunden – abgelöst. Und der ist beileibe kein Unbekannter hier, ganz im Gegenteil: Er hat die Insel bei mehrfachen Marathonläufen, an denen auch seine Frau Andrea erfolgreich teilnahm, lieb gewonnen. Beide starten heute beim Minimarathon, Volker wird dabei Zweiter werden. Prominente Personen wie die „Ultralanglauflegende“ Birgit Lennartz, Comedystar Wiegald Boning und ZDF-Sportreporter Norbert König konnten in den vergangenen Jahren unvergeßliche Lauf-Erlebnisse auf der Nordseeinsel sammeln.
Der seit einigen Jahren auf der Insel wirkende Tourismusdirektor Klaus Furtmeier (zweifacher Marathonfinisher mit einer persönlichen Bestzeit von 4:33 Stunden) hat demnach auch gehörigen Respekt vor seinem heutigen ersten Insellauf, den er in diesem Jahr ohne Zeitvorgabe angehen möchte. Mit gewisser Genugtuung verfolgt der Rathausangestellte Oke Zastrow - Cheforganisator dieser Veranstaltung - dieses Vorhaben, denn er finishte bereits fünfmal auf dem „Roten Felsen“ und hat insgesamt 20 Marathons mit einer Bestleistung von 3:07 Stunden erfolgreich bestanden. Ein netter Bursche, den man direkt ins Herz schließt.
Auf der zweiten Runde beginnt sich das Feld endgültig zu verteilen. Ich freue mich, einige neue Bekannte unterwegs zu treffen: Uwe, der mit seinem Vater (Fan) ebenfalls in unserem Hotel übernachtet, ist ein Gute-Laune-Paket, sein Strahlen ersetzt die fehlende Sonne vollständig. Mit 3:31 Std. legt der 31jährige eine saubere Leistung (Bestzeit in seinem vierten Helgoland-Marathon) ab. Heinz, den seine Petra als Fan begleitet, ist nicht ganz so schnell unterwegs, freut sich aber im Ziel über die Unterbietung seiner Vorjahreszeit um vier Minuten. Er finisht ebenfalls zum vierten Mal auf der Insel. Rudi aus Offenbach/Hundshagen läuft seinen 188. Marathon, ist regelmäßiger Besucher bei marathon4you.de und kennt den Herrn Bernath. Der freut sich. Andere, z.B. Heinz Geilenkirchen aus Köln, haben jede der bisherigen 13 Auflagen mitgemacht.
Halbzeit ist bei 1:55 Std, da bin ich alles andere als unzufrieden. Die vier Verpflegungsstationen sind reichlich dimensioniert, man kann gar nicht alle anlaufen. Fast tun einem die motivierten Helfer von Klein bis Groß deshalb leid. Auf der dritten Runde bekommen wir einige wenige Tropfen von oben ab, völlig undramatisch. Absolut dramatisch für Veranstalter und Läufer wäre es hingegen geworden, wenn gestern Lauftag gewesen wäre. Saukälte, gepaart mit Regen quer bei Windstärken 7 – 8 bleiben uns heute Gott sein Dank erspart. Wärmer ist es allerdings nicht geworden.
Am Ende der dritten Runde, ca. bei km 31, überrundet mich der Sieger, der sich über meinen Beifall für seine Leistung freut. Die Kamera hatte ich meinem Lieschen schon bei Halbzeit gegeben und nehme, die 3:50 Std. sind noch in Reichweite, die Beine, so gut es geht, in die Hand. Ich kann tatsächlich teilweise noch einen 5er Schnitt laufen, das gibt Hoffnung.
An der letzten Verpflegungsstelle will ich nichts mehr haben. „Dann nimm doch wenigstens das Bier, das verleiht Flügel!“ Dem kann und darf ich natürlich nicht widerstehen und mache mir und ihm die Freude. Ein letztes Mal komme ich aus dem (Arbeits-)Hafengebiet und sehe zum letzten Mal die Hummerbuden vor mir. Unter dem Beifall der unermüdlichen Zuschauer begrüßt mich „Konni“, der Moderator, nett im Ziel und weist dankenswerterweise mehrfach auf meinen zu erstellenden Bericht bei marathon4you.de hin.