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Laufberichte

4. Lost Places Marathon: Ich bin nicht LOST !

24.10.10
Autor: Joe Kelbel

Dunkelheit. Schmerz. Rauch und Schreie. So beginnt die Fernsehserie LOST. Und so endete die stolze Hansestadt Wesel im Februar 1945 nach viertägigem Dauerbombardement. Nach dem Rückzug der Wehrmacht auf das rechte Rheinufer ließ General Schlemm am 10.März die Weseler Eisenbahnbrücke und die stark beschädigte Rheinbabenbrücke entgültig sprengen, um einen schnellen Panzervorstoß der Amerikaner zu verhindern.

Am 23.März 45 regneten erneut 1100 Tonnen Bomben und Luftminen herab und puverisierten Wesel. Einen Tag später erfolgte das größte Luftlandeunternehmen der Kriegsgeschichte, in dessen Verlauf 21.000 Soldaten aus der Luft ins Gefecht gebracht wurden. Ein Jahr später überspannte eine englische Pionierbrücke wieder den Rhein, die aber nicht zivilen Ansprüchen gerecht wurde, denn sie schwankte so heftig, dass man von der „Munteren Gummibrücke“ sprach. 1953 wurde die „neue“ Weseler Rheinbrücke fertiggestellt.

In seiner Marathonserie „Lost Places“ entdeckte Vizeweltrekordler Christian, dass diese Brücke in diesem Jahr abgerissen wird. Christian hat sich spezialisiert auf Plätze, die im Laufe der Geschichte in Vergessenheit geraten sind: vergessene Bahnhöfe, Bunker, Tunnel, Raketenabschußrampen, Gebäude und Städte, die durch Nutzungsänderung hinter hohen Zäunen und Gebüsch den Blicken der Bürger entzogen wurden, und veranstaltet an diesen Plätzen einmalige Marathonläufe.

44mal muss man über die Brücke laufen um die Marathondistanz zurückzulegen. Für mich sollte es das Comeback nach meiner pulverisierenden Achillessehnen-OP werden, aber ein neuerlicher Angriff zerstörte nach meiner postoperativen Thrombose auch noch meinen Mittelfussknochen. Stoßwellen, Spritzen, harte Medikamente und Strahlentherapie, ich habe mein persönliches Wesel am Bein.

Ein neues Wahrzeichen überspannt seit Neustem den Rhein: Die Niederrheinbrücke. Mit ihren stählernden Seilen triumphiert sie seit 2009 über dem gewaltigen Fluß und bietet den Zuschauern eine geniale Gelegenheit, den verrückten Läufern auf der Brücke von 1953 zuzujubeln.

Die Brücke von 1953 ist schon teilweise abgerissen worden, der Rest folgt in den nächsten Wochen, der Stahl ist noch ein Vermögen wert. Die Stadt Wesel ist begeistert von Christians Idee, hier einen einmaligen Marathon zu veranstalten, die heimische Presse bringt jede Woche Artikel, sogar der WDR ist live dabei.

Also bin ich auch live dabei. Dies ist für mich eine Gelegenheit, gute Freunde wiederzusehen, oder vielleicht lockt mich auch nur der Duft von verschwitzter Funktionskleidung. Auch wenn ich langsam wie der dicke Hurley in der Fernsehserie LOST aussehe, so werde ich bald wie  John Locke sein, der nach dem Absturz wieder ohne Probleme laufen kann.

Ich bin nicht LOST !

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