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Laufberichte

Lauf für das Leben

14.03.09
Autor: Joe Kelbel

Der DAHW-Gedächtnislauf erinnert an die Zerstörung Würzburgs im Zweiten Weltkrieg. Organisiert wird der Lauf von der Deutschen Lepra-& Tuberkulosehilfe (DAHW) und ist eine von vielen Spenden-Sammelaktionen des Vereins.

Es gibt vier Laufstrecken: 8,21,28 oder 44 Kilometer.Der Start erfolgt in Würzburg, auf dem Talavera-Festplatz und führt auf dem Uferweg des Maines flußabwärts.

Würzburg gehört zu den Städten, die noch in den letzten Kriegstagen bombardiert wurden. Schon vorher fielen Bomben auf Würzburg, aber mit dem Abwurf der ersten Markierungsbomben am 16.März 1945 um 21:25 Uhr begann der letzte Angriff,  der die gesamte Stadt in Schutt und Asche legte. Es begann mit roten und grünen Leuchtbomben, die an Fallschirmen schwebten und von der Bevölkerung „Christbäume“ genannt wurden. Es folgten Sprengbomben, Luftminen und Stabbrandbomben. Die Altstadt wurde komplett zerstört. Noch in einer Entfernung von 240 Kilometern konnten die abfliegenden Bomberbesatzungen den Feuerschein der brennenden Stadt erkennen. Würzburg bot kein strategisches Ziel.

Mein Körper war seit Wochen auf Kriegsfuß mit meinen sportlichen Ambitionen, und eigentlich hätte ich heute nicht starten dürfen. Aber in jener Nacht auf den 17.März 1945 lief Jeder, der noch laufen konnte, zum Main und am Mainufer entlang, raus aus der Stadt, um sein Leben zu retten. Wer nicht (mehr) laufen konnte, oder nicht wollte, zählte zu den 5000 Toten. Grund genug, meinen körpereigenen Kleinkrieg zu ignorieren, denn  Laufen bedeutet Leben.

Und dann gibt es noch Menschen, die würden gerne laufen, können es aber nicht mehr. Tuberkulose konnte ich mir ja noch vorstellen, aber Lepra? Nun, der DAHW  erklärt dies auf seiner website: www.dahw.de   Ich lese mir die Seiten durch und registriere, daß diese Armutskrankheiten heute noch existieren. Sehr gut werden die Behandlungsmethoden und Vorbeugemaßnahmen und die einzelnen Projekte des DAHW, vornehmlich in Afrika erklärt. Für diese Menschen sammelt der DAHW, unter anderem durch diesen Lauf, Spenden.
Und wer aufgrund meines Artikels etwas beitragen will, der findet einen Spendenlink auf der Website.

Nur 500 Meter vom Hbf entfernt, auf dem Talavera-Festplatz, unterhalb der Friedensbrücke (machte Sinn die Brücke nach dem Krieg so umzubenennen) finden gerade Aufbauten für ein Frühlingsfest statt. In einem folklorischen Festzelt ist die Startnummernausgabe und der Nachmeldeschalter. Für die etwa 600 Läufer eine sehr familiäre Atmosphäre. Das Wetter ist angenehm, sodaß viele gerne vor dem Festzelt, direkt an der Startlinie, auf den Beginn des Laufes warten.

Die enspannte, freundliche und familiäre Stimmung ist schön, doch hoffe ich , daß durch meinen Artikel der  Gedächnis-Spenden-Lauf auch  überregional noch mehr bekannt wird, denn eigentlich findet er dieses Jahr zum 15ten Mal statt.

90 Läufer nehmen die 44 km lange Strecke in Angriff. Da es vorher keine Starterliste gab, gibt es die freudige Überraschungen, den einen oder anderen Marathonsammler wiederzutreffen.

Vor dem Zelt stehen private Autos, die die Taschen der Läufer zu den jeweiligen Zielpunkten bringen. Vom Hbf bis zum Start, samt erhaltener Startnummer, habe ich knapp 15 Minuten gebraucht. Klasse Orga!

Satt Startschuß heult eine Sirene, und wie die Überlebenen damals vor 64 Jahren,  laufen auch wir auf schnellstem Weg direkt zum Main und am linken Ufer flußabwärts.

Erster Ort ist Zell am Main. Der Fluß hat Hochwasser, es gibt kleinere Umwege, macht die Streckenführung aber auch interessant. Der 8 km-Lauf endet in Margetshöchheim. Mit scheint es, daß hier die meisten aussteigen. Der Verpflegungspunkt ist nicht erkennbar vor Läufermassen.

Nächster Verpflegungspunkt ist Zellingen. Bei Km 15 überhole ich Sven, der sich von Mutter und Schwester gerade Aufmunterung geholt hatte. Er ist 14 Jahre alt, sieht ein bißchen müde aus, wird aber die nächten 6 km sicherlich auch noch schaffen. Vorher muss er aber durch das matschige Feld stiefeln. Das Hochwasser hat den Uferweg überschmwemmt. Lustig, wie die Läufer storchenmäßig durch den Acker glitschen......

Der Halbmarathon endet in Himmelstadt, beliebte Adresse für Weihnachtspost.Auch hier wird der Verpflegungspunkt von den Läufern und Angehörigen schlicht erdrückt. Kein Wunder, es gibt Unmengen an Kuchen, Cola, Iso und Kaffee.

Ich schwätze lange Zeit mit Klaus-Peter. Als er mir sagt, daß er schon 10 mal die 100 Km von Biel gelaufen bin, habe ich umgehend keine Schmerzen mehr.

In Mühlbach gehts über die Brücke nach Karlstadt. Von der Brücke breitet sich ein sympathisches mittelalterliches Städtchen vor mir aus. Mit Türmchen und Stadtmauern wie aus dem Bilderbuch. Oberhalb die Burgruine Karlsburg laufe ich am alten Brückenturm vorbei in die Fußgängerzone zum Marktplatz. Hier endet der 28 Km-Lauf. Der Verpflegungspunkt ist umwimmelt.

Klaus-Peter läuft vor. Ich aber genieße die Pause, der Marktplatz ist zu bunt, der Kuchen zu lecker, der Kaffee zu gut......

Das Anlaufen tut weh. Nun geht es raus aus dem Stadttor ans Ufer und weiter flußabwärts, auf der rechten Flußseite bis zur Schleuse Harrbach (VP) und nach Werfeld (VP).

Es beginnt die Phase, in der die Gedanken des Langstreckenläufers dahinschweifen. Heute drehen sie sich um Krieg, Zerstörung, Flucht und Schmerzen. Links, direkt am Weg, fließt der Main, über den noch bis weit ins Jahr 1947 die Trümmerloren flußabwärts fuhren, um den Trümmerschutt aus Würzburg wegzubringen. Es ist immer noch der Weg, den die Würzburger vor 64 Jahren liefen, es ist der Hoffnungsweg .

Mittlerweile hat sich die Sonne durch den mittäglichen Nebel gekämpft, und das braun-samtige Wasser gluckst glitzernd an die Laufstrecke - jäh unterbrochen durch den permanenten, lauten Zugverkehr. Trotzdem eine friedliche, verschlafene Strecke, die ich gerne mit lautem AC/DC-Wummern meines mp3-Handys zur Wirklichkeit erwecke.

Daniel, der heute seinen 297ten Marathon läuft, holt mich ein. Doch bei km 41 verschwinden seine blütenweißen Schuhe im Hochwasser. Lachend laufen wir die letzten 3 Km bis nach Gemünden. Freundliche, junge Helfer erklären uns vor den Mauern der Stadt: „ Hochwasser! Ihr müsst über die Fußgängerampel!“ Unbeholfen-lustig, wie wir und die anderen  Läufer mit schmerzenden Beinen an der Ampel stehen.

Der 44te  km endet in Gmünden, auch diese Stadt wurde in den letzten Kriegstagen durch Bombardierung vollkommen zerstört. Über dem Stadtkern von Gemünden ragt die Ruine der Scherenburg heraus, auch Schloss Scherenberg genannt. Weiter oberhalb befinden sich noch Überreste der Slorburg. In der  Fußgängerzone stehen Tische und Stühle. Die Italiener sind wohl zurück aus dem Süden, denn viele Menschen sitzen auf dem Rathausplatz und genießen bei Sonnenschein ihr Eis, während wir gemütlich durchtraben.

Wieder sind es freundliche, junge Helfer mit gelbem Schild, die uns den Weg weiter weisen. 

Ziel ist  an der Grund- und Hauptschule. Eigentlich bräuchte Daniel noch einen Lauf mit Zielzeit 4:37, aber zum Glück besteht er nicht drauf, und so laufen wir Seite an Seite unter dem Zielbanner durch.

Es ist kaum anzunehmen, daß die zahlreichen freiwilligen Helfer, die diesen Lauf unterstützt haben, und Günther Hussy, der mal wieder einen super organisierten Lauf hinbekommen hat, in naher Zukunft heiliggesprochen werden, auch wenn sie heute viel für die Leprakranken getan haben. Aber ich werde, wenn ich nächste Woche in Rom laufe, für diese Menschen ein gutes Wort einlegen.

 

Informationen: Würzburg Gedächtnislauf
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