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Laufberichte

Marathon auf hoher See

08.05.10

Im Vertrag von 1890 tauschte Großbritannien die Insel Helgoland gegen die Kolonialrechte von Sansibar (Ostafrika) aus – die gehörtem dem Deutsche Reich - und ab da war der rote Felsen germanisch. Nach der kompletten Zerstörung erfolgte ab 1952 tatsächlich ein Wiederaufbau, auch wenn die Insel ihr Gesicht entscheidend verändert hatte. Davon profitieren die heutigen knapp 1.300 Einwohner und eben wir Touris.

Samstag – Lauftag.

Um 9 Uhr wird der Minimarathon gestartet. Auf einem Teil unseres Marathonkurses findet über 5,8 km ein eigener Wettbewerb statt. Elke ist dabei und so haben wir beide alle heute angebotenen Läufe belegt. Ich knipse noch ihren Start und bin eine Viertelstunde später selber dran. Das Ziel wird erst nach 5:30 Std. geschlossen, da sollte jeder durchkommen können.

Der veranstaltende rührige Inselclub VfL Fosite (friesische Gottheit) Helgoland hat sich in der Läuferszene einen Namen gemacht, inzwischen hat diese Veranstaltung Kultstatus entwickelt. Mit wie viel Liebe schon die Vorbereitung erfolgte, zeigt bereits die reichhaltige Startertüte, die jede(r) erhält (Inhalt s.u.). Inselbürgermeister Frank Botter beschreibt den organisatorischen Aufwand wie folgt: „Einen Marathon auf Helgoland zu organisieren ist so schwierig wie einen 100-Meter-Lauf auf einem Bierdeckel.“

Dieser Lauf lässt keinen Flecken der Insel mit ihren natürlichen Reizen, am Klippenrand und der „Langen Anna“ vorbei sowie dem ununterbrochenen Blick auf die Nordsee, aus. Der höchste Schwierigkeitsgrad ist der Anstieg vom Unter- zum Oberland auf 200 Meter Länge mit einer bis zu 40-prozentigen Steigung; dieser Versorgungsweg ist ebenfalls viermal zu bewältigen. 160 Helfer aus allen Organisationen der Insel kümmern sich um uns rund 400 Aktive.

Los geht’s, zunächst in Richtung Schwimmbad, am Nordosthafen. Dies ist der einzige Streckenabschnitt, der nur zum Marathon geöffnet wird. Durch den Nordosthafen führt der Weg weiter auf die Mole der Nordreede. Schon ist der schön breite Weg Geschichte und er verengt sich, auf dem Deich verlaufend, in Richtung Jugendherberge beträchtlich. Der Lauf auf blanken Bohlen über dem Sand hat etwas, ein Überholen ist unmöglich.

Beim ersten kleinen Anstieg nahe des Sportplatzes hat man die Klippen wunderschön im Auge. Für diejenigen, die es bisher nicht glauben wollten, wird es nun Realität: Das Oberland will erklommen werden und der steil bergan führende Weg, offiziell seit 1974 nach der Partnergemeinde „Millstätter Weg“ genannt, heißt im Volksmund „Düsenjäger“. Wohl dem, der hier düsen kann, viele schreiten in Anbetracht des noch zurückzulegenden Weges ehrfürchtig. Optisch aus der Ferne für viele zunächst geradezu furchterregend steil, ist er dann aus der Nähe betrachtet doch nicht ganz so bedrohlich, weil nicht lang. Steil bleibt er trotzdem, insbesondere im letzten Abschnitt. Und deshalb marschiere ich diesen auch entgegen meiner sonstigen Gewohnheit, der Tag ist noch lang. Oben belohnen uns die Zuschauer mit Beifall.

Über eine 180°-Kehre ist unser nächstes Zwischenziel die „Lange Anna“. Dies ist eine der geologisch-naturkundlichen Sehenswürdigkeiten, ein 47 m hoher, frei stehender, von tausenden Seevögeln bevölkerter Lummenfelsen (Lummen sind nur eine Art der hier brütenden Piepmätze). Das Geschrei der Vögel ist fast ohrenbetäubend, Alfred Hitchcock läßt grüßen. An der Schule vorbei, immer auf den roten Pflastersteinen, wo sich alle 250 m eine Markierung befindet, kommen wir auf dem Klippenrandweg der Steilküste immer näher. Ein phantastischer Ausblick bietet sich uns hier: Meer, wohin das Auge reicht.

Ich versuche, mich mit dem Tempo etwas zurückzuhalten. Die Strecke ist sehr windanfällig und gestern wie vorgestern hat es hier unwahrscheinlich gestürmt (es bläst streckenweise immer noch kräftig), ich will mit meinen Kräften haushalten und nicht schon am Anfang überziehen. Die Folgen wären, gerade hier, fatal. Mir gefällt das Laufen auf Helgoland sehr. Keine langen Geraden (mal abgesehen von der später noch zu belaufenden Mole), schmale, gewundene Wege geben einem das Gefühl, schneller als tatsächlich unterwegs zu sein. Aber deswegen und durch das ständige Auf und Ab ist es auch sehr anstrengend. Rechts hat man die Vogelfelsen und den schönsten Blick auf die Lange Anna, wenn man sich umblickt. Ich tue das und knipse das was-weiß-ich-wievielte Foto von ihr.

Linkerhand erblicken wir das Gipfelkreuz. Jawohl, das Gipfelkreuz. Furchterregend hoch türmt sich die 61,3 m hohe Steilwand des Pinnebergs auf. Also, das ist so ähnlich wie der Monte Troodelhöh als höchste Erhebung Kölns: Eigentlich kaum wahrzunehmen, aber absolut erwähnenswert! Helgoland gehört übrigens auch zum Kreis Pinneberg, wobei die Insulaner das Kfz-Kennzeichen „PI“ stolz und selbstbewußt als Abkürzung für „Prima Insel“ interpretieren.

Kurven- und abwechslungsreich geht es leicht auf und ab, eine Treppe ist bergab zu nehmen. Vor dem Leuchtturm, im zweiten Weltkrieg als Flakturm konzipiert und als einziges Bauwerk unzerstört geblieben (er enthält das lichtstärkste deutsche Feuer, das 42 Seemeilen weit reicht), sind diese wieder bergauf zu nehmen. Also, so ganz flach ist die Angelegenheit heute wirklich nicht, pro Runde kommen doch rund 75 Höhenmeter zusammen, die weniger harmlos sind, als es sich anhört.

 
 

Informationen: Helgoland-Marathon
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