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Laufberichte

Ultra-Trail: Wo ist Joe?

22.08.10

Ab km 30 wird es nass und matschig. Wir durchqueren auf einem schmalen Trail das Moos. Auf einem ein Kilometer langen Abschnitt ist vor allem die Balance auf den ausgelegten Holzbohlen gefragt. Nachdem ich ein paar mal kurz davor bin, nicht nur mit den Füßen Kontakt mit dem Schlamm aufzunehmen, bewege ich mich nur mehr sehr vorsichtig über die glitschigen Bretter. Aber überall liegen die auch nicht, so gibt es keinen Ausweg als sich die Schuhe so richtig schön einzusauen. Überraschenderweise kann ich plötzlich Jan hinter mir ausmachen, ich wähnte ihn ja einiges weiter vorne. Von seinem kleinen Umweg hab ich ja schon erzählt, der ihm wie er meint ca. 3 km zusätzlich eingebracht hat.

Nach 34 km verlassen wir bayerischen Boden und erreichen die Staatsgrenze zum österreichischen Bundesland Vorarlberg. Weniger später ist für mich Halbzeit und treffe an der Vollverpflegungsstelle Hörnlepass ein. Vor dem Start gab es auch die Möglichkeit hierher einen Kleiderbeutel transportieren zu lassen. Meiner liegt bereit und darin warten frische trockene Socken und ein ärmelloses Singlet auf mich. Die dreckverschmierten Schuhe werden aber stolz bis ins Ziel getragen.

Aber vorher wird wieder anständig gefuttert. Es ist wieder alles dabei was das Herz begehrt. Von Süß bis salzig und fruchtig bis sportlertypisch, alles ist da. Das Gros der Trailer wird zwischen 9 und 12 Stunden unterwegs sein, daher sollte man sich die Zeit für ausreichende Verpflegung schon gönnen.

Ich fühle mich nach der kleinen Pause wieder sehr gut und folge Jan, der jetzt bergab auf der Teerstraße wieder mächtig Fahrt aufnimmt. Aber kurz vor Ritzlern im Kleinwalsertal habe ich das Gefühl, wir laufen gegen eine heiße Wand. Nicht nur wir, sondern auch die Temperaturen haben unten im Tal gewaltig zugelegt. Mich trifft es fast wie ein Hammer.

Nach dem Überqueren der Kleinwalsertal-Bundesstraße sind über 5 km und 400 hm größtenteils in der Sonne, unterhalb von Kanzelwand und Fellhorn rauf zur Söllereckbahn zurückzulegen. Wasserstellen gibt es zwischendrin vom Veranstalter keine, aber einige Brunnen am Wegesrand mit klaren Quellwasser sorgen für Abkühlung. Kaum einer kommt mehr an einem der zahlreichen Wassertröge vorbei, ohne sich den Kopf zu kühlen.

An der Bergbahn (km 42) gibt es dann auch das ersehnte Trinkwasser für uns. Auf 1400 m Höhe hat man eine prächtige Aussicht über Oberstdorf. Aber vom Planet jetzt ganz schön gezeichnet, fällt es mir und den meisten anderen nicht mehr so leicht sich daran zu erfreuen, Schatten kann jetzt eindeutig mehr Pluspunkte sammeln. Ein Stück aufwärts ist es dann noch bis unsere Laufstrecke wieder seinen Gipfel erreicht und vom Gesamten (Distanz & Höhenmeter) etwa 2/3 absolviert sind.

Der Abstieg ins Tal führt uns wieder in den schattigen Wald. Die ersten Kilometer gehen noch auf einem geschotterten etwas breiteren Weg, nachfolgend aber fast treppenförmig steil über Wurzeln und Steinen bis zum Freibergsee. Wunderbar Idyllisch liegt er vor uns. Ich denke nicht nur Jan und ich hegen in diesem Moment den verlockenden Gedanken, ganz runter ans Ufer zu laufen und rein zu springen.

Im Hintergrund ragt die Heini-Klopfer-Skiflugschanze in den Himmel. Die frei ausragende Spannbeton-Konstruktion wird im Volksmund "Schiefer Turm von Oberstdorf" genannt. Sie wird als eines der schönsten und zweckmäßigsten Bauwerke auf dem Gebiet des nordischen Skisports bezeichnet. Oberstdorf wollte etwas Einmaliges bieten, das ist zweifellos gelungen, sie fügt sich wirklich wunderbar in die Landschaft ein. Der Schanzenrekord steht im Übrigen derzeit auf 225,5 m.

Unser nächstes Ziel sind die Schanzen in der Erdinger Arena Oberstdorf, die vor allem bekannt sind durch das jährlich stattfindende Auftaktspringen der Vierschanzen-Tournee, die sind aber von der Heini-Klopfer-Schanze noch ein paar Kilometer entfernt. Über 5 km und fast 600 hm ging es runter bis ins Tal.

Jetzt müssen wir noch in der sengenden Hitze 2,5 km im Flachen bis zum Cut-Off in Oberstdorf realisieren. Wer dieses Teilziel nicht in 8:15 Std. erreicht, darf nicht mehr weiter laufen. Es gibt aber auch die Möglichkeit freiwillig auszusteigen und in eine separate Wertung aufgenommen zu werden und dafür auch eine Medaille zu empfangen. Aber, jetzt kommt’s …das Steinmännle bekommen nur die Finisher der kompletten Strecke und das will ich ja unbedingt haben.

Jan und ich erreichen die Anlage in 7:30 Std., so haben wir ausgiebig Zeit zur Stärkung, die wir auch bitter nötig haben. Im Eingangsbereich des Stadions wird jeder vom Sprecher begrüßt. Mein erstes Bedürfnis sind zwei Becher Cola, ich bin gerade so down, dass ich nicht mal Lust auf ein Erdinger habe. Oh, wenn das der Anton liest. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Beine massieren zu lassen, aber da herrscht so viel Andrang, dass ich es sein lasse.

 
 

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