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Laufberichte

Highway No. 1 – a long and winding road

29.04.12

Linz – Frankfurt – San Francisco. Mit umsteigen ist man in 15 Stunden in Kalifornien. Als Kind der 60er bin ich quasi mit den „Straßen von San Francisco“ im TV aufgewachsen. Es ist nun höchste Zeit, dass ich mir diese äußerst beliebte Urlauberdestination an der Pazifikküste mal etwas genauer ansehe.

Mit dabei meine Frau Evi sowie Manuela und Günther, auch sehr erfahrene Marathonreisende. Sightseeing in San Francisco, der Stadt am Pazifik mit 825.000 Einwohnern, in zerriss’nen Jeans. Das ist für Günther und mich das Regenerations-programm nach dem Linz-Marathon in der Vorwoche. Golden Gate Bridge, Cable Cars, Fisherman’s Wharf, Chinatown, Lombard Street, Transamerica Pyramid, Ashbury-Park, alles schon mal gehört und im Film gesehen. Nun in echt.

Am zweiten Tag abends starker Regen, und das im Sunshine State Kalifornien!

Von San Francisco fährt man 200km nach Süden, dann ist man in Monterey / Carmel, dem Zielort des Big Sur Marathons. Carmel ist ein teures Pflaster. Pebble Beach, Golfplätze, hier lebten Ernest Hemingway und Jack London, Clint Eastwood war in den 1980er Jahren Bürgermeister. Heute wohnen Brad Pitt, Jennifer Aniston und Doris Day da, gesehen haben wir sie aber nicht. 300 Sonnentage im Jahr lassen auf ein regenfreies Rennen hoffen.

Big Sur ist keine Ortschaft. Big Sur ist eine gebirgige Küstenregion. Großer Süden bedeutet der Name auf englisch/spanisch. Im Vorfeld wird informiert, man solle zu seiner geplanten Marathonzeit 20min wegen der Höhenmeter dazu rechnen. Und wegen des Windes vom Pazifik her, der aber auch sehr gute Luft verspricht. Außerdem solle man die so  wunderschöne Landschaft genießen. Es wird empfohlen, seine Bestzeit anderswo in Angriff zu nehmen, hier wäre die Strecke viel zu schön, um auf Anschlag zu laufen.

Schließlich reden wir vom Highway No. 1, einer beliebten Filmkulisse. Er wird gerne mit Cabrios und Zweirädern der Marke Harley-Davidson bereist. Denn auch da geht es nicht darum, möglichst schnell unterwegs zu sein, sondern darum, das Unterwegssein zu genießen. Der Weg ist das Ziel, wie es so schön heißt.

Vor 90 Jahren wurde von Strafgefangenen begonnen, diese Straße zu bauen. Vorher war die Gegend komplett unzugänglich.  Der Highway Number One windet sich abschnittsweise in Haarnadelkurven über Canyons, meist zweispurig, entlang der kalifornischen Pazifikküste. Ein Erdrutsch, vom tosenden Pazifik ausgelöst, verhinderte 2011 das Laufen auf der Originalstrecke. Heuer kann diese Stelle einspurig mit Ampelregelung befahren werden, der Marathon auf der Originalstrecke ist auch wieder möglich. Für Zuseher ist er aber ungeeignet, weil die einzige Zufahrtstraße zugleich die Laufstrecke ist, und die ist Sonntag vormittags für den Bewerb gesperrt. Nur die etwa 2.000 Menschen, die in der Gegend wohnen, können zusehen, alle anderen haben erst wenige Meilen vor dem Ziel die Gelegenheit einen Blick auf das Ereignis zu erhaschen.

Um im Monterey Conference Center am Freitag oder Samstag vor dem Marathon die Startnummer zu bekommen, muss man schnell gewesen sein! Der Big Sur Marathon ist seit Ende August 2011 ausverkauft, ab 1. August konnte man sich anmelden. 3.500 StarterInnen sind auf den 26,2 Meilen zugelassen! Mehr Leute können nicht zum Start transportiert werden. Ich bezahlte am 4. August  143,78 US-Dollar und bin dabei. Heuer zum dritten Mal gibt es die „Boston 2 Big Sur“ – Wertung, beide Marathons binnen 13 Tagen um 225 US-Dollar Startgeld, wenn man schnell ist.  Um offizieller Finisher zu werden, muss man bis 13 Uhr im Ziel sein, gestartet wird schon um ¾ 7(!)

Am Freitagnachmittag in Monterey bekommen Günther und ich nach Vorweisen des Passes die Startnummern von zwei nicht mehr ganz jungen, gut gelaunten Damen. Diese Abteilung ist in der Hand der Senioren.  Je nachdem, in welchem Hotel man wohnt, bekommt man einen Busabfahrtsplatz zugewiesen. Da wir bald dran sind, dürfen wir uns aussuchen, ob wir mit einem frühen oder späten Bus fahren wollen. Wir wählen die Spätabfahrt, d. h, am Sonntag um 4Uhr15 morgens geht der letzte Bus. Mitfahrgarantie hat aber nur, wer bis 4Uhr bei den Bussen ist! Die ersten Busse fahren ab 3Uhr30.

Die Marathonmesse zählt über 70 Aussteller. Alles was Rang und Namen hat, auch in Europa, ist da. Und natürlich viele große Namen in der Ernährung, Sportbekleidung, Schuhe und Accessoires. Es wird nicht nur geschaut, sondern auch viel gekauft. Evi legt sich vibram-5-fingers zu. Der Verkäufer empfiehlt, anfangs nur 10% es Laufpensums damit zu laufen, um die Muskulatur daran zu gewöhnen. Bei der halben Distanz wird wieder Michael Martinez auf einem Piano spielen. Wie oft er schon dabei war, frage ich ihn: Heuer wird es das 8. Mal sein. Das Spielen hört man angeblich schon viele Kilometer vorher, wenn das Wetter mitspielt. Er stellt auch aus und verkauft seine CDs.

Da uns nach der Messe Zeit bleibt, fahren wir die 8km zum Zielgelände, wo bereits eifrig aufgebaut worden ist und kommen zu einer kleinen Autoausstellung zurecht. Dort fällt uns ein Bratwurstanhänger auf. Den hat der Eigentümer in Lugano gekauft, drum heißt der auch so. Er betreibt ein uriges Lokal. So eine Inneneinrichtung könnte man genauso gut bei uns irgendwo in den Alpen finden.

Der Samstag ist Marathon frei, denn am Sonntag geht es ganz bald los. 

03:00h Vor dem Wecker bin ich munter. Kalt und windig ist es. Das passiert mir in letzter Zeit öfters. Bald sind Günther und ich startklar. Wir marschieren los Richtung Busbahnhof, die ersten Schulbusse kommen uns entgegen. Wir sind nach etwa 5 Minuten da. Nun haben die Schüler das Sagen. 10 – 12-jährige sind sicher, dass wir es schaffen werden und sagen uns das auch. „You will make it!“ – sind sie zuversichtlich und lächeln uns zu. Sie sammeln die Busfahrscheine ein. Als in etwa eine Busladung LäuferInnen beisammen sind, wird ein Bus heran gewunken. Der hat Platz für 60 Leute.

03:55h Los geht es. Als wir Monterey / Carmel verlassen, sehen wir von der Außenwelt nichts mehr, stockfinster ist es. Wir werden etwa 75 Minuten unterwegs sein. Im Programm wird empfohlen, nicht allzu viel zu trinken, denn in diesem Fall „this ride can be VERY uncomfortable“.

Im Scheinwerferlicht des Busses sehe ich hin und wieder Nebelfetzen. Als wir einen großen Bogen fahren kann, ich hinter uns eine ganze Buskolonne entdecken. Dass die Strecke kaum einen ebenen Meter hat, bemerken wir auch. Wir fahren am Startgelände vorbei. Der ganze Konvoi dreht bei der nächsten Möglichkeit um und lässt uns aussteigen.

05:08h Hier sieht es aus wie in einem Flüchtlingslager, ist mein erster Gedanke. In Decken gehüllte Leute stehen, sitzen rum. Lustig schaut das nicht aus. Ein zentraler Lichtmast erhellt die Szenerie, Dutzende grüne porta-potties stehen aufgereiht und werden auch frequentiert.

Es gibt eine Startlabe: Kaffee, heißes Wasser, Brot, Bananen, außerdem Vaseline in großen Gebinden sowie Sonnencreme mit Faktor 30 aufwärts. Schon kurios: es ist stockdunkle Nacht, wir sind im Wald, es hat 5 Grad und wir sollen uns mit Sunblocker eincremen!

05:30h Ab nun wird Musik gespielt, und mit dem „Stadionsprecher“ bekommt das Szenario einen Hauch von Woodstock. Adele, CCR, vorzugsweise flotte Musik wird gespielt.

Mittlerweile wird es heller, vor den porta-potties haben sich lange Schlangen gebildet. Laut Sprecher werden 3.800 StarterInnen, inkl. Staffel, an den Start gehen.

Wir treffen ein französisches Ehepaar, welches wir 2 Tage zuvor auf der Marathonmesse getroffen hatten und 4 Tage zuvor in einem Cable Car in San Francisco kennen gelernt hatten, als Evi sie gemeinsam fotografierte. Kalifornien ist ein Dorf!

Eigentlich sind es zwei Platzsprecher, die die Leute in einer Doppelconference unterhalten. Wer ist zum ersten Mal hier? Wer zum 5. Mal? Unglaubliche 18 Leute haben alle 26 Big-Sur-Marathons absolviert und stehen heute zum 27. Mal am Start!

Wer hat heute Geburtstag? Wer feiert, dass er einen neuen Job hat? Solche Sachen halt. Einer feiert heute seine Scheidung und schaut ganz glücklich aus! Wir erfahren, dass 373 Ausländer am Start stehen, die meisten aus Kanada, obwohl das auch schon weit weg ist.

Leute aus Luxemburg, der Schweiz, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Singapur, Australien und Austria werden erwähnt.

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