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Laufberichte

30 anni di grande emozioni e di successi

 

Nach 3 Kilometern kommen wir an der Fortezza da Basso vorbei, einer architekturhistorisch bedeutende Festungsanlage des 16. Jahrhunderts. Knapp vor einer Bahnunterführung werde ich von hinten mit „Hallo Austria“ begrüßt – eine sportliche und hübsche Frau um die 30 läuft mit dem 4 Stunden-Tempomacher einher und dürfte auch aus Österreich kommen. Wenige Minuten später überholt mich beim 50m-Anstieg eine Frau Mitte Vierzig mit den Worten „Bin auch schon 18 Marathons gelaufen“. Ich frage rhetorisch nach „Heuer oder insgesamt?“ Sie wünscht mir einen guten Lauf. Auf ihrem Shirt lese ich „LC Saalfelden“. Ich bleibe kurz stehen und knipse die nachkommenden Läufer, einige keuchen hörbar laut, dass man ihnen empfehlen müsste, den eigenen Sport zu hinterfragen oder zumindest das Leistungsniveau.

Die Freundlichkeiten nehmen kein Ende, das habe ich der übergroßen Aufschrift „100 Marathon Club Austria“ auf der Rückseite meines nagelneuen Shirts zu verdanken. Ein Italiener sagt laut „gli austriaci sono diavoli“ – als Teufel sehe ich mich nicht. Ich mache einen schnellen Schritt, umfasse mit beiden Händen seinen Hals und sage im Spaß  – „vado a strangularti“, falls Teufel überhaupt würgen.

Auf den ersten fünf  Kilometern gibt es viel Kommunikation auf Small-Talk-Niveau, denn je enger die Straßen sind, desto mehr Gedränge entsteht und je eher kommt man ins Gespräch. Was mir auffällt, ist das scheinbar geringe Zuschauerinteresse außerhalb der città, nur vereinzelt stehen Menschen am Gehsteig und schauen den Läufern zu bzw. nach. Was habe ich heuer in anderen Städten schon für schöne Fotos geschossen, von Müttern mit Kleinkindern am Arm oder im Huckepack, von Kindern mit  Schnuller im Mund oder Eistüte in der Hand, von der älteren Damen mit einem weißen Puddel, der mich ankläffte, als ich statt Frauchen ihn knipste. Doch die Begeisterung am Start war groß, sobald wir in das Zentrum von Florenz zurückkommen werden, werden auch die Zuschauer an der Strecke wieder die Läufer anfeuern.

Bei der via Paisello befindet sich nach 5 km die erste Labestation. Meine Garmin zeigt 28:12, unter der 6er-Zeit ist für mich stets erstrebenswert. Entlang der via delle Cascine kommt es zu Gegenverkehr, zuerst erblicke ich jene Läufer, die vor mir liegen, nach der180 Grad-Wende sehr viele, die hinten nachkommen, darunter auch die 4:30er-Gruppe, die ca. 500 m zurückliegt oder ca. 3 Minuten. Der Kurs führt nun in westliche Richtung hinein in das Grünland von Florenz, in den großen Parco delle Cascine. Der Name des Parks stammt von der Rinderzucht, die sich hier früher befand (Cascina = Viehstall). Seit dem 17. Jahrhundert wird der Park von einer majestätischen Baum-Allee dominiert, zuerst bekannt als „Stradone dei Pini“ und später als „Stradone del Re“. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts machte Erzherzogin Elisa den Park der Öffentlichkeit zugänglich und gab so der Stadt eine Grünanlage. Im 19. Jahrhunderts wurden große Teile des Parks umgestaltet und Sportmöglichkeiten sowie eine Pferderennbahn geschaffen.

Knapp vor Kilometer 8 kommt auf der durch eine Absperrung getrennten Piazzale dell’Indiano die Spitzengruppe eskortiert von zwei Polizisten auf Motorrädern auf uns zu. Wenig später bin ich wieder Gegenstand der Aufmerksamkeit: Drei Italiener sind dabei, mich zu überholen. Einer der Läufer wundert sich, wie ich heuer, Florenz eingerechnet, schon 50 Marathons gelaufen sein kann, wenn in diesem Jahr erst 47 Wochen vergangen sind. Ich drehe mich zu Ihnen rüber und sage, dass ich einige ausgefallene Wochen im Jänner und zu Ostern mit sieben Doppelpacks kompensiere und im Dezember noch ein paar Läufe dazukommen werden. Und rufe ihnen nach: „Ma sono un lento correre …“

Die zweite Labe ist exakt nach 10 km im Park an der Piazzale Kennedy eingerichtet, wo auch wieder einige Zuschauer das Geschehen verfolgen. Wegen eines kurzen Austrittes ins Gebüsch habe ich fast eine Minute verloren, liege aber noch immer unter 60 Minuten. Ich hoffe, dass ich bis zur 15 km-Marke, die sich ebenfalls noch im Parco delle Cascine befindet, unter 1:30 Stunden bleibe. Der Kurs verläuft nun wieder nach Osten, also zurück in die Nähe des Zentrums von Florenz. Der aufkommende Wind bremst, ich reihe mich hinter einer  Gruppe ein, die mein Tempo läuft. Beim Radfahren ist das Windschattenfahren gang und gäbe, beim Laufen ebenso nützlich. Wenn einer ständig Führungsarbeit machen muss, verausgabt er sich. Daher wechseln sich auch die Spitzenläufer beim Marathon ab, zumindest auf den ersten 30 km.

Bald darauf geht es bei der Piazza Vittorio Veneto auf den Ponte della Vitoria, der über den Arno führt. Die Strecke am Fluss, dessen Bett 15 bis 20 Meter tiefer liegt, entlang des Lungarno delle Rose und L. Doderini bietet viele Panoramafotos mit Blickrichtung Stadtzentrum bzw. zum Ponte Vecchio. Immer wieder kommt es zu kleinen Duellen, der eine will den anderen überholen, doch der andere gibt nicht nach. Auch ich habe eine Verfolgerin dicht hinter mir – eine Frau Mitte Fünfzig mit der französischen Fahne als Wangenbemalung. Sie kämpft tapfer, erst als ich kurz stehenbleibe, um zu knipsen, liegt sie vor mir. Mir tun die 15 Sekunden-Pause gut. Wer weiß, ob ich Madame auf den noch offenen 24 km nicht noch antreffen werde.

Der Kurs verläuft über die via dei Seragli nun wieder nach Süden, vom Arno weg bis zur Piazza Calcia, von dort in einer 180 Grad Wende zum Fluss in Richtung der Piazza del Pitti, vorbei am bekannten Pallazio Pitti, einem Renaissance-Palast im Stadtteil Oltrarno, der um 1458 für den Kaufmann Luca Pitti erbaut wurde. Das Gebäude war seit dem 16. Jahrhundert Residenz der Herzöge von Toskana, später die Florentiner Residenz des Königs von Italien. König Viktor Emanuel III. trat ihn 1919 an den italienischen Staat ab – seitdem sind der Palazzo Pitti und seine Gemäldesammlungen öffentlich zugänglich, darunter die Galleria Palatina der Medici mit Werken von Tizian, Giorgione, Raffael und Rubens und die Galleria d'arte moderna mit Werken vom Klassizismus bis zum Beginn des italienischen Futurismus an der Jahrhundertwende des Zwanzigsten Jahrhunderts. Wir sind bei Kilometer 19 angelangt, der Blick auf die Uhr bestätigt mein Gefühl für das Lauftempo -  ich liege knapp unter der 6er-Zeit.

Wir laufen an dem Ponte Vecchio vorbei, die wir erst bei Kilometer 39 überqueren werden. Jetzt geht es weiter an der südlichen Arnoseite entlang dem Lungarno Torrigiani und L. Serristori über den Ponte San Niccolo auf die andere Flußseite, wo die Halbmarathondistanz  auf dem Lungarno del Tiempio erreicht wird. Die offizielle Zeitnehmung zeigt beim Durchlaufen 2:10:08, ein paar Minuten muss ich abziehen, mit 2:06:46 passt meine Nettolaufzeit bisher. Doch wir haben erst die Hälfte zurückgelegt, nochmals sind 21,1 km zu laufen – einige marschieren jetzt schon. Nach 3 Stunden sollte man die Halbmarathon-Marke erreicht haben, der Kurs ist 6 Stunden geöffnet. Wenn ich an Bratislava, Laibach oder auch Bad Füssing denke, wo man rigoros  gegen „Temposünder“ vorgeht – in Italien vergrämt man niemand, auch auf die Allerletzten wird gewartet.

Nach der Halbmarathon-Distanz verläuft die Strecke wieder im spitzen Winkel über die Straßenabschnitte via Aretina, Credi und Manneli nach Nordwesten. Die Gegend um den Bahnhof im Campo Marte von Florenz ist nicht wirklich ein Highlight. Bei der 25 km-Labe spricht mich wieder eine Landsfrau an: „I hob goa nit gwusst, dos es so an Club gibt, hobt’s ihr olle zsamm schon 100 Marathons oder?“ Ich antworte der Kollegin aus einem ländlichen Bundesland: „Von derzeit 26 Mitgliedern haben 13 mehr als 100 erreicht“. 

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Informationen: Firenze Marathon
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