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Laufberichte

Laufgenuss im Biospährenreservat

 

Schon wenige Minuten später erreichen wir die nächste Burg. Neu-Windstein wurde im 12. JH erbaut und 1676 zerstört. Durch diese schöne Ruine dürfen wir hindurch laufen, einer der Höhepunkte unserer heutigen Tour. Auffallend sind die neoromanischen Fenster im 1138 erbauten Wohnturm.

Nach einem kurzen Abstieg folgt ein längerer, recht entspannender Streckenabschnitt. Normalerweise sind flache Aufstiege eigentlich mein Schwachpunkt, doch heute überhole ich ausgerechnet auf solchen Passagen mehr Leute, als auf den steilen Trails, die mir besser liegen.

Nachdem wir an einem kleinen See vorbei laufen, geht es wieder steiler aufwärts, teilweise wieder über schöne Trails. Bei Burg Wineck, in manchen Büchern auch Windeck genannt, laufen wir direkt unter dem Burgfelsen vorbei und durchqueren ein altes Tor. Heute gibt es keinen Zugang mehr zum oberen Teil der im 13. JH erbauten Burg. Nur die Unterburg kann besichtigt werden. Der mächtige Bergfried ist ein schöner Blickfang. 

Weiter geht es auf wunderschönen Trails. Ich laufe tausend Mal lieber auf Trails statt auf flachen, asphaltierten Strecken. Bei Trailrunning liebe ich das je nach Steigung oder Gefälle häufig wechselnde Tempo, mal steil bergauf marschieren, mal wie ein Irrer ungebremst steile Pfade hinab sausen. Auf Trails gibt es kein simples Voranlaufen im "Autopilot-Modus". Steine, Wurzeln und andere Unebenheiten erfordern stets Aufmerksamkeit. Man kann auf Trails nicht einfach monoton und gedankenlos voran traben, sondern setzt sich pausenlos mit der Natur unter den Füßen auseinander.

Ich finde es auch sehr entspannend, dass auf Trails die Füße bei jedem Schritt in einem anderen Winkel am Boden aufsetzen, statt stundenlang immer nur exakt die selbe Fußbewegung zu wiederholen. Für Anfänger bedeutet dies eine Umstellung, doch sobald die Adduktoren genügend trainiert wurden, bedeutet dies wirklich eine Erleichterung für die Gelenke.

Bei manchen Ultratrail-Veranstaltungen muss man als Läufer auch sehr aufpassen, dass man den richtigen Weg findet. In Niederbronn dagegen kann man sich eigentlich nicht verlaufen. Sehr gut sichtbare Richtungsschilder lassen keine Zweifel offen, außerdem wurden die meisten anderen Abzweigungen mit dicken Linien aus Sägemehl "gesperrt". Dass es trotzdem wie immer auch ein paar Leute gibt, die trotz 100 % guter Markierung irgendwo nicht aufpassen und in die falsche Richtung laufen, kann man den Veranstaltern nicht vorwerfen.
An einer Stelle müssen wir eine Straße überqueren und auf der anderen Seite eine steile Böschung hinauf steigen. Und wieder folgen Trails und breite Wege in stetem Wechsel. Ach wie froh bin ich, dass ich mich vor wenigen Tagen entschlossen habe, doch wieder hier zu starten! Eigentlich hatte ich in meiner Jahresplanung für den April nur viele lange, teilweise sehr lange Trainingsläufe stehen.

Wieder erreichen wir eine Burg. Schöneck war neben der nicht weit entfernten Fleckenstein die bedeutendste Burg der Gegend. Hier bleibt uns keine Zeit für eine Besichtigung der Ruine, in der seit vielen Jahren  Renovierungsarbeiten durchgeführt werden.

Nun geht es hinab zu einem schönen See. Als ich vier französische Frauen fotografiere, lachen sie und ich höre das Wort "Paparazzo". Diesem Begriff stimme ich zu, denn ich bezeichne mich selbst gerne als Trail-Paparazzo. 

Ein weiterer anstrengender Aufstieg folgt. Nach viel auf und ab erreichen wir eine Gruppe großer Felsen, an denen wir entlang laufen, dann führt ein toller Single-Trail steil bergab.  Wenig später laufen wir neben einem idyllischen Bach zum kleinen Dorf Dambach. Neben der Kirche sehen wir ein weiteres Befestigungswerk der Magniot-Linie. 

An der Verpflegungsstelle stopfe ich mal wieder gleichzeitig Salami und Rosinen, Käse und Schokokekse in mich rein - im normalen Leben unvorstellbar. Außerdem trinke ich heute mehr Cola als zusammengerechnet in meiner "normalen" Freizeit von Oktober bis März. Ultratrails haben für mich eben andere Ernährungsmethoden.

Nun folgt wieder ein sehr anstrengender Aufstieg. Wir kommen vorbei an Burg Hohenfels, von der man nur noch Mauern auf einem Felsen sieht. Äußerst beeindruckend ist kurz darauf der Blick zurück zu dem schmalen Fels, auf dem die Burg stand. Nach einer Weile sehen wir in der Ferne den Großen Wintersberg mit seinem Sendeturm. Es sieht so aus, als würden wir den Gipfel bald erreichen, doch zuvor ist noch fast der ganze Berg zu umrunden.

Ein Trimm-Dich-Pfad lockt uns, das Laufen durch sonstige sportliche Übungen zu ergänzen, doch niemand unterbricht seinen Lauf. Eigentlich fände ich es witzig, wenn zukünftig die einzelnen Trimm-Stationen zum Wettkampfprogramm zählen würden.

Der letzte Aufstieg zum Grand Wintersberg bringt mich wieder ordentlich zum Schwitzen. Mit 580 m ist dies der höchste Punkt der nördlichen Vogesen. Direkt neben dem 1890 erbauten Aussichtsturm steht die letzte Verpflegungsstelle. Hier gibt mir ein Stier Cola zu Trinken. Das Logo dieser Défi ist ein Stier, und einige der Helfer arbeiten heute als Stiere verkleidet. 

Dann eile ich auf einem wirklich rasanten Downhill-Trail in die Tiefe. Erst weiter unten, beim Parkplatz am Chateau Wintersberg, wechselt dieser Kamikaze-Spaß wieder zu leichterem Trailrunning, bevor unser Abstieg noch einmal durch einige positive Höhenmeter unterbrochen wird. Ein weiterer kurzer Downhill, ein bequemer Gegenanstieg dann wieder schnell bergab. Nach 8:05 Stunden erreiche ich als 138 von 189 Finishern das Ziel. Ich bin zufrieden, zumal ich diesen schönen Trail heute ja nicht als Wettkampf betrachte, sondern als Trainingseinheit laufen wollte.  Mit Rüdi und Hans, zwei Lauffreunden, mit denen ich hier hergefahren bin, rede ich über meine Idee, diese Reportage "Trailrunning für Anfänger" zu nennen. Technisch schwere Trails gibt es auf dieser Strecke keine. Doch die beiden überzeugen mich, dass manche steile Abstiege dennoch für Anfänger eine ordentliche Herausforderung sein können. Verglichen mit einem klassischen deutschen Landschaftsmarathon sind diese Pfade anspruchsvoll. Im Vergleich zu alpinen Trails oder manch anderen Strecken in den Vogesen eignet sich Niederbronn aber durchaus als Einstieg.

Die Défi des Vosges bietet auf jeden Fall hervorragende Organisation, perfekt markierte Strecken und ungetrübten Laufgenuss. 

ls Schlamm-Fan sage ich zwar normalerweise: "Wenn die Schuhe danach nicht dick verkrustet sind, war es kein richtiger Trail", aber bei dem extrem trockenen Boden gab es zwar keinen Schlamm, dafür gelang es dem Sand heute mal wieder, durch Gamaschen, Laufschuhe und doppellagige Socken hindurch die Füße schwarz zu färben. Auch eine Art von Trophäe! 

 

Laufbericht und Bilder von Nicola Wahl von der 
Défi des Seigneurs (74 km/2700 HM) gibt es hier auf Trailrunning.de

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Informationen: Grand Défi des Vosges
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