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Laufberichte

Auf den Spuren Waldenser

 

BURGwald und RauschenBERG sagen schon, heute wird es nicht flach, denn wir sind im Westhessischen Bergland, einem mäßig hohen Mittelgebirge. Das Höhenprofil bestätigt, dass es laufend auf und ab geht.

Da es für mich nur knapp 100km Anreise sind, fahre ich früh morgens nach Rauschenberg, das mitten in Waldhessen liegt. Von Marburg aus sind es knapp 20km bis zum Start. Dort treffe ich sofort auf meinen Vereinskameraden Dietrich. Er will es heute auch gemütlich angehen, um auch was von der Landschaft aufzunehmen und auch mal ein Schwätzchen zuhalten.

Fleißige Helfer sind beschäftigt mit Nachmeldungen und der Startunterlagen-Ausgabe. Der Macher und Chef vom Burgwald Marathon ist Heinz Kaletsch vom ASV Rauschenberg. Er erwartet heute rund 500 Teilnehmer auf den 6 verschiedenen Strecken. Neben dem Marathon mit den Burgwald-Meisterschaften werden noch ein Halbmarathon, 10km, 5km sowie ein Mini-Marathon und auch Bambinilauf angeboten. Alle Läufe werden zeitversetzt nacheinander gestartet. Den Anfang machen wir um 8:30 Uhr mit dem Marathon. Wir laufen den ersten und letzten Teil auf der Halbmarathonstrecke.

Laut Voranmelderliste wird es heute ein Seniorenrennen. Bei den Männern geht es von M30 bis M70 und bei den Frauen von W40 bis W60. 8 Frauen und 47 Männer sind vorangemeldet. Mal sehen, wie viele Nachmelder es noch gibt. Last Minute beträgt das Startgeld für den Marathon ja nur 25€ plus 2€ Nachmeldegebühr. Darin sind bei den Marathonis auch noch ein Funktions-Shirt und die Finisher-Medaille mit drin. Das nenne ich ein gutes Preis- Leistungsverhältnis. Für die 42,2km haben wir 6 ½ Stunden Zeit.

Die Wetterfrösche sagen für heute Höchsttemperaturen von 20o voraus, 1 Sonnenstunde und ein Niederschlagsrisiko von 60%.

Somit ist die Kleiderfrage geklärt. In der Sporthalle ist es eine Stunde vor dem Marathonstart noch recht leer. Allerdings treffe ich mal wieder Dietmar Mintgen, der meine Marathonsammlung längst übertrumpft hat. Auch Didi Beiderbeck ist am Start. Sein Guide ist heute Harald Koch, der wie ich aus Vellmar ist.

Erst kurz vor dem Start begibt sich die kleine Gruppe zum Roten Startbogen. Es wird runtergezählt und los geht’s zwischen Schwimmbad und Sporthalle. Nur wenige Meter hinter dem Start ist Michel „on Tour“ und verabschiedet uns mit Applaus.  Schwarze Wolken sind am Himmel, aber es ist noch trocken.

Schon 150m nach dem Start geht es aufwärts. Wir umlaufen das Sportzentrum und verlassen Rauschenberg, nachdem wir den schönen, alten Marktplatz mit dem 1557-58 erbauten Fachwerk-Rathaus. bestaunt haben.  Auf dem Platz standen früher auch ein Brauhaus und der Pranger. Mitte des 18. Jh. wurden bereits zahlreiche Märkte abgehalten. Pro Markt erhielt die Stadt 28 Albus. Der Albus war ein verbreitetes Zahlungsmittel, das sich wegen seines hohen Silbergehaltes von anderen Münzen unterschied.

In direkter Nachbarschaft stehen das alte Stadttor und dahinter die gotische Stadtkirche. Im Inneren ist besonders der gemalte Flügelaltar von 1420 sehenswert. Auf dem Berg gibt es noch die Überreste der Rauschenburg, die um das Jahr 1000 entstand und im Dreißigjährigen Krieg zerstört wurde. Im Sommer sind hier Freilicht-Veranstaltungen. Ja, auch ein Ort mit gerade mal 2200 Einwohnern hat so seine Sehenwürdigkeiten.

Am Ortsende laufen wir am Erbächer Teich vorbei der vom Irrbach gespeist wird. Dieser Bach versiegt im Sommer oft, „er fließt in die Irre“. Einer Sage nach sollen hier tote Landsknechte gekämpft haben, nachdem sie um Mitternacht mit Zaubersprüchen wieder zum Leben erweckt wurden. Irgendwann, wenn es Zeit dafür ist, sollen die Landsknechte erneut zum Kampf bereit sein.

Nach 2km erreichen wir die erste Höhe und haben im jetzt einsetzenden Regen einen etwas eingetrübten Blick auf die Silhouette von Rauschenberg, das am gegenüberliegenden Berg liegt. Die nächsten Kilometer geht es weiter aufwärts bis Wolfskaute, das ist ein Anstieg von immerhin 325m. Durch die Felder zieht sich im Zick-Zack-Kurs die bunte Schlange der Marathonis.

Die kleine Siedlung Wolfskaute entstand im 30-jährigen Krieg und erinnert daran, dass in Lehmkuhlen (Kauten) Wölfe gefangen wurden. Heute gibt es nur noch die Nachfahren der Wölfe im Ort, die Wachhunde.

Der Ort selbst entstand durch die Waldenser, die im 17. Jh. wegen ihres Glaubens ihre französische Heimat verlassen mussten. Aus dieser Zeit haben sich bis heute Begriffe erhalten wie Püree, Bouillon, Kotelett, Omelett oder auch Filet und Roulade.

Nichts von dem steht heute auf dem Speisezettel. Bis zur ersten Versorgungsstelle in Albshausen könnten wir uns höchstens an ein paar unreifen Äpfeln laben. Über Felder  geht es 2km abwärts. Bis wir ins  250 Seelen-Örtchen Albshausen kommen, haben wir so die gesamte gewonnene Höhe wieder eingebüßt. An den uralten Fachwerkhäusern kann man teilweise den Lehmschlag in den Fächern erkennen.

Kaum einen Kilometer weiter erreichen wir dann den sagenumwobenen Burgwald, das größte zusammenhängende Waldgebiet Hessens und beliebtes Naherholungs- und Wandergebiet. Von hier stammt auch der Maler und Buchillustrator Otto Ubbelohde, der vielen Büchern der Gebrüder Grimm „ein Gesicht“ gegeben hat.

Nach einem kurzen Wegstück am Waldrand tauchen wir ein in den dunklen Wald. Die Strecke ist überall vorbildlich markiert, verlaufen unmöglich. Der Regen wird stärker und das Wasser kommt uns auf den Waldwegen  bereits in kleinen Bächen entgegen.

Hier überholt uns der erste, eine halbe Stunde später gestartete Halbmarathoni. Es ist Moritz Weiß, er wird auf dem schweren Kurs in 1:19:23 gewinnen. Noch ca. 1km bergauf und wir erreichen die Brachter Höhe und den nächsten Versorgungspunkt. Die Halbmarathonläufer laufen ab hier eine andere Strecke.

Die Marathonis laufen bei strömendem Regen auf ein längeres, welliges Begegnungsstück, das in Richtung Kreuzeiche führt. Dr. Markus Schraub kommt uns entgegen. Er wird den Marathon in 2:56:51,3 gewinnen.

Beim nächsten VP geht es auf eine ca. 6km lange Schleife über „Neuer Stern“ zum Naturschutzgebiet „Rotes Wasser“. Vor diesem Streckenabschnitt wurden wir beim Start schon gewarnt, denn noch nicht verdichteter Basaltschotter erschwert den Lauf.

Hinter dem Roten Wasser kommt das Km-Schild 26. Beim Burgwald-Marathon werden die noch zu laufenden Kilometer angezeigt. Das heißt, wir sind erst 16,2km gelaufen. Der Regen lässt nicht nach, die Wege sind matschig aber trotzdem noch gut zu laufen.

Es geht über eine alte Steinbrücke, restauriert mit Steinen eines ehemaligen Schießturms. Sie war einmal Teil der Verbindungsstraße der Landgrafen zwischen den Jagdschlössern Wolkersdorf und Bracht.

Bei km 19 erreichen wir die Franzosenwiesen, einer Ansammlung von Feuchtwiesen, Mooren, Teichen,  Quellen und Bächen, Heimat vieler gefährdeten Pflanzen und Tiere. Der Name weist wieder auf die  Waldenser und Hugenotten hin. Sie durften seinerzeit das Heu und Moos einfahren, mussten aber zunächst die  Scheunen für die Wildfütterung füllen.

Ab hier fällt leider wegen des Regens meine Kamera aus. Bezüglich Strecken-Fotos muss ich auf die zurückliegenden Berichte verweisen.

Na ja, Bilder vom Großen und Kleinen Badenstein (Baden = althessisch nützen oder helfen) könnte ich euch sowieso nicht zeigen. Den Krater, Hinweis auf den vulkanischen Ursprung, kann man bei dem starken Regen nur erahnen. Weiter geht es in vielen Wellen auf- und abwärts. Bei km 23 ist die Runde zu Ende und wir sind wieder auf dem Begegnungsstück, das uns zurück in Richtung Brachter Höhe führt.

Hinter dem nächsten Posten geht es nochmal kurz und heftig aufwärts. Ab km 28 haben wir die meisten Höhenmeter gemeistert und es geht ins Wohratal. Es nieselt nur noch und hört dann ganz auf zu regnen. Die hohe Luftfeuchtigkeit macht mir als Asthmatiker doch ziemlich zu schaffen. Dann wird halt mal eine Gehpause eingelegt.

Wohra ist eines der ältesten Orte der Region. Die Michaeliskirche war wohl einmal eine Wehrkirche, worauf die Umfassungsmauer hindeutet. Laut Wappeninschrift wurde der Turm  1510 erbaut. Im Bereich von Wohra und Ohm gab es früher über hundert Mühlen.

Halsdorf wird erreicht, der zweitgrößte Ort im Wohratal mit 880 Einwohnern. Hier wurde 1814 der Dichter des Weserliedes Franz von Dingelstedt geboren. Es sind noch rund 6 Kilometer bis zum Ziel. Vorbei am ehemaligen Bahnhof von Wambach und dem Reiterhof der Fiddemühle lassen wir es rauschen bis nach Rauschenberg.

Die paar Steigungen machen kaum was aus. Wir geben Gas und hören schon bald den Ziellautsprecher. Das obligatorische Zielfoto mit Medaille und Finisher-Shirt muss leider ausfallen, meine Kamera hat sich noch wieder erholt.

Ein schöner Landschaftslauf ist zu Ende. Danke liebe Rauschenberger, danke an Heinz Kaletsch. Es war ein rauschender, weil extrem nasser Marathontag. Schade, dass ihr nur alle 2 Jahre diesen Marathon veranstaltet. Wer nicht 2 Jahre warten will, kann nächstes Jahr im August am Wohralauf über 5km oder 10km teilnehmen.


Ergebnisse
Männer
1. Dr. Markus Schraub SF Blau-Gelb Marburg  2:56:51,3
2. Olaf Wickenhöfer LG Eder   3:04:06,1
3. Gert Bayer  SV Blau-Weiß Dodenhausen 3:11:27,6

Frauen
1. Antje Krause  Ultra Sport Club Marburg 3:39:23,9
2. Sandra Dastig  SG Fronhausen   4:22:12,8
3. Sylvia Herz  SV-Rüdigheim   4:30:33,0


64 Finisher

 

Informationen: Burgwald Märchen Marathon
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